Werben um Vertrauen
Ganz neu ist das 470-Seiten-Buch nicht. Die amerikanische Originalausgabe erschien Ende 2006 unter dem Titel: „The Audacity of Hope“ – Mut zur Hoffnung. Inzwischen aber ist aus dem unbekannten Senator aus dem Mittleren Westen, Barack Obama, der demokratische Kandidat für das Weiße Haus geworden, und Washingtons Insider halten Wetten von 60 zu 40 auf seinen Erfolg, wenn sie auch hinzufügen, es könne sehr knapp werden. Jetzt kommt eine Sonderausgabe, gerade rechtzeitig zu den Fernsehbildern von Obama in Berlin.
Die Botschaft an alle: Ich bin nicht George W. Bush, vertraut mir, hofft mit mir, wir schlagen ein neues Kapitel der amerikanischen Geschichte auf und damit der Weltgeschichte, gebt mir Eure Stimme. Diese Botschaft hat bisher viele Millionen erreicht und gewonnen. Was fehlte, war der konkrete Inhalt, die Gestaltung des Wandels. Die Frage ist, ob Obamas strahlender Erfolg den Übergang von der Vision zum politischen Programm überdauert.
Das ist auch die Frage, welche die Welt jenseits der Vereinigten Staaten brennend interessiert. Gewählt wird der Präsident der Vereinigten Staaten. Aber in seiner Hand liegt viel vom Schicksal der Welt. Dieses Buch gibt viele Antworten – aber am Ende entscheidet der amerikanische Wähler am 4. November 2008.
Bis dahin aber liest es sich gut, dieses Buch, das man auch als langen Bewerbungsbrief für den Top-Job ansehen kann. Daher auch der Untertitel, der zugleich nach vorwärts und rückwärts zeigt: Rückbesinnung auf den Amerikanischen Traum. Rückbesinnung soll Gewissheit geben, der amerikanische Traum die Nation wieder mit sich und der Welt versöhnen.
Obama stellt sich dar als Mensch in seinem Widerspruch, nicht von oben herab, vom Harvard -Juristen zum gemeinen Volk, sondern als einer von uns, einer von Euch. Er erzählt von Tagespolitik, von Begegnungen mit Bürgern ...
„Wenn ich meinen Blick über die Menschen schweifen lasse, fühle ich mich ermutigt. Ihre Körperhaltung zeugt oft von harter Arbeit. Wie sie mit ihren Kindern umgehen, macht mir Hoffnung. Meine Zeit mit ihnen ist wie ein Bad in einem kühlen Bach. Ich fühle mich danach wie gereinigt und bin glücklich über die Aufgabe, die ich gewählt habe.“
In dem Buch hat er bereits, bewusst oder unbewusst, das Geheimnis ausgesprochen, das ihn bis ganz nach vorn getragen hat: Charisma.
„Am Ende der Versammlung kommen die Leute in der Regel zu mir nach vorn und schütteln mir die Hand oder machen Fotos, oder sie schicken ein Kind vor, das mich um ein Autogramm bittet. Sie drücken mir alles Mögliche in die Hand: Zeitungsartikel, Visitenkarten, ein Briefchen, militärische Orden, kleine religiöse Gegenstände, einen Glücksbringer.“
Im amerikanischen Wahlkampf darf eines nicht fehlen, und so auch bei Obama: Das ist die Kritik, ja die Distanz zu Washington und dem Insider-Betrieb der Apparate, der Lobbys, der organisierten Interessen, dem unübersetzbaren „pork barreling“, wo gefeilscht wird wie beim sprichwörtlichen Gebrauchtwagenhändler.
„Aber Jahr für Jahr lassen wir die Schurken, wo sie sind: Mitglieder des Repräsentantenhauses werden zu etwa 96 Prozent wiedergewählt.“
Das Buch zeigt die taktische Finesse Obamas, der keine Brücken verbrennt: So sehr er den Politikbetrieb von außen kritisiert, so sehr mag er seine Mit-Senatoren:
„Es wird selten erwähnt, ist aber eine gute Erklärung, warum die Wähler in Umfragen regelmäßig angeben, dass sie den Kongress hassen, aber ihren Abgeordneten mögen. Es ist schwer zu glauben, aber die meisten Politiker sind liebenswerte Menschen. Ich fand jedenfalls, dass dies auf meine Senatskollegen zutrifft: Je für sich sind sie eine sehr angenehme Gesellschaft ... . Intelligente, nachdenkliche und fleißige Menschen ... "
Und, man kann hinzufügen, zumeist Leute, mit denen ein künftiger Präsident auskommen muss, gut auskommen muss.
Die auffallende Schwäche Obamas war bisher, dass er von Hoffnung, Wandel und neuen Kapiteln sprach, aber den Zuhörern vorenthielt, wofür er gegebenenfalls steht, und wofür er fällt. Das kann ihm tatsächlich noch den Sieg kosten, denn in wirtschaftlichen Krisenzeiten, wie sie jetzt die Vereinigten Staaten heimsuchen in Gestalt der Hypothekenkrise, der Banken- und Finanzkrise, der hohen Benzinpreise und der großen Job-Unsicherheit – in solchen Zeiten ist Substanz durch nichts zu ersetzen. Für einen künftigen Präsidenten nicht einmal durch prominente, verlässliche Berater, an denen es Obama, dem Kandidaten, wahrhaftig nicht fehlt.
Da aber weicht das Buch aus vor harten Entscheidungen: Gesundheit – da muss viel getan werden, speziell für die ärmeren Amerikaner. Altersversorgung – da stellt sich, wenn die Börse fällt, ein ernstes Problem. Energie und Klimawandel? Da muss jeder Kandidat vorsichtig sein, denn auch den Amerikanern ist das heimische Hemd näher als der globale Rock. Obama wirbt um Vertrauen – alles andere muss warten.
Das gilt auch für seine Außenpolitik. Erst klang alles nach radikalem Wandel, eingeschlossen schneller Rückzug aus Irak. Je mehr Obama von den Fachleuten gebrieft wird, desto länger werden die Fristen, die er nennt. Amerika darf kein schwarzes Loch hinterlassen. Was er selbst über das Ausland schreibt, bleibt großenteils im Ungefähren und Wohlmeinenden. Merkel, Brown und Sarkozy kommen in dem Buch nicht vor – da muss etwas nachgeholt werden.
Aber alles, was er sagt und schreibt, klingt vernünftig und richtig, auch wenn die konkrete Ausformung bisher fehlt. Aber dafür will Obamas ja auch Präsident werden:
„Wenn wir unseren langfristigen Sicherheitsinteressen dienen wollen, müssen wir mehr erreichen als nur den klugen Einsatz militärischer Macht. Wir müssen unsere Politik darauf anlegen, auf der ganzen Welt die Territorien der Unsicherheit, Armut und Gewalt zu vermindern, und wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen ein materielles Interesse an jener neuen Weltordnung haben, von der wir ganz besonders profitieren.“
Wenn das wie Gemeinplätze klingt, so ist ein Buch auch keine Regierungserklärung. Dieses Buch ist das Selbstporträt eines sympathischen Mannes, ein Bewerbungsschreiben um das höchste Amt in der Hoffnung, dass die Wähler sich mitnehmen lassen. Die Schwäche des Buches, seine Unbestimmtheit, ist auch seine Stärke. Solange das Rennen offen ist, lohnt es sich zu lesen. Und danach – da wird man vielleicht noch einmal darauf zurückkommen.
Barak Obama: Hoffnung wagen – Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream
Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Ursel Schäfer
Riemann Verlag, München 2008
Das ist auch die Frage, welche die Welt jenseits der Vereinigten Staaten brennend interessiert. Gewählt wird der Präsident der Vereinigten Staaten. Aber in seiner Hand liegt viel vom Schicksal der Welt. Dieses Buch gibt viele Antworten – aber am Ende entscheidet der amerikanische Wähler am 4. November 2008.
Bis dahin aber liest es sich gut, dieses Buch, das man auch als langen Bewerbungsbrief für den Top-Job ansehen kann. Daher auch der Untertitel, der zugleich nach vorwärts und rückwärts zeigt: Rückbesinnung auf den Amerikanischen Traum. Rückbesinnung soll Gewissheit geben, der amerikanische Traum die Nation wieder mit sich und der Welt versöhnen.
Obama stellt sich dar als Mensch in seinem Widerspruch, nicht von oben herab, vom Harvard -Juristen zum gemeinen Volk, sondern als einer von uns, einer von Euch. Er erzählt von Tagespolitik, von Begegnungen mit Bürgern ...
„Wenn ich meinen Blick über die Menschen schweifen lasse, fühle ich mich ermutigt. Ihre Körperhaltung zeugt oft von harter Arbeit. Wie sie mit ihren Kindern umgehen, macht mir Hoffnung. Meine Zeit mit ihnen ist wie ein Bad in einem kühlen Bach. Ich fühle mich danach wie gereinigt und bin glücklich über die Aufgabe, die ich gewählt habe.“
In dem Buch hat er bereits, bewusst oder unbewusst, das Geheimnis ausgesprochen, das ihn bis ganz nach vorn getragen hat: Charisma.
„Am Ende der Versammlung kommen die Leute in der Regel zu mir nach vorn und schütteln mir die Hand oder machen Fotos, oder sie schicken ein Kind vor, das mich um ein Autogramm bittet. Sie drücken mir alles Mögliche in die Hand: Zeitungsartikel, Visitenkarten, ein Briefchen, militärische Orden, kleine religiöse Gegenstände, einen Glücksbringer.“
Im amerikanischen Wahlkampf darf eines nicht fehlen, und so auch bei Obama: Das ist die Kritik, ja die Distanz zu Washington und dem Insider-Betrieb der Apparate, der Lobbys, der organisierten Interessen, dem unübersetzbaren „pork barreling“, wo gefeilscht wird wie beim sprichwörtlichen Gebrauchtwagenhändler.
„Aber Jahr für Jahr lassen wir die Schurken, wo sie sind: Mitglieder des Repräsentantenhauses werden zu etwa 96 Prozent wiedergewählt.“
Das Buch zeigt die taktische Finesse Obamas, der keine Brücken verbrennt: So sehr er den Politikbetrieb von außen kritisiert, so sehr mag er seine Mit-Senatoren:
„Es wird selten erwähnt, ist aber eine gute Erklärung, warum die Wähler in Umfragen regelmäßig angeben, dass sie den Kongress hassen, aber ihren Abgeordneten mögen. Es ist schwer zu glauben, aber die meisten Politiker sind liebenswerte Menschen. Ich fand jedenfalls, dass dies auf meine Senatskollegen zutrifft: Je für sich sind sie eine sehr angenehme Gesellschaft ... . Intelligente, nachdenkliche und fleißige Menschen ... "
Und, man kann hinzufügen, zumeist Leute, mit denen ein künftiger Präsident auskommen muss, gut auskommen muss.
Die auffallende Schwäche Obamas war bisher, dass er von Hoffnung, Wandel und neuen Kapiteln sprach, aber den Zuhörern vorenthielt, wofür er gegebenenfalls steht, und wofür er fällt. Das kann ihm tatsächlich noch den Sieg kosten, denn in wirtschaftlichen Krisenzeiten, wie sie jetzt die Vereinigten Staaten heimsuchen in Gestalt der Hypothekenkrise, der Banken- und Finanzkrise, der hohen Benzinpreise und der großen Job-Unsicherheit – in solchen Zeiten ist Substanz durch nichts zu ersetzen. Für einen künftigen Präsidenten nicht einmal durch prominente, verlässliche Berater, an denen es Obama, dem Kandidaten, wahrhaftig nicht fehlt.
Da aber weicht das Buch aus vor harten Entscheidungen: Gesundheit – da muss viel getan werden, speziell für die ärmeren Amerikaner. Altersversorgung – da stellt sich, wenn die Börse fällt, ein ernstes Problem. Energie und Klimawandel? Da muss jeder Kandidat vorsichtig sein, denn auch den Amerikanern ist das heimische Hemd näher als der globale Rock. Obama wirbt um Vertrauen – alles andere muss warten.
Das gilt auch für seine Außenpolitik. Erst klang alles nach radikalem Wandel, eingeschlossen schneller Rückzug aus Irak. Je mehr Obama von den Fachleuten gebrieft wird, desto länger werden die Fristen, die er nennt. Amerika darf kein schwarzes Loch hinterlassen. Was er selbst über das Ausland schreibt, bleibt großenteils im Ungefähren und Wohlmeinenden. Merkel, Brown und Sarkozy kommen in dem Buch nicht vor – da muss etwas nachgeholt werden.
Aber alles, was er sagt und schreibt, klingt vernünftig und richtig, auch wenn die konkrete Ausformung bisher fehlt. Aber dafür will Obamas ja auch Präsident werden:
„Wenn wir unseren langfristigen Sicherheitsinteressen dienen wollen, müssen wir mehr erreichen als nur den klugen Einsatz militärischer Macht. Wir müssen unsere Politik darauf anlegen, auf der ganzen Welt die Territorien der Unsicherheit, Armut und Gewalt zu vermindern, und wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen ein materielles Interesse an jener neuen Weltordnung haben, von der wir ganz besonders profitieren.“
Wenn das wie Gemeinplätze klingt, so ist ein Buch auch keine Regierungserklärung. Dieses Buch ist das Selbstporträt eines sympathischen Mannes, ein Bewerbungsschreiben um das höchste Amt in der Hoffnung, dass die Wähler sich mitnehmen lassen. Die Schwäche des Buches, seine Unbestimmtheit, ist auch seine Stärke. Solange das Rennen offen ist, lohnt es sich zu lesen. Und danach – da wird man vielleicht noch einmal darauf zurückkommen.
Barak Obama: Hoffnung wagen – Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream
Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Ursel Schäfer
Riemann Verlag, München 2008

Coverausschnitt: Barack Obama: Hoffnung wagen© Riemann Verlag