"Wer die ganze Wahrheit erfahren will, muss mein Buch lesen"

Von Igal Avidan |
Der ehemalige Militärgeheimdienstler und Korrespondent des "Time"-Magazins in Israel, Aaron Klein, hat ein Sachbuch zu den Tötungen palästinensischer Terroristen durch den Mossad nach den Attentaten bei den Olympischen Spielen 1972 in München verfasst. Das Werk wurde rechtzeitig zur Filmpremiere von Steven Spielbergs Film "München" vorgestellt.
Klein: "Es ist ein guter Film, sehr dramatisch und interessant. Steven Spielberg ist ein großer Regisseur. Aber man darf nicht vergessen, dass der Film - wie im Vorspann angekündigt - von wirklichen Ereignissen lediglich inspiriert wurde. Der Mossad hat nicht so funktioniert wie es in diesem fiktiven Film dargestellt wird. Die Israelis haben auch keine Rache nach München geübt, sondern weitere Anschläge in Europa vereitelt, zum Beispiel gegen startende israelische Flugzeuge. Kurzum, wer einen guten Film genießen will, soll 'München' sehen. Wer die ganze Wahrheit erfahren will, muss mein Buch lesen."
Aaron Klein, ehemaliger Militärgeheimdienstler und Korrespondent des "Time"-Magazins in Israel, konnte das Vertrauen von 50 ehemaligen Offizieren des Mossad und des militärischen Nachrichtendienstes gewinnen. Er hatte ihnen versprochen, sie nicht namentlich zu nennen. Ihre Aussagen verifizierte er anhand von Dokumenten. Sein Fazit lautet: Das Buch "Die Rache ist unser" von George Jonas, auf das sich Spielbergs Film stützt, ist eine Fiktion. Vor allem die These, dass der Mossad von einer privaten Organisation Informationen über Palästinenser kaufte, um sie anschließend zu töten, sei lächerlich. Kein Geheimdienst würde so arbeiten. Klein konnte niemanden beim Mossad finden, der Spielbergs Kronzeugen Juval Aviv kannte, der in dem Film "Munich" den Namen "Avner" trägt.
Klein: "Erst einmal: Einen solchen Avner gibt es nicht. So einen gab es nie und wird es wahrscheinlich nicht geben. Ich habe mit über 50 ehemaligen Mossad-Agenten aller Hierarchieebenen gesprochen, die in solche Aktionen verwickelt waren. Nicht nur verspürte keiner von ihnen Schuldgefühle oder Reue wie der Held des Films, sondern sie sehen in ihrer Tätigkeit eine heilige Aufgabe. Auch 30 Jahre danach sind sie stolz auf das, was sie getan haben."
Aaron Klein räumt mit dem Mythos auf, der auch Spielbergs Film verbreitet. Danach führte der Mossad einen Rachefeldzug gegen diejenigen Palästinenser, die das Massaker von München geplant und ausgeführt hatten. Klein betont, dass nicht der Mossad selbst, sondern ein Ministergremium unter Führung des jeweiligen Regierungschefs die Genehmigung für Tötungsmissionen erteilte. Zweimal wurde diese Genehmigung für einen Anschlag auf Jassir Arafat verweigert. Abu Daud, der das Münchner Attentat geplant und geleitet hatte, wurde verschont und erhielt 1996 sogar die Genehmigung durch den damaligen Regierungschef Shimon Peres, israelisches Gebiet zu betreten.

Mitte der 70er Jahre hörten die meisten Terroranschläge gegen Israelis in Europa auf. Die israelischen Geheimdienstler sahen sich als die Speerspitze des Kriegs gegen den palästinensischen Terror. Klein lässt die Frage offen, wie wirksam die Liquidierungen der letzten Jahre sind. Für eine Lösung des israelisch-palästinensisches Konfliktes reichen sie nicht aus, sagt Aaron Klein.

Klein: "Liquidierungen sind eine taktische und keine strategische Waffe und sie wirken nur für eine begrenzte Zeit. Man löst nicht einen Konflikt zwischen zwei Völkern durch Liquidierungen, sondern stoppt zeitweise die Terroraktivitäten einer bestimmten Organisation, Gruppe, Terrorzelle oder Einzelperson bis ein anderer diese ersetzt. Nehmen wir die Zeit nach München: Die Israelis sind stolz darauf, dass sie mit diesem damals neuen Instrument den palästinensischen Terror in Europa vernichtet haben. Die Palästinenser hingegen behaupten, dass sie aus eigenem Entschluss den Terror eingestellt hätten, weil sie den politischen Kampf über die UNO bevorzugten."
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