Wenn keiner mehr öffnet

Von Alexander Budde · 01.11.2013
Kirchen werden entweiht, die Gemeinden fusioniert. Im Bistum Hildesheim fehlen Priester und die Zahl der Katholiken sinkt. Mit einem rigiden Sparprogramm will die Bistumsleitung die Ausgaben um ein Drittel senken, während der Dom für 35 Millionen Euro saniert wird.
Auf eine bald 1200-jährige Geschichte ihres Bistums Hildesheim blicken sie zurück. Doch den allermeisten der rund 600.000 Katholiken zwischen Harz und Nordseeküste ist nicht zum Feiern zumute. Allerorten ist spürbar, was Peter Suter eine dramatische Glaubwürdigkeitskrise seiner römisch-katholischen Kirche nennt. Der Sprecher der kirchenkritischen Basisorganisation "Wir sind Kirche" im Bistum Hildesheim konstatiert:

Peter Suter: "Dass uns die Gläubigen in Scharen davon laufen. Und des Weiteren, dass wir eben vom System her in mehreren Fallen drinstecken: Wir haben aufgebaut auf das Weihepriester-System. Und wir haben nicht genügend Weihepriester. Und wir sagen auch, dass der Weihepriester eben verzichten muss auf eheliche Partnerschaft. Und dass die Frauen bei uns zweite Wahl sind, dass sie nicht zum Priester geweiht werden dürfen. Wir gelten ja als ein verstaubter und teilweise regelrecht verheuchelter Laden!"

Während der Streit um die Rolle der Kleriker und den Einfluss der Laien tobt, registriert auch das Bistum Hildesheim eine seit Jahren schwindende Zahl der Katholiken, der gläubigen Kirchgänger und vor allem auch der jungen Männer, die sich noch für den Priesterberuf interessieren. Längst werden mehr Katholiken beerdigt als getauft. Und alljährlich treten Tausende Menschen aus der Kirche aus. Die Bistumsleitung reagierte bereits 2003 mit einem Programm zur künftigen Finanz- und Strukturplanung, das wie ein Kahlschlag anmutet. Bis 2020 will man die Ausgaben um fast ein Drittel zurückfahren, die Zahl der Gemeinden soll durch Fusionen halbiert werden. Wenn in solcher Lage der Hildesheimer Dom für 35 Millionen Euro von Grund auf saniert wird, kommt das nicht bei allen im Kirchenvolk gut an, bekennt Werner Scheer. Doch der Generalvikar des Bischofs setzt auf Dialog.

Werner Scheer: "Ich glaube, dass wir heute ein Verständnis haben von Kirche, dass wir ja Kirche miteinander sind. Kirche ist nicht der Bischof, der darum schon alles richtig machen wird. Sondern Kirche sind wir gemeinsam. Und darum sollen alle, die dazugehören, über die wesentlichen Dinge in der Kirche Bescheid wissen. Und in bestimmten Formen dann auch mitwirken und mitentscheiden können. Und ich glaube, dahinter können wir in unserer Gesellschaft gar nicht mehr zurück. Auch wir müssen uns noch einmal weiterentwickeln hier und da mit der Frage des Umgangs mit Geld. Aber der Weg ist richtig."

Der Dom wird mit Liebe zum Detail restauriert
Nicht Andacht und Besinnung erfüllen den Hildesheimer Dom an diesem Morgen. Ein Hämmern und Klopfen dringt aus dem Mittelschiff. Das Gotteshaus wird grundsaniert. Es wird gespachtelt und gepinselt, gedrechselt und geschliffen. Fußbodenplatten aus Sandstein werden verlegt.

Michel Sachon, Steinmetz, selbst Jahrgang 1981, müht sich seit Tagen schon an einer karolingischen Pfeilerbasis. Hier sind Feingefühl und Adleraugen gefragt. Denn das Bauteil aus der Frühromanik hat Schmutz und Mörtel aus neun Jahrhunderten angesetzt.

Michel Sachon: "Die werden jetzt abgetragen und gekärchert. Des Weiteren sind hier Antragungsarbeiten mit einem speziell pigmentierten Mörtel gelaufen. Und der wird natürlich dann noch retuschiert, dass dann farblich alles hundertprozentig angeglichen ist. Man zieht den Hut vor den Steinmetzen, die den Dom gebaut haben! Das Handwerkliche haben wir halt auch drauf, genauso wie die Steinmetze vor 900 Jahren. Das Problem besteht hier hauptsächlich darin, dass man für nachfolgende Generationen die Bearbeitungsspuren, die Oberfläche, die Werkzeughiebe der Steinmetze von damals sichert.

Man hat hier verschiedenste Schadensbilder. Er hat ja auch Bombentreffer gehabt, der Dom. Auf dem Nordparadies im Seitenschiff haben wir Fensterrippen ausgebaut, Maßwerke abgefangen. Wir haben Säulenschäfte neu gehauen. Ich habe die Kapitelle angetragen. Wir setzen Trittstufen. Wir befassen uns hier mit dem kompletten Naturstein."

Frischer Putz strahlt von Decken und Wänden. Hinfort ist der lachsfarbene Marmorboden aus der Nachkriegszeit. Ausgeräumt ist allerhand Dekor. Beim Rückbau in seine ursprüngliche romanische Form wird der Sakralbau zu seinem Vorteil abgeschminkt. Das zumindest ist der Plan des Kölner Architekten Johannes Schilling. Versprochen ist ein neues Raumgefühl. Ungehindert soll künftig der Blick auf neue und alte Pracht gehen. Hinauf zur modernen Orgel im westlichen Kirchenraum: Wie ein silbernes Schwalbennest soll sie über der bronzenen Bernwardtür schweben. Und hinüber auf den neu gestalteten Altar. Der Künstler Ulrich Rückriem meißelt den Tisch des Herrn aus grünem Dolomitstein heraus. Oben, im Glockenstuhl des Domturmes, sollen am 15. August kommenden Jahres bei der feierlichen Wiedereröffnung des sanierten Gotteshauses, die neuen Glocken in Alt- und Sopranlage erklingen. Lange Zeit hörte man es nur als Bass und Tenor aus dem kriegsgeschädigten Geläut klöppeln.

Petra Meschede: "So etwas - beteiligt zu sein an einer Dom-Sanierung und Umbau Dom-Museum - haben Sie nur einmal im Leben. Das ist eine fürchterlich spannende Aufgabe! Es hat alles. Sie ärgern sich, Sie freuen sich. Es ist einfach schön. Schön, dabei zu sein."

Die Schätze des Bistums
Petra Meschede spricht für das Bistum. Sie eilt dem Besucher voraus. Es geht in den Rohbau im Obergeschoss, durch den entkernten Rittersaal - ehemals Versammlungsort für das Domkapitel - und weiter durch einen Wandbruch hindurch in die inzwischen entweihte Antoniuskirche. Hier soll sich künftig das erweiterte Dom-Museum entfalten. Für die Dauer der Sanierung haben die Hildesheimer ihre Schätze ausgeliehen. Im Metropolitan Museum of Art in New York etwa überdauern die Goldene Madonna und das Ringelheimer Kruzifix. Bis zur geplanten Heimkehr der Leihgaben in zwei Jahren zeigt das "Met" Schmiedewerke aus Gold und Silber, Handschriften und zahlreiche weitere Kostbarkeiten aus der Sammlung des heiligen Bernward von Hildesheim. Der Bischof war einer der größten Kunstmäzene des Mittelalters.

"Hier werden Wandteppiche zu sehen sein. Wir haben sechs Wandteppiche, die seit dem Krieg nicht mehr gezeigt wurden. Aus dem 18. Jahrhundert. Die werden derzeit restauriert und die werden dann hier aufgehängt. In Deutschland gibt es wenige Sammlungen mit wirklich großen Wandteppichen, von daher ist die Stückzahl sechs schon sehr gut. Zwei sind allerdings im Krieg verbrannt. Sonst wäre der Zyklus vollständig gewesen."

Petra Meschede zieht es weiter. Vom doppelstöckigen Kreuzgang herab geht der Blick auf die gotische Annenkapelle mit ihren wasserspeienden Fabelwesen. Unten auf dem Friedhof, dem Trubel entrückt: das "Rosenwunder".

"Der so genannte Tausendjährige Rosenstock, der jetzt mit seinen Hagebutten als ganz normale Heckenrose zu erkennen ist, sehr groß, an der Apsis des Hildesheimer Domes, jetzt vom Lichteinfall wunderschön heute. Und es geht eine Geschichte in der Stadt: So lange es der Rose gut geht, geht es der Stadt und dem Bistum Hildesheim gut."

Jahrtausende alte Bistumsgeschichte
Als Bistumsarchivar steht Thomas Scharf-Wrede gleichsam auf den Schultern der Ahnen. Ein Schreibgriffel, ein Glasstein zum Glätten von Pergament - Grabungsfunde unter der heutigen Sakristei bezeugen eine Buchhaltung der Kollegen schon zu Zeiten von Gunthar. von 815 bis 834 der erste Bischof von Hildesheim. Das Grabungsteam ist obendrein auf die Fundamentreste eines wuchtigen Turmes gestoßen. Der so genannte Gunther-Dom besaß vermutlich gleich zwei davon, die offenbar als Schreibstube und Bibliothek dienten. Wer wissen will, wie es überhaupt zur Gründung des Bistums kam, sagt Scharf-Wrede, könne das nachlesen: In der "Fundatio Ecclesiae Hildensemensis", deren älteste Fassung aus dem 11. Jahrhundert stammt.

Thomas Scharf-Wrede: "In der davon berichtet wird, dass Ludwig der Fromme, zusammen mit seinem Kaplan und seinem Hofstaat, in die Gegend von Elze gekommen ist, wo es schon eine Kirche gegeben hat, also an die Leine. Von dort aus einige Jagdausflüge unternommen hat. Und als "frommer Ludwig" natürlich auch während der Jagd Gottesdienst gefeiert hat. Und bei einem dieser Ausritte ist er in das heutige Hildesheim gekommen, auf eine kleine Anhöhe. Und hat in der Natur Gottesdienst gefeiert."

Ein kleiner Altar wird aufgestellt, so berichten es die Annalen. Der Hofkaplan erspäht den Rosenstrauch und hängt ein Reliquiar der Gottesmutter Maria hinein.

Thomas Scharf-Wrede: "Irgendwie muss es dann dazu gekommen sein, dass man den Ort des Gottesdienstes leicht überstürzt verlassen hat. Auf jeden Fall, der Kaplan hat dieses Reliquiar hängen gelassen. Was er erst später in Elze bemerkte. Wahrscheinlich hoch peinlich für ihn. Er ist also wieder zurück in das heutige Hildesheim geritten und wollte dieses Reliquiar entfernen. Aber er bekam es aus dem Rosenstrauch nicht mehr heraus. Was er eindeutig als ein Zeichen erkannte, dass Gott das neue Bistum, das hier im sächsischen Land entstehen sollte, an dieser Stelle begründet sehen wollte. Der Kaiser muss sich natürlich davon überzeugen, dass das richtig ist, was sein Kaplan erzählt. Und fällt die Entscheidung, das neue Bistum hier in Hildesheim zu errichten."

Bischof Bernwards Vermächtnis
Im Jahr 1985 wird die UNESCO den Dom, die ehemalige Benediktinierabtei St. Michaelis im Norden der Stadt, sowie die dazugehörigen Kunstschätze in ihre Liste des schützenswerten Welterbes aufnehmen. Viele dieser einzigartigen Zeugnisse einer untergegangen Kultur verdanken die Hildesheimer ihrem streitbaren Bischof Bernward. Als junger Adelsspross besucht Bernward die Domschule, die im 10. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebt. Eine stolze Ahnenreihe von Reichsbischöfen kündet davon.

Als Erzieher und väterlicher Freund von Otto III. wirkt Bischof Bernward weit über seinen Sprengel hinaus. Er lässt Wehrtürme und Burgen gegen anstürmende Normannen errichten. Er stiftet mit künstlerischem Wagemut auch monumentale Meisterwerke, wie die bronzene Bernwardstür. Die beiden Türflügel, jede zwei Tonnen schwer und mit umlaufenden Reliefs geschmückt, sind jeweils in einem Stück gegossen. Erstaunlich plastische und ausdrucksstarke Figuren wölben sich dem Betrachter entgegen. Der Bildzyklus zur Linken verweist auf die biblische Heilsgeschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Sündenfall. Der zur Rechten erzählt von Leben und Leid Christi.

Thomas Scharf-Wrede: "Ein sehr beeindruckendes, ein sehr plastisches Bildzeugnis. Und etwas was die Menschen wahrnehmen konnten. Wenn man heute die Türen betrachtet und sich einlässt darauf, dann kann man unglaublich tief eintauchen. Man spricht von dieser 'bernwardinischen Kunst', weil sich Bernward eben sehr intensiv um diese Kunstwerke gekümmert hat. Nicht dass er selber Hand angelegt hat. Aber er hat das Bildprogramm komponiert. Und er hat darauf geachtet, dass sowohl eben die besten Künstler und das bestmögliche Material der Zeit verwandt wurde. Denn letztlich nur so kann so etwas tausend Jahre überdauern. So kann etwas schwere Zeiten überdauern."

Am 22. März 1945 wird durch einen Bombenangriff der Alliierten der Hildesheimer Dom bis auf die Grundmauern zerstört. Erst 1950 fällt nach einem Architektenwettbewerb die Entscheidung, den Sakralbau mit den vorhandenen Mitteln wieder aufzubauen. Zwischen Harz und Nordseeküste entstehen in den Nachkriegsjahren Hunderte, zumeist recht provisorischer Filialkirchen. Denn die Zahl der Diözesanen hat sich durch die Kriegsfolgen verdreifacht. Mit den aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien Vertriebenen gelangt erstmals eine größere Zahl an Katholiken in das weite norddeutsche Diaspora-Land.

Thomas Scharf-Wrede: "Es ist ein im Prinzip neues Bistum entstanden. Die Katholiken aus Schlesien brachten eigene kirchliche Gewohnheiten mit. Das heißt, auch das Frömmigkeitsleben veränderte sich. Man hat ganz andere Lieder gekonnt und wollte die auch singen. Katholiken kamen in Orte, in Dörfer, wo bis dahin kaum ein Katholik gelebt hatte. Daraus ergab sich dann die Notwendigkeit, dass neue Kirchen eingerichtet werden mussten."

Entweiht und verkauft
Ortswechsel: Wir sind zu Gast in der Gemeinde Sankt Bruder Konrad in Linden, ein Stadtteil von Hannover. Christoph Lindner fällt der Abschied schwer. Vor einem halben Jahr noch hat der Pfarrer hier die Messe gelesen. Doch seine Kirche ist verkauft und wird bald abgerissen. Zu hohe Betriebskosten, zu wenige Kirchgänger: Das Gotteshaus rentiert sich nicht mehr. Was bleibt, ist die Erinnerung.

Christoph Lindner: "Die Kirche ist ein wenig versteckt, das muss man sagen. Aber sie ist mit sehr viel Liebe und in einer sehr schwierigen Zeit entstanden. In eine Fabrikhalle hineingebaut, 1936, also im Nationalsozialismus. Und sie ist mit sehr viel Liebe in den vergangenen Jahrzehnten und mit sehr viel Einsatz auch der Gläubigen gestaltet worden. Der Kreuzweg, die Orgel - all das ist immer wieder mit vielen eigenen Mitteln hier investiert worden."

Der Altar, das meiste Interieur sind schon abgebaut. Auf die Reise nach Bosnien, ihrem neuen Bestimmungsort, sollen bald auch die bunten Kirchenfenster gehen. Rund anderthalb Millionen Euro hat der Verkauf der Kirche eingebracht.

Die Gemeinde Sankt Bruder Konrad hat ihre Kirche verloren. Im Moment feiert sie ihren Gottesdienst in einer benachbarten Schulaula. Ein schlichtes Pult dient als Altar. Jemand breitet ein weißes Tuch darüber. Trockenblumen werden drapiert, Kerzen ausgepackt.

Ein Mann: "Für mich war das schwer, hier. Als ich das erste Mal hier saß und diese Umgebung sah: eine Aula! Und dachte dann: 'Ein paar Meter weiter steht eine Kirche leer.' Dann liefen mir die Tränen runter. Und ich habe einen Kloß im Hals gehabt."

Die betagten Gemeindemitglieder quälen sich auf harten Stühlen. Bald sollen sie in anderen Kirchen der Gemeinde beten. Das Verständnis dafür geht Karin Kalenbach ab. Die Seniorin, grau meliert, fühlt sich hintergangen.

Karin Kalenbach: "Hochwürden bestimmt! Der Bischof hat das Sagen. Er muss gehorchen. Und wir waren das lukrativste Geschäft. Wir haben das meiste Geld eingebracht, Bruder Konrad. Wenn sie Heiligkreuz platt gemacht hätten, Heilig Geist und Franziskus hätten sie nicht so viel dafür bekommen wie für Bruder Konrad. Das liegt klar auf der Hand. Es gibt eben nur einen Priester, drei Gemeinden. Und da musste eine weg. Und da hat man das Filetstück genommen."

Volle Kirchen, aber nur am Ende
Anders als der Staat könne die Kirche ihre Einnahmen nicht einfach erhöhen, gibt der Generalvikar des Bischofs, Werner Scheer, zu bedenken. Die Kirchensteuer etwa ist an die Einkommenssteuer gebunden. Der demographische Wandel, die Beschäftigungslage in Deutschland, die Entwicklung auf den internationalen Finanzmärkten - all dies sind Faktoren im Kalkül. Weil die Ressourcen nicht für den Unterhalt der 450 Kirchen reichen, hat längst auch der Rückbau des sakralen Erbes begonnen. Dutzende Kirchen und Pfarrhäuser stehen im Bistum zum Verkauf oder warten auf die Abrissbirne. 40 Kirchen sind in jüngster Zeit bereits profaniert, also entweiht worden. Nur Bischof Norbert Trelle und sein Stellvertreter Werner Scheer dürfen den Ritus vollziehen.

Werner Scheer: "Das ist natürlich gefühlsmäßig eine sehr ambivalente Situation. In der Regel ist die Kirche voll! Es kommen auch die aus den Nachbargemeinden, um so etwas einmal mitzuerleben oder um ihre Solidarität zu bekunden. Und manchmal denke ich, wenn ich dann aus der Sakristei in die Kirche komme: 'Ich bin hier falsch! Ich soll doch eine Kirche, die nicht mehr gebraucht wird, schließen. Aber sie ist ja voll.' Aber man darf sich da nicht blenden lassen: Das ist nicht die Alltagsrealität und auch nicht die Sonntagsrealität."

Besonders vom Abriss bedroht sind die so genannten "Filialkirchen", die in den 60er Jahren im Bistum für die Versorgung der Flüchtlinge gebaut worden sind. Viele von ihnen mit einfachsten Mitteln. Asbest-Verbau, maroder Beton, undichte Dächer würden eigentlich eine Grundsanierung nötig machen.

Werner Scheer: "Und jetzt sehen wir aber: die jungen Leute gehen da weg. Die alten Leute werden alt und älter. Und man muss fragen: 'Wenn das Dach kaputt ist in einer solchen Kirche. Was wird hier in 20 Jahren sein?' Und da kommen wir an manchen Stellen zu der schmerzhaften Entscheidung: das machen wir jetzt nicht mehr. Es trifft immer einen kleinen Kern, der noch da ist. Der oft 30, 40, 50 Jahre ganz treu die Kirche gepflegt hat. Und die leiden oft sehr darunter. Und trotzdem glauben wir, dass die Zumutung dann, die Kirche zuzumachen, richtig ist. Um der Zukunft Willen."

Akzeptanz durch Transparenz
Um Akzeptanz auch für unbequeme Sparvorhaben und schmerzhafte Personalentscheidungen zu gewinnen, bemüht sich die Bistumsleitung seit 2004 auch um größtmögliche Transparenz über die Vermögenswerte. Eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüft die Bilanzen.

So gehen sie weiter, die Bauarbeiten. Zur feierlichen Wiedereröffnung des sanierten Domes, im August nächsten Jahres, soll alles fertig sein. Für 2015 steht im Dom die Feier zum 1200-jährigen Bestehen des Bistums an. Werner Scheer ist sich bewusst, dass auch künftig der typische Dom-Besucher wohl eher seinem Reiseführer folgen wird als der Stimme seines Herzens. Doch die Mühen werden nicht vergebens sein, prophezeit der Kirchenmann:

Werner Scheer: "Ich glaube, dass diese Kunstwerke, die Kunstinteressierte in ihren Kunstführern finden, religiöse Kunstwerke sind. Wer vor der Bernwardtür steht, der fängt auf einmal nicht mehr an zu fragen: 'Wie haben die das technisch bloß gemacht?', sondern der fängt an zu fragen: 'Was steckt denn da für ein Glaube dahinter?' Es ist ein missionarischer Ort, der Dom. Das soll ein Ort werden, der Menschen, die keiner Kirche angehören, die ihr fremd geworden sind, auf einmal merken, irgendwas in diesem Raum spricht zu mir, was ich bisher so noch nicht wahrgenommen habe. Das ist die Idee."

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