Wenn der Himmel die Sonne verschluckt

Von Gerrit Stratmann |
Über sechs Minuten dauerte die Sonnenfinsternis auf dem zu den Marshallinseln zählenden Eniwetok-Atoll im Pazifik. Das Naturereignis war vor allem in Indien, Nepal, Birma, Bangladesch, Bhutan, China und im Süden Japans zu sehen.
"Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauer und Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens."

Mit diesen Worten beschrieb Adalbert Stifter seine Beobachtung der Sonnenfinsternis in Wien am 8. Juli 1842.

Der Anblick, wenn sich die Sonne am taghellen Himmel verdunkelt, hat auch heute noch immer eine ungeheure Wirkung. Als göttlicher Wink oder schlechtes Omen gilt er unter Astronomen aber schon lange nicht mehr, seit das Phänomen präzise berechnet werden kann.

Eine Sonnenfinsternis entsteht, wenn sich der Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde genau zwischen Sonne und Erde schiebt. Zwar ist der Mond sehr viel kleiner als die Sonne, aber er steht der Erde gleichzeitig auch sehr viel näher. Dadurch erscheint der Mond am Himmel ähnlich groß wie die Sonne und kann sie für eine kurze Zeit komplett verdecken. Wo der Schatten des Mondes bei einer solchen totalen Sonnenfinsternis auf die Erde fällt, ist es so dunkel, dass einzelne Sterne am Himmel sichtbar werden.

Weil die Sonne verdeckt ist, kann man um sie herum auch die sogenannte Korona beobachten, ein Strahlenkranz, der die Sonne ständig umhüllt, aber normalerweise von ihr überstrahlt wird. Innerhalb des Schattens, den der Mond auf die Erdoberfläche wirft, sinkt die Temperatur merklich um ein paar Grad, Vögel verstummen und manche Blumen schließen sogar ihre Blüten. Da der Schatten mit großer Geschwindigkeit über die Erdoberfläche wandert, dauert die Verdunkelung an einem Ort nur wenige Minuten.

Eine totale Sonnenfinsternis ist von einem bestimmten Punkt der Erde aus im Schnitt nur alle 375 Jahre zu beobachten. Die letzte totale Sonnenfinsternis in Deutschland fand im August 1999 statt. Die nächste wird erst 2081 wieder hier zu sehen sein.

Weltweit kommt es aber etwa alle anderthalb Jahre zu einer totalen Sonnenfinsternis irgendwo auf der Erde. Ab dem 19. Jahrhundert haben Astronomen regelrechte Expeditionen unternommen, um Augenzeuge einer Finsternis zu sein. 1919 gelang dabei zum Beispiel die Bestätigung einer Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein. Heute hat der Tourismus das Phänomen für sich entdeckt und bietet Schaulustigen die Gelegenheit, das seltene Spektakel einer Sonnenfinsternis überall auf der Welt mit eigenen Augen zu verfolgen.


Das Gespräch zum Thema mit dem Wissenschaftsjournalisten Dirk Lorenzen, der das Naturschauspiel in China erlebte, können Sie nachlesen oder mindestens bis zum 22.12.09 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
Mehr zum Thema