Franks Traum
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Frank James Wajega würde lieber in seiner Heimat nach einem neuen Dino graben, als ständig über die Rückgabe des Brachiosaurus zu diskutieren.
Doch was ist, wenn es nicht zu einem ähnlich spektakulären Fund kommt?
"Es ist das größte montierte Dinosaurier-Skelett der Welt, es hat sogar eine Auszeichnung vom Guinness Buch der Rekorde!", sagt Frank. Er platzt fast vor Stolz, als ich ihn bitte, mir sein ganz persönliches Highlight im Museum für Naturkunde zu zeigen. Und steuert wie von selbst direkt zu dem über 13 Meter hohen Publikumsmagneten im Lichthof. Er weiß alles über den Fund des Brachiosaurus brancai. Weiß, dass der deutsche Ingenieur Bernhard Wilhelm Sattler eigentlich nach Bodenschätzen gesucht hat, als er sprichwörtlich über die alten Dinoknochen gestolpert ist:
"Und das war natürlich sehr aufregend für mich, ein Skelett aus Tansania zu sehen, das sogar einen Weltrekord inne hat. So ein reiches Land sind wir, dass wir so ein wichtiges Fossil besitzen."
"Eine tolle Werbung für unser Land"
"Aber ihr besitzt es doch gar nicht", sage ich. Das Dino-Skelett steht doch hier, in Berlin. Frank lächelt. Er hat damit offenbar gar kein Problem. Im Gegenteil:
"Ich glaube nämlich, dass die Art, wie es hier ausgestellt ist, sehr viele Besucher anlockt. Hier ist es einer Weltöffentlichkeit zugänglich – als Weltkulturerbe. Und deshalb denke ich manchmal, dass es ein Vorteil ist, dass es hier ausgestellt ist, weil es eine tolle Werbung für unser Land ist – auch wenn andere Stimmen sagen: Wir möchten es zurückhaben."
Er geht sogar noch weiter und lobt den deutschen Ingenieur Wilhelm Sattler für das, was andere als Raub und Plünderung bezeichnen:
"Es war ein Glück, dass er die Proben zur Untersuchung nach Deutschland gebracht hat. Denn danach gab es grünes Licht für die große Expedition nach Tendaguru, die so eine bedeutende Sammlung hervorgebracht hat."
Frank will weiter, mir unbedingt noch etwas anderes zeigen:
"Als ich zum ersten Mal durch die Ausstellung ging, wusste ich nur von den Ausstellungsstücken aus Tendaguru. Ich war deshalb total überrascht, im Lager Funde von anderen Ausgrabungsstätten zu sehen. Darunter diesen riesigen Stoßzahn des Tereke-Elefanten. Den größten, den ich je gesehen habe. Ich war... woah – was macht der hier, darüber spricht kein Mensch, obwohl er einzigartig ist! Das hat mich echt überrascht."
Frank will den Stoßzahn, die Dinoknochen nicht
Linker Stoßzahn 3,25 Meter lang. Fundort: Oldowai-Schlucht in Tansania. Der Zahn des Altelefanten aus Ostafrika steht etwas versteckt im Durchgangsbereich zum Lichthof. Frank weiß, dass das National Museum in Daressalam eine Ausstellung über Elefanten plant – und von diesem Exemplar hier in Berlin sicher nichts weiß. Für die Ausstellung, findet er, wäre der Stoßzahn ein Highlight.
"Die Transparenz dessen, was da ist oder man glaubt zu haben, ist extrem wichtig", sagt der Afrikanologe Andreas Eckert von der Berliner Humboldt-Universität. Er fordert mit anderen Forschern und Kulturschaffenden aus mehreren afrikanischen und europäischen Ländern freien Zugang zu den Bestandslisten der öffentlichen Museen in Deutschland. Und zwar sofort! Um endlich einen Überblick darüber zu bekommen – wie genau die afrikanischen Sammlungen in deutschen Museen aussehen. Aus welchen Regionen die Objekte kommen. Und welche Arten von Objekten es sind:
"Viele in den Museen selbst wissen offenbar nicht immer, was sie haben, und Afrikaner in Museen und dortigen Kultureinrichtungen haben überhaupt keinen Blick dafür, was eigentlich alles in Europa liegt. Und das ist natürlich die erste Voraussetzung, um in eine Diskussion darüber zu treten, was wie behandelt werden muss und was gegebenenfalls zurückgegeben werden kann."
Frank hätte gern den Stoßzahn zurück, die Dinoknochen nicht.
"Woran wir vielmehr interessiert sind, ist, dass mehr professionelle Ausgrabungen vor Ort stattfinden. Denn mit neuen spektakulären Funden könnten wir auf einen Schlag die Diskussion neutralisieren. So denken, glaube ich, viele meiner Kollegen in Tansania. Sie sind eher dafür, neue Ausgrabungen anzustoßen, als ständig über die Rückgabe zu diskutieren."
Gemeinsam graben in Tansania
Fast genau dasselbe sagt Johannes Vogel, der Chef des Naturkundemuseums.
"Was dort zwischen 1909 und 1913 ausgebuddelt wurde, ist nur ein unheimlich kleiner Teil eines unheimlich großen Gebietes, in dem unheimlich viele Dinosaurier liegen. Wenn die dort eine Wertschöpfung aus Dinosauriern machen wollen, dann würde ich erst einmal sagen, und das möchten die auch, dass wir uns gemeinsam darum kümmern, dort Techniker und Wissenschaftlerinnen auszubilden, um gemeinsam die Schätze dort zu heben, die natürlich da bleiben."
Doch wer weiß, wie lange das dauert? Ob die Mittel dafür da sind und ob es dann tatsächlich zu so einem spektakulären Fund kommen wird? Diese Fragen stellt sich Andreas Eckert von der Berliner Humboldt-Universität:
"Deswegen würde ich sagen: Sicher, das ist ein interessanter Punkt, den muss man weiterverfolgen, aber er darf jetzt nicht dafür herhalten, damit es heißt: Und deshalb bleibt der Dino bei uns, und die Diskussion ist hier zu Ende. Wenn ihr nochmal was Tolles aus der Erde grabt, dann habt ihr doch was Schöneres. Das finde ich so ein bisschen – wie soll ich sagen – allzu sehr strategisch."