Moderne Liebeserklärung an Jesus
Nächstes Jahr findet im polnischen Krakau wieder ein Weltjugendtag statt, an dem vermutlich mehr als zwei Millionen junge Menschen ihren katholischen Glauben feiern. Was treibt sie trotz restriktiver Moralvorstellungen der Kirche dorthin?
Dieses Lied kennen inzwischen viele in Polen. "Selig sind die Barmherzigen" wiederholt sich mehrmals in der offiziellen Hymne des Weltjugendtages in Krakau. Schon jetzt sieht man Menschen, die in T-Shirts mit leuchtend gelbem Kreuz, einer feuerroten Flamme und blauem Wasser herumlaufen. Alles Symbole des Treffens, die an das in Krakau verehrte Bild des Barmherzigen Jesus anknüpfen. Das gesamte Land wartet auf den großen Tag, das staatliche Fernsehen wird das Ereignis übertragen, sagt die Krakauer Religionslehrerin, Monika Rochowiak.
"Die Pfarrgemeinden rufen ihre Mitglieder dazu auf, ihre Wohnungen für die Übernachtung zur Verfügung zu stellen. Freiwilligen-Teams entstehen, es wird gebetet. Jeder kennt inzwischen das Logo und die Hymne, bei der Gottes Barmherzigkeit ganz zentral ist. Sogar Mütter im Erziehungsurlaub wurden gebeten, ihre Vorschläge anzumelden, wie man diese Tage sinnvoll gestalten kann. Man will auch diese Gruppe aktivieren."
Über zwei Millionen junger Menschen werden erwartet. Kein leichtes Unterfangen für eine 800.000 Einwohner Stadt, sodass das Ereignis auf mehrere Schauplätze aufgeteilt wurde. Darunter ist die Blonia-Wiese im Stadtzentrum, auf der Johannes Paul II., der Gründer des Weltjugendtages, acht Mal begrüßt wurde. Der Anfang war in Rom, 1991 kam das internationale katholische Jugendtreffen ins polnische Tschenstochau. Die Stadt platzte damals aus allen Nähten, erinnert sich Monika Rochowiak.
"Ich war damals 17 Jahre alt, wir beteten nachts auf dem überfüllten Platz vor der Ankunft des Papstes, anderthalb Millionen Menschen waren da. Bevor es losging, pilgerte ich zu Fuß vier Tage lang in das kleine Tschenstochau mit seinen 200.000 Einwohnern. Ich bin mir sicher, Krakau wird es auch meistern. Die Bilder von damals werden mich mein Leben lang begleiten."
Generalprobe auf einer Wiese bei Posen
Die Generalprobe vor dem großen Tag hat bereits stattgefunden ‑ auf einer zwei Olympiastadien großen Wiese in der Nähe von Posen. Seit 19 Jahren geht im Ort Pola Lednickie die Post ab. Auf den ersten Blick sieht alles wie bei einem Open-Air-Musik-Festival aus.
Die berühmte katholische Band "Siewcy Lednicy", die auch in Krakau erwartet wird, heizt die Stimmung an. 120.000 Leute jubeln und springen wie Tennisbälle ‑ mit Rosenkränzen in der Hand. Die 20-jährige Anita ist neun Stunden im überfüllten Zug gefahren, um dabei zu sein.
"Selten sieht man Menschen, die mit solcher Leidenschaft und ohne Schamgefühl ihren Glauben bekennen. Es ist eine echte Freude, ohne Übertreibung. Lednica ist ein Testlauf vor dem Weltjugendtag in Krakau. Ich bin mir sicher, wer nach Polen kommt, wird seinen Glauben wiederfinden, er wird gestärkt nach Hause zurückfahren."
Inzwischen gib es auch eine Kinder- und Senioren-Variante des Jugendfestivals, und eine für Motorradfans – garniert mit Fahnenperformances, Marathonläufen, Fallschirmsprüngen oder Tanzchoreografien. So ähnlich wird es in Krakau zugehen, meint Kazimierz Hojna, der Chefvortänzer in Lednica. Doch der Weltjugendtag soll keine reine christliche Spaßveranstaltung sein.
"Wichtig ist uns die Glaubensvermittlung über die Kultur, nämlich über den Gesang und den Tanz. 700 Tänzer und 50 Tanzvorführer aus ganz Europa unterstützen unser Team, es wird auch so beim Weltjugendtag in Krakau sein. Auf dieses Großereignis bereiten wir uns in Lednica seit 20 Jahren vor."
Norbert Fink, Jugendseelsorger aus der Erzdiözese Köln, fiebert dem großen Tag in Krakau entgegen. Fünf Mal erlebte er in Lednica, wie eine moderne Liebeserklärung an Jesus Christus aussehen kann, bei der alles seinen Platz hat – Spaß und Gebet.
"Man kriegt hier den Vorgeschmack, welchen Geschmack der Weltjugendtag in nächsten Jahr haben wird, wie die Polen den Gottesdienst feiern, wie sie singen, tanzen, wie sie hochspringen können und dann total andächtig sind, und dass jeder hier willkommen ist, egal woher er kommt."
Auch Gläubige aus Dubai sind dabei
Seit Jahren strömen immer mehr ausländische Besucher nach Lednica. Gläubige aus Großbritannien, Deutschland und sogar Dubai sind dabei. Auch in Krakau wird ein Meer aus Fahnen wehen zum Takt des nächsten Liedes, das der heiligen Schwester Faustina aus Krakau, der Barmherzigkeitsbotschafterin, zu verdanken ist.
Die Jugendseelsorgerin aus Wuppertal, Patricia Cippa, erhofft sich in Krakau neue Glaubensimpulse:
"Ich finde es schön, wie jung die Kirche in Polen ist. Das macht mir Freude, weil man sagt, wir sterben aus. Es werden immer weniger, aber hier kommt man und sieht so viel fröhliche, lachende Jugend – großartig. Für viele unserer Jugendlichen ist das ein Kennenlernen der polnischen Kultur und der Art, wie hier geglaubt wird."
Keiner weiß es besser als Monika Rochowiak, die junge Menschen in Sachen Religion unterweist.
"Ich würde sagen, dass polnische Jugendliche näher an der Kirche dran sind als Gleichaltrige im Westen Europas. Viele sind vom polnischen Papst geprägt, er ist für sie wie ein Idol. Viele erscheinen zum Gottesdienst, obwohl der Laizismus sein Unwesen treibt. Es freut mich, wenn ein 17-Jähriger am schulischen Religionsunterricht teilnimmt, oft sehe ich junge Menschen in der Kirche knien, sie kommen zum Nachtgebet vor Pfingsten."
Mit Sicherheit ist das Karol Wojtyla zu verdanken, der das geistige Leben einer ganzen Nation prägte. Der Heilige von heute, war als Laie Schauspieler und Werkarbeiter und immer nah an den Menschen. Für die junge Generation, die ihn aus Erzählungen kennt, ist er ein Vorbild, auch wenn manche seine Lehre nicht immer teilen.