Moderation und Gesprächsführung

Im Zweifel auch mal unhöflich sein

Collage von Personen, die diskutiere.
Wenn alle durcheinander reden, versteht am Ende niemand mehr etwas. © imago / Ikon Images / Donna Grethen
Überlegungen von Peter Modler · 22.02.2022
Ob Sitzungen, Versammlungen oder Diskussionen – schnell können solche Gespräche endlos, unstrukturiert oder sogar übergriffig werden. Helfen können Personen, die solche Runden moderieren. Ob sie dabei erfolgreich sind, entscheiden verschiedene Faktoren.
Höflichkeit scheint flächendeckend auf dem Rückzug zu sein. Wahrscheinlich sind zu einem erheblichen Teil die asozialen Medien daran schuld, wo die Kommentarspalten sich sekündlich mit enthemmter Sprache füllen. Auch wenn wir dabei gar nicht selbst mitmachen, ändert sich doch ein Gesamtklima. Das tut einer Gesellschaft überhaupt nicht gut.
Wie sich diese Unhöflichkeiten auch in der Öffentlichkeit ausbreiten, kann man sogar in den Konferenzen von Ministerpräsidenten sehen oder in Parlamenten. Unvergessen der sachdienliche Beitrag eines Söder, der den seinerzeitigen Vizekanzler anpflaumt: „Sie müssen hier gar nicht so schlumpfig rumgrinsen.“ Oder sich laut fragt, was der wohl getrunken habe.
Woran man gut erkennen kann, dass auch in so einer illustren Runde jemand klarstellen muss, was sich für eine sachliche Diskussion gehört. Jemand – die Kanzlerin hat das damals offensichtlich nicht gemacht. Die Instanz, die in einer Gruppe den Standard von Höflichkeit zu verteidigen hat, ist aber nun mal die Moderatorin oder der Moderator. Dabei kommt es zu einem interessanten Paradox: Denn im Interesse der Höflichkeit muss man im Bedarfsfall auch mal unhöflich werden.

Moderation als Sicherung kommunikativer Standards

Geradezu schmerzlich wird es, wenn Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten sich wegducken bei wiederholten Regelverletzungen, etwa der AfD. Vielleicht erinnern Sie sich an das Totengedenken zu Ehren des ermordeten Walter Lübcke im bayerischen Landtag. Da standen alle Parlamentarier auf – aber ein Herr in der ersten Reihe blieb demonstrativ sitzen. Sozusagen als antidemokratische Ohrfeige für das ganze Haus.
Der eigentliche Skandal war aber gar nicht er, sondern die Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die diesen Affront mit aller Kraft übersehen wollte. Vermutlich aus reiner Hilflosigkeit. Obwohl gerade sie es war, deren Job in der Sicherung des kommunikativen Standards bestand.

Wer die Rolle ernst nimmt, bekommt keine Likes

Die Rolle der Moderatorin oder des Moderators kann für Gruppen eine ganz zentrale Bedeutung haben. Aber man kann sie an die Wand fahren, wenn man sie populistisch handhabt. Wer diese Rolle ernst nimmt, bekommt dafür keine Likes – aber vielleicht Respekt. Das ist an den weniger spektakulären Schauplätzen von Moderation nicht anders. Also in den Meetings von Firmen, in Besprechungen von Behörden, in Jour-Fixe-Terminen in der Wissenschaft.
Die Beratungsfirma Proudfoot Consulting schätzt den Anteil völlig unproduktiver Besprechungen in Firmen auf rund 50 Prozent. Die Hälfte aller Besprechungen ist für die Katz. Einen großen Anteil daran hat der Ausfall einer Moderation. Denn die könnte Dauerschwätzer stoppen, die Abschweifer zurückholen, Gerechtigkeit bei den Redeanteilen herstellen und Übergriffe beenden.
Wo das nicht passiert, landen Sie im schlimmsten Fall sogar in einem kommunikativen Bürgerkrieg, wo die Lautesten triumphieren und die kompetenten Leute auf der Strecke bleiben. Womöglich wird das sogar noch als hierarchiefrei und besonders hip ausgegeben.
Dass so eine Rolle ganz schön anspruchsvoll sein kann, wissen auch Lehrerinnen und Lehrer, die einen moderierenden Unterrichtsstil wollen. Es wissen auch Vereinsvorstände, die ihre Generalversammlung managen wollen, oder Eltern, die unter Elternabenden im Kindergarten leiden. Wenn eine Moderation gut funktioniert, strukturiert sie und regt an. Wo sie schlecht gemacht wird, kann sie Menschen lähmen und demotivieren.

Moderieren ist kein Ersatz für eine Entscheidung

Allerdings man kann sich auch ganz gut verstecken hinter der Moderationsrolle. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn jemand ganz offiziell die Rolle einer Entscheiderin oder eines Entscheiders hat, aber so tut, als könnte man gar nicht anders, als immer nur moderieren. Moderieren ist aber kein Ersatz für eine Entscheidung!
Wer etwa einmal hinaustrompetet hat, „wer bei mir Führung bestellt hat, bekommt auch Führung“, muss sich an so einem Anspruch messen lassen. Dann kann man nicht hinter der Moderatorenrolle verschwinden und so tun, als würde da irgendwo noch ein eigentlicher Chef oder eine eigentliche Chefin sitzen, die zwar alle hört, aber dann auch entscheidet, sogar wenn mal nicht alle einverstanden sind. Moderieren und Regieren sind durchaus nicht deckungsgleich.

Dr. Peter Modler, langjährige Führungspraxis als Manager und
Unternehmer. Seit 1998 eigene Unternehmensberatung. Lehrauftrag an der Universität Freiburg im Breisgau. Lehr-Coach und Bestseller-Autor ("Mit Ignoranten sprechen. Wer nur argumentiert, verliert").

Porträt Peter Modler
© Bild: Jürgen Gocke
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