Weiter Streit um Peter Handke

Im rechtsnationalistischen Umfeld Serbiens unterwegs

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Angehörige der Opfer des Massakers von Srebenica protestieren vor der schwedischen Botschaft in Sarajevo gegen den Literaturnobelpreisträger Peter Handke.
Die "Mütter von Srebenica" protestieren vor der schwedischen Botschaft in Sarajevo gegen den Literaturnobelpreisträger Peter Handke. © dpa / picture alliance / Samir Yordamovic
Vahidin Preljevec im Gespräch mit Gabi Wuttke · 05.11.2019
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Der bosnische Germanist Vahidin Preljevec hat das literarische und politische Umfeld analysiert, in dem Peter Handke seit fast 25 Jahren unterwegs ist. Sein Fazit: Der Autor habe sich "fast ausschließlich im nationalistischen Milieu in Serbien" bewegt.
In einem erneuten Protest gegen die Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke haben die "Mütter von Sarajevo" vor der schwedischen Botschaft demonstriert. Sie riefen das Nobelkomitee auf, die Entscheidung für Handke zu revidieren. Mit dem Nobelpreis für Handke werde "unsere Demütigung durch die Leugner unterstützt", erklärten die Frauen in einem Brief an die schwedische Kronprinzessin Victoria, die sich am Dienstag in Sarajewo aufhielt.
Dazu passt auch eine Arbeit des bosnischen Literaturwissenschaftlers Vahidin Perljevec. Der Professor für deutschsprachige Literatur an der Universität in Sarajevo erklärt im Deutschlandfunk Kultur:
"Ich habe einen Teil seiner literarisch-politischen Biografie untersucht, der bis jetzt leider im deutschsprachigen Raum zu wenig bekannt ist. Es geht vor allem um das Umfeld, das literatische wie auch das politische, in dem sich Peter Handke seit den letzten fast 25 Jahren bewegt, wenn er in Belgrad ist."

Handkes verstörende Vergangenheit in Serbien

Perljevec hat im Detail einen Tag aus dem Jahr 2013 analysiert, der ihm "sehr paradigmatisch erscheint". An diesem Tag hat Handke drei Ehrungen entgegengenommen: eine vom damaligen Präsidenten der Republik Serbien, Tomislav Nikolić, einen Literaturpreis und die Mitgliedschaft in der Akademie der Republika Srpska.
Anhand der Laudatoren und Intellektuellen "aus einem rechtsnationalistischen Umfeld, mit denen er da zu tun hat, und die beispielsweise auch Reden halten", kommt Perljevec zu dem Schluss, "dass sich Peter Handke ja in einer Kontinuität, die sehr verstörend ist, fast ausschließlich im nationalistischen Milieu in Serbien bewegt, serbische Nationalisten unterstützt und wenig oder gar nicht mit dem anderen, mit dem europäischen Serbien zu tun hat."
Dies tue dieser zum einen als Bürger, aber auch als literarische Persönlichkeit Peter Handke, meint Perljevec. Denn es seien ja literarische Veranstaltungen, an denen er dort teilgenommen habe.
"Es sind symbolische Akte, die sehr wichtig sind, also hochgradig symbolisch sind. Man kann das, glaube ich, so nicht trennen, weil auch ein Bürger Peter Handke ist nach wie vor Literat, auch wenn er Bürger Peter Handke ist. Er ist beides. Er sagt ja auch in einem Interview: 'Das, was ich sage, und das, was ich schreibe, ist eins. Es gibt keinen Unterschied'."

Zitate aus dem Zusammenhang gerissen

Kritisch sieht Perljevec auch die Maßnahme des Suhrkamp Verlags, der 25 englischsprachige Seiten in viele Länder verschickt hat, weil dort "die meisten schrägen/teils falschen Zitate von Peter Handke auftauchen" (Zitat Suhrkamp). Perljevec findet, damit werde noch mehr Öl ins Feuer der Debatte gegossen. Der Verlag bringe nur Zitate, die ihm passen würden: "Sie tun genau das, was sie den Kritikern vorwerfen, sie reißen seine Zitate aus dem Gesamtzusammenhang heraus."
(kpa)
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