#MeToo

Was das gekippte Urteil gegen Harvey Weinstein bedeutet

Porträt des Filmproduzenten Harvey Weinstein im Jahr 2016
Trotz der Aufhebung des Urteils bleibt der mittlerweile 72-jährige Harvey Weinstein in Haft © picture alliance / zz / Dennis Van Tine / STAR MAX / IPx / zz / Dennis Van Tine / STAR MAX / IPx
26.04.2024
Harvey Weinstein wurde 2020 des sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen. Das Urteil hat nun das New Yorker Berufungsgericht gekippt. Ob der Fall neu aufgerollt wird, ist offen. Im Gefängnis bleibt der Filmproduzent trotzdem.
Der Filmproduzent Harvey Weinstein gehörte Jahrzehnte lang zu den mächtigsten Männern Hollywoods. Den Status nutze er aus, um sich an jungen Frauen zu vergehen. 2017 erhoben mehr als 80 Frauen schwere Vorwürfe gegen ihn. Die #MeToo-Bewegung wurde geboren und ermutige Frauen auf der ganzen Welt, ihre Erfahrungen mit Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch in den sozialen Medien zu teilen.

Warum wurde das Urteil gegen Harvey Weinstein aufgehoben?

Im März 2020 wurde Harvey Weinstein in New York wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. Sieben Richter des New Yorker Berufungsgerichts haben dieses Urteil nun aufgehoben. Ihre Entscheidung fiel mit vier zu drei Stimmen knapp aus.
Als Grund für die Aufhebung des Urteils nannten die Richter einen schweren Verfahrensfehler. Die Anklage hatte sich im Prozess auch auf Zeugenaussagen gestützt, die nicht Teil der Anklage waren. Die Staatsanwaltschaft wollte mithilfe der weiteren Zeuginnen zeigen, dass Weinsteins Taten einem wiederkehrenden Muster folgen. Dies ist nicht zulässig, urteilte nun das Berufungsgericht.

Kommt Weinstein aus dem Gefängnis frei?

Filmproduzent Harvey Weinstein bleibt weiterhin im Gefängnis, da er 2023 in einem Strafprozess in Los Angeles zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde. Bei dem Fall ging es ebenfalls um Sexualverbrechen. Möglich ist, dass seine Anwälte auch dieses Urteil anfechten werden.
Ob der Fall in New York noch einmal aufgerollt wird, hängt von Manhattans Bezirksstaatsanwaltschaft statt. Sie befürwortet dies laut Medienberichten. Allerdings müssten die Opfer abermals vor Gericht aussagen, was für sie sehr belastend wäre.
Neben Strafprozessen gibt es auch Zivilklagen gegen Weinstein. Im Oktober 2023 reichte die britische Schauspielerin Julia Ormond eine Klage in New York ein. Sie behauptet, Weinstein habe sie 1995 belästigt und zum Oralsex gezwungen.
Die Klage Ormonds richtet sich auch gegen die Walt Disney Company, Miramax und die Talentagentur Creative Artists Agency. Sie alle hätten von Weinsteins Übergriffen auf Frauen gewusst, die Frauen aber nicht geschützt, so Ormond.

Warum war das Urteil so bedeutend?

Harvey Weinstein galt als Prototyp des übergriffigen Mannes. Der Skandal um den US-Filmproduzenten hat die #MeToo-Bewegung ausgelöst und sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch zu einem gesellschaftlichen Thema gemacht.
Weltweit teilten Frauen, und auch einige Männer, ihre Erlebnisse. Dank der #MeToo-Bewegung wurden gesellschaftliche Normen und sexistische Verhaltensweisen hinterfragt.
Der Anschuldigungen gegen Weinstein zeigten auch, wie anfällig verschiedene gesellschaftliche Bereiche sind für Machtmissbrauch und damit verbundene sexualisierte Gewalt. In der Folge wurden gegen viele prominente Männer in Kultur, Politik und Gesellschaft Vorwürfe erhoben, darunter Bill Cosby oder Kevin Spacey.

Was bedeutet die Aufhebung des Urteils für Opfer sexualisierter Gewalt?

„In diesem Moment sind wir am Boden zerstört, es ist verheerend für die Opfer und für alle, die in dem ursprünglichen Urteil gegen Harvey Weinstein etwas Trost gefunden hatten“, sagte Terana Burke, Mitbegründerin der #MeToo-Bewegung. Repräsentativen Befragungen zufolge erleben in Deutschland zwei von drei Frauen in ihrem Leben sexuelle Belästigung. Jede Siebte erleidet schwere sexualisierter Gewalt.
Dass das Weinstein-Urteil aufgehoben wurde, ist wenig ermutigend für Opfer sexualisierter Gewalt. Für sie ist es ohnehin schwierig, den Täter anzuklagen.
Zum einen müssen sie ihre traumatischen Erlebnisse nochmal hervorholen. Zum anderen müssen Betroffene aushalten, dass ihnen oft nicht geglaubt, ihnen ihre Urteilskraft abgesprochen oder versucht wird, sie wie im Fall Rammstein juristisch einzuschüchtern.

rey
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