Weinstein, Spacey und #metoo

Hollywood vor dem Nervenzusammenbruch

Dem Filmproduzenten Harvey Weinstein wird mehrfach Vergewaltigung vorgeworfen. Hier ist er 1998 bei der Filmpremiere von Shakespeare In Love mit Gwyneth Paltrow und Hillary Clinton zu sehen.
Schöner Schein: Auch Gwyneth Paltrow (ganz links) gab an von Harvey Weinstein (r.) sexuell belästigt worden zu sein. © imago stock&people
Patrick Wellinski und Susanne Burg im Gespräch mit Timo Grampes · 28.12.2017
Wird 2017 als das Jahr in die Geschichte eingehen, das Hollywood komplett verändert hat? Seitdem Harvey Weinstein und andere Hollywood-Promis öffentlich des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden, herrscht Panik, erklärt Filmredakteur Patrick Wellinski.
Der Skandal begann mit einem Artikel im New Yorker. Zehn Monate hatte der Journalist Ronan Farrow recherchiert, Kontakte geknüpft, Vertrauen aufgebaut. Dann erschien im Oktober 2017 sein Artikel, in dem 13 Frauen davon berichteten, von Hollywoods mächtigem Filmproduzenten Harvey Weinstein sexuell missbraucht worden zu sein. Für Filmredakteurin Susanne Burg eine beeindruckende Lektüre:
"Die 13 Frauen haben einfach unglaublich eindrücklich erzählt, was für ein perfides System Harvey Weinstein aufgebaut hat, um diese Frauen gefügig zu machen, sie dann auch zu missbrauchen. Das fand ich schon guten Journalismus und natürlich eine krasse Geschichte."

Hollywood – kein Ort für Engel

Dass diese Geschichte eine ganze Vielzahl weiterer Vorwürfe gegen Hollywood-Größen nach sich zeihen würde, überraschte auch Filmredakteur Patrick Wellinski:
"Ich glaube, dass dieser Ort, dieses Milieu von Hollywood, nicht dafür da ist, Engel zu züchten. Aber das Ausmaß dessen hat mich dann auch geschockt."
Der Fall Harvey Weinstein trat eine ganze Lawine an Anschuldigungen los. Via Facebook und Twitter meldeten sich immer mehr Frauen zu Wort und erzählten, sie seien von Hollywood-Größen missbraucht und unter Druck gesetzt worden. Viele Vorwürfe hatten Konsequenzen. So wurde der Schauspieler Kevin Spacey aus "House of Cards" und zuletzt aus "Alles Geld der Welt" herausgeschnitten.

Skandal bei der Filmpremiere

Nicht alle Vorwürfe gegen Hollywood-Stars sind bislang verifiziert. Doch einige Prominente haben die Vorwürfe bestätigt. So zum Beispiel der Stand-Up-Comedian Louis C.K., erzählt Wellinski:
"Der hat einen Spielfilm gedreht, 'I love you Daddy', in dem es um einen Spielfilmproduzenten geht, der sich sehr jungen Frauen sehr unanständig nähert. Und dann kamen plötzlich in dieser Zeit, als die Premiere stattfand, die Vorwürfe gegen Louis C.K. hoch, dass er vor jungen Frauen – Kolleginnen vor allem – masturbiert hat. Oder sie zumindest gefragt hat, ob er vor ihnen masturbieren kann. Diese Vorwürfe sind in der Form valide, weil Louis C.K. sich ja geäußert hat. Er hat gesagt: Ja, das stimmt alles, was gesagt worden ist. Ich habe Macht missbraucht. Ich habe diese Frauen mehr oder weniger ausgenutzt. Es ist jetzt an mir zu schweigen und zuzuhören."
Zu den brisantesten Fällen zählt aber nach wie vor der Fall Harvey Weinstein. Inzwischen haben 70 Frauen Weinstein beschuldigt, seine Macht als Filmproduzent genutzt zu haben, um sie zu demütigen und sexuell zu missbrauchen. Da die Vorwürfe aber bisher nicht bewiesen seien, sei es wichtig, dass die Justiz sich mit den Fällen beschäftige, findet Susanne Burg:
"Der wichtige nächste Schritt ist, dass es dann auch wirklich irgendwann mal vor Gericht geht. Und nicht ständig neue Vorwürfe über Twitter oder andere soziale Medien geäußert werden."

Einen Plan hat Hollywood nicht

Die Skandale in Hollywood haben eine gesamtgesellschaftliche Debatte über sexuellen Missbrauch und Sexismus losgetreten. Doch wie geht es in der Glitzerwelt von Hollywood weiter? Wie will man in Zukunft vermeiden, dass sexueller Missbrauch über Jahre institutionalisiert werden kann? Bisher, so Patrick Wellinski, sei die Filmbranche in Hollywood vor allem überfordert:
"Man kann schon sagen, dass die Stimmung kurz am Rande des Nervenzusammenbruchs ist. Da ist Panik. Es gibt auch eine schrittweise Mobilisierung von einigen Lagern. Es gibt auch Schnellschüsse, die dann ins Feld geführt werden. Es werden ja auch Leute aus berühmten Positionen entlassen. Aber so richtig einen Plan, wie man damit umgeht, den hat Hollywood derzeit nicht."
(mw)
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