Weinbauern in Frankreich

"Ich bin wütend über diese Ungerechtigkeit"

Weinbauer Bernard
Weinbauer Bernard - von den etablierten Parteien ist er enttäuscht. © Vera Laudahn
Von Vera Laudahn · 11.07.2017
Sie lieben ihren Beruf, doch die Billigware aus dem Ausland macht ihnen das Leben schwer: Bei den Weinbauern in Frankreich geht die Abstiegsangst um. Wütend und enttäuscht wenden sie sich von den etablieren Parteien ab.
Ich treffe Bernard in seinem Weinkeller, auf dem Montcélebre mitten im Minervois. Bernard ist 56, seit 35 Jahren macht er hier Wein und das in der sechsten Generation. Etwas anderes kann er sich nicht vorstellen.
"Das ist Leidenschaft. Und ohne Weinberg sind wir null, nichts, wir brauchen das."
Mit derselben Leidenschaft, mit der er seinen Wein verkostet, kommt er in Rage und sagt Sätze wie …
"Sie hätten mit der Faust auf den Tisch hauen müssen."
Gemeint sind die Politiker, von denen er sich im Stich gelassen fühlt. Seit Jahren kämpft Bernard um sein Auskommen und um Gerechtigkeit. Jetzt stellt er um auf Bio - aber die Angst vor dem Abstieg ist immer dabei. Schuld ist die Globalisierung, sagt er, die Konkurrenz spanischen Billigweins, der in Massen über französische Grenzen gelangt.
"Ich bin wütend über diese Ungerechtigkeit. Die großen Supermärkte nehmen das, was sie billig kriegen und womit sie die größten Gewinne machen können. Das zwingt uns, mit Verlust zu verkaufen, das ist doch nicht normal."
Er fordert eine gerechte europäische Regelung, Kontrollen an den Grenzen.

Machtmittel Wahlzettel

"Da kann man reden, demonstrieren, auch mal Sachen kaputt hauen, aber das reicht nicht. Die einzige Macht, die wir noch haben, das ist der Wahlzettel."
Früher war Bernard Sozialist, dann hat er Sarkozy gewählt. Und war jedes Mal war er enttäuscht. Jetzt ist seine Geduld am Ende.
"Ich habe die Notbremse gezogen, Stopp gesagt und extrem rechts gewählt."

Pascal, engagierter Winzer im Dorf nebenan hat zum Mittagessen eingeladen. Pascal ist ein Grüner, steht politisch links. Was beide verbindet: die Freude am Wein, Humor, eine kritische Haltung gegenüber der EU und der Arroganz der Eliten, das Gefühl des Abgehängtseins.
"Schon lange werden wir systematisch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. In der französischen Gesellschaft gibt es eine Verachtung der Bauern. Eine Deklassierung der Bauern ist das, ja, wir befinden uns im sozialen Abstieg."
Für Pascal und Bernard zeigt sich diese Verachtung bei jedem Besuch der europäischen Inspekteure.
Weinbauer Bernard in seinem Weinberg
Weinbauer Bernard liebt seinen Beruf, auch wenn er davon kaum noch leben kann.© Vera Laudahn

"Wir sind nicht antideutsch"

"Da kommen Leute, kalt wie Stein, die überall suchen, ob wir nicht irgendwo getrickst haben könnten. Diese pedantische, unmenschliche und zynische Art dieser europäischen und französischen Kontrolleure ist unerträglich."
"Wir sind nicht antideutsch, wir sind nicht antieuropäisch, wir sind anti Schwachsinn."
Hier sitzen also zwei Winzer, der eine hat gerade extrem rechts gewählt, der andere links. Sie trinken gemeinsam mit mir ihren Wein, grillen Lammkoteletts und halten zusammen. Das erstaunt und das beeindruckt mich.
"Wir respektieren uns total, Pascal und ich, jeder hat seine politischen Ideen. Das ist Demokratie."
Die Reihe "Populismus im Aufwind? Deutsch-französische Reportagen" entstand in Kooperation mit France Inter.
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