Weihnachtslieder der Welt

Nicht überall ist "Stille Nacht"

Ein Mädchen beim traditionellen Tanz bei der Weihnachtsfeier des Nelson Mandela Children's Fund
Weihnachtsfeier des Nelson Mandela Children's Fund in Südafrika © picture alliance / dpa / Peter Mckenzie
Von Kerstin Poppendieck · 16.12.2015
Glöckchen, Schnee und Tannenzweige - das ist das deutsche Grundrezept für ein Weihnachtslied. Funktioniert das auch in Ländern, in denen Weihnachten auf den Sommer fällt? Wie viel kulturelle Identität braucht ein Weihnachtlied?
Man nehme ein paar Glöckchen.
Und noch ein paar mehr Glöckchen.
Streue noch etwas Schnee darüber, garniere das Ganze mit ein paar Tannenzweigen und schon haben wir ein Weihnachtslied. Jedenfalls bei uns in Deutschland ist das ein Weihnachtslied-Grundrezept. Wenn man sich mal in der Welt umhört, stellt man zwar fest, dass da auch Glocken läuten, die kommen aber meist ebenfalls aus Deutschland, beziehungsweise aus Europa.
Traditionelle Melodie mit neuem Text
"Ich habe das Gefühl, das haben vor allen Dingen die Missionare mitgebracht, die vor 200, 300 Jahren eben nach Afrika oder Asien gefahren sind und die dorthin ihre Lieder und Rituale aus Europa mitgenommen haben."
Reinhard Horn ist Musikwissenschaftler und Kinderliedermacher. Er hat selbst mehrere Weihnachts-CDs veröffentlicht und er hat sich intensiv mit Weihnachtsliedern weltweit beschäftigt.
"Was ganz interessant ist: es gibt eine ganze Reihe von scheinbar traditionellen Liedern, vor allem im asiatischen Bereich, die eigentlich europäische Weihnachtslieder sind, mit einem neuen Text aus Vietnam oder aus Thailand oder von den Philippinen."
Von Südafrika bis Island singt man "Stille Nacht"
Allein das Lied "Stille Nacht, Heilige Nacht", geschrieben Anfang des 19. Jahrhunderts in Österreich, wird heute in über 300 Sprachen und Dialekten gesungen. Von Armenisch über Filipino und Isländisch bis isiZulu in Südafrika.
Und je nachdem, ob man Weihnachten im Sommer und am Strand feiert wie in Australien, Namibia und Kuba oder im deutschen Winter, klingen eben auch ursprünglich deutsche Weihnachtslieder nicht nach Ruhe und Besinnlichkeit, sondern nach Sommer, Strand und Lebensfreude. Die christliche Botschaft aber bleibt:
"Die fahren raus an den Strand, haben natürlich auch ihren Plastiktannenbaum dabei und dann werden da eben Samba- und Salsa-Lieder gesungen."
Manchmal werden aber auch die Originaltexte der Weihnachtslieder umgeschrieben, um besser zum jeweiligen Land zu passen. In dem englischen Weihnachtslied "Twelve Days of Christmas" werden Geschenke aufgezählt, wie Bäume, Dudelsackspieler und Schwäne. In Australien singt man von Wombats, Kängurus und Gummibäumen.
In den USA darf's gern etwas kitschiger klingen
Natürlich werden aber weltweit nicht nur europäische Weihnachtslieder übersetzt. Viele Länder haben auch ihre ganz eigenen Lieder, die der Mentalität der Menschen vor Ort entsprechen. In den USA gibt es da viel Kitsch, emotionale Texte mit Herzschmerz und poppige Ohrwürmer wie "White Christmas" von Irving Berlin.
In anderen Ländern besingt man eher landestypische Instrumente:
"Zum Beispiel gibt es da ein spanisches, das heißt 'Gatatumba'. 'Tumba' ist die Trommel und 'Gata' ist einfach so etwas Lautmalerisches. Also da ist sofort eine ganz andere Rhythmik dabei."
Auffallend ist, wie wenig neuere Weihnachtslieder es schaffen, sich festzusetzten. Wenn man allerdings darüber nachdenkt, welche Bedeutung Weihnachtslieder haben, ist das gar nicht so verwunderlich. Kaum etwas erinnert so sehr an die eigene Kindheit wie Weihnachtslieder. Sie vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Das Album "Weihnachten in Familie" von Frank Schöbel und Aurora Lacasa war die erfolgreichste Platte der DDR und bis heute läuft sie jedes Jahr zu Weihnachten in vielen ostdeutschen Familien.
"Kein Fest ist so stark verwurzelt in den Ritualen. Und wenn ich an meine eigenen Kinder denke, als die älter wurden: das Schlimmste war, wenn sich etwas ändern sollte zu Weihnachten. Weihnachten ist sozusagen die Wiederauferstehung des kleinen Kindes in uns Erwachsenen."
Neue Weihnachtslieder haben es schwer
Wenn sich also ein neues Weihnachtslied durchsetzen will, dann klappt das nur, wenn es bereits im Kindesalter in die Weihnachtstradition aufgenommen wird und dann über die Jahre immer wieder Teil des Weihnachtsfestes ist.
So wie das Lied "In der Weihnachtsbäckerei" von Rolf Zuckowski, das vor fast 30 Jahren zum ersten Mal aufgeführt wurde und es tatsächlich zu einem Weihnachts-Volkslied geschafft hat. Einen christlichen Hintergrund haben Texte moderner Weihnachtslieder immer seltener, vielmehr geht es um die besondere Stimmung der Weihnachtszeit.
Dass solche neuen Weihnachtslieder überhaupt eine Chance haben, daran haben Kindergärten und Schulen einen großen Anteil. Denn in den Familien werden eben doch fast ausschließlich die alten, traditionellen Weihnachtslieder gesungen und gehört.
Es ist die Besinnung auf eine gemeinsame musikalische Identität, das Gefühl von Heimat und das Bedürfnis nach Frieden und Sicherheit, die Weihnachtslieder zu einem der wichtigsten Bestandteile der Weihnachtszeit machen. Egal ob in Deutschland, Südafrika, auf den Philippinen oder in den USA.
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