Weichenstellungen bei Midterms

Steht die US-Demokratie auf dem Spiel?

53:59 Minuten
Donald Trump beim Wahlkampf in Miami, Florida am 6. November 2022 für Senator Marco Rubio.
Donald Trump beim Wahlkampf in Florida am 6. November 2022. Die von ihm erhofften massiven Gewinne für die Republikaner bei den Midterms sind hinter den Erwartungen geblieben. © Getty Images / Joe Raedle
Moderation: Birgit Kolkmann |
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Die große Erfolgswelle der Republikaner bei den Kongress-Wahlen ist ausgeblieben. Aber sie, darunter auch Wahllügner und Populisten des Trump-Lagers, gewinnen erheblichen Einfluss auf die US-Politik. Mit gravierenden Folgen für das politische System.
Auch Tage nach den Wahlen zum US-Kongress sind noch einige Rennen um Sitze im Senat und im Repräsentantenhaus offen. Aber so viel lässt sich schon sagen: Die Demokraten haben besser abgeschnitten als gedacht.
Das ist zwar eine gute Nachricht für Präsident Biden. Aber dem Demokraten im Weißen Haus wird es in jedem Fall nicht leichter gemacht, seine Gesetzesvorhaben durchzusetzen. Entscheidende politische Weichen zu stellen, wird für ihn und seine Demokraten schwieriger denn je.
Die Republikaner werden sich fragen müssen, ob es ihnen in der Wählergunst genutzt oder eher geschadet hat, dass vielerorts Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Trump-Lager ins Rennen gegangen sind. Nicht wenige haben gegen demokratische Konkurrentinnen und Konkurrenten überraschend den Kürzeren gezogen haben.
Eines steht fest: Donald Trump kann nicht damit rechnen, dass ihm die Republikaner die Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2024 auf dem Silbertablett servieren. Er wird wohl nach dem Ergebnis dieser Zwischenwahlen für den Kongress mit innerparteilicher Konkurrenz rechnen müssen. Ein Herausforderer dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit Ron DeSantis heißen, der einen klaren Erfolg bei den Gouverneurs-Wahlen in Florida eingefahren hat.

Keine freien fairen US-Wahlen mehr?

Beobachter betonen – meist mit einiger Erleichterung – dass viele amerikanische Wähler ihre Stimme eben nicht Populisten und Extremisten gegeben haben.
Aber eine erhebliche Zahl von republikanische Kandidatinnen und Kandidaten ist mit der Trump'schen Erzählung von der ihm 2020 "gestohlenen" Wahl ins Rennen gegangen. Und nicht wenige von ihnen haben sich durchgesetzt. Sie werden nicht nur im Kongress vertreten sein, sondern auch entscheidende Positionen für die Organisation und die Auswertung von künftigen Wahlen besetzen.
Etliche "Wahlleugner" haben zudem schon angekündigt, dass sie Ergebnisse von Wahlen nur dann akzeptieren werden, wenn sie als die Gewinner aus ihnen hervorgehen. Es ist also keineswegs ausgemacht, dass US-Wahlen auch künftig fair und frei sein werden, und es ist auch nicht selbstverständlich, dass Niederlagen akzeptiert werden.
Es wird sich auch zeigen müssen, in wieweit die Spaltung innerhalb der amerikanischen Gesellschaft durch die vielerorts äußerst knappen Wahl-Ergebnisse noch tiefer wird.

Trumps langer Schatten auf die US-Demokratie

Dadurch, dass der "rote Tsunami" ausgeblieben ist, mag Trumps Einfluss als Königsmacher bei den Republikanern einen Dämpfer bekommen haben. Aber der Schaden für die politische Kultur und die demokratischen Werte in den USA, den der Ex-Präsident angerichtet hat, wirkt nach: Da ist zum Beispiel dieses bisher nicht gekannte, gefährliche Ausmaß an verbaler Aggressivität bei Wählern und zu Wählenden gegenüber politisch anders Denkenden – vor allem unter Republikanern des Trump-Lagers und seinen Anhänger.
Welche Weichen werden nach den Zwischen-Wahlen in den USA gestellt? Wie groß ist die Widerstandskraft der amerikanischen Demokratie angesichts ihrer Feinde? Taugt das politische System noch als Vorbild? Welchen nachhaltigen Schaden hat die politische Kultur im Land genommen?

Es diskutieren:
Doris Simon, USA-Korrespondentin vom Deutschlandradio
Ralph Freund, Vizepräsident und Sprecher des US Republicans Abroad e.V. Germany
Tyson Barker, US-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und ehemaliger Berater der Obama-Regierung
Martin Nonhoff, Professor für politische Theorie an der Universität Bremen, forscht und lehrt dort am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien.

(AnRi)
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