Webdoku über Migranten in der DDR

Dauernder Aufenthalt unerwünscht

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Gruppenfoto mit DDR-Vertragsarbeitern aus Mosambik im VEB Fleischkombinat Berlin 1982. Männer und Frauen in Arbeitskleidung posieren für ein Gruppenbild in einem fleischverarbeitenden Betrieb.
Gruppenfoto mit DDR-Vertragsarbeitern aus Mosambik im VEB Fleischkombinat Berlin 1982. Die Webdoku "Eigensinn im Bruderland" widmet sich diesem Kapitel der Geschichte. © Ibraimo Alberto-Archiv
Julia Oelkers im Gespräch mit Britta Bürger · 10.06.2019
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Die Filmemacherin Julia Oelkers zeigt in der Webdoku "Eigensinn im Bruderland" das Leben von Migranten in der DDR. Während die Studenten aus den "Bruderstaaten" gute Ausbildungen bekamen, war das Leben der Vertragsarbeiter von Abschottung geprägt.
Die Journalistin und Dokumentarfilmerin Julia Oelkers sagt, dass sie sich schon sehr lange mit Migrationsgeschichten aus der DDR beschäftige. Sie habe als Studentin 1991 nach den Angriffen auf die Wohnheime der mosambikanischen DDR-Vertragsarbeiter in Hoyerswerda einen der Betroffenen interviewt. Da sei sie in ihrem Studierendenprojekt zum ersten Mal der massiven Ablehnung und dem Rassismus begegnet, den diese Menschen erfahren haben.

Fehlende Bleibeperspektive

Die Einwanderungsgeschichten der DDR seien – im Vergleich zu den Geschichten der damals so genannten "Gastarbeiter" in Westdeutschland – von ihren eigenen Nachkommen kaum erforscht, sagt Oelkers. "Es gibt ein paar wissenschaftliche Arbeiten, die aber in ihrem Dunstkreis bleiben. Unsere Idee war, mit der Webdoku 'Eigensinn im Bruderland' einiges zusammenzuführen und auch Leute außerhalb der wissenschaftlichen Community anzusprechen." Julia Oelkers hat das Projekt gemeinsam mit Isabel Enzenbach vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin erarbeitet.
Im Gegensatz zu den "Gastarbeitern" in Westdeutschland sei es für die meisten Menschen, die als Vertragsarbeiter in die DDR kamen, klar gewesen, dass ihr Aufenthalt befristet ist, sagt Oelkers. "Die meisten hatten keine Bleibeperspektive und so wurden sie auch behandelt. Sie waren extrem abgeschottet von der Gesellschaft, haben in Wohnheimen gelebt und konnten keine eigenen Wohnungen anmieten. Sie durften auch nicht heiraten. Alles war so angelegt, dass sie nicht bleiben sollen."

Hoffnung auf ein besseres Leben

Die meisten Menschen hätten auch kaum etwas über Deutschland oder die innerdeutsche Trennung gewusst. "Sie wussten nur, dass sie aus sehr armen Ländern, die zum Teil auch durch Kriege zerstört waren, in ein besser entwickeltes und reicheres Land kommen und sie wollten etwas für ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Familie und ihres Landes tun."
Diejenigen, die zum Studium in die DDR gekommen waren, seien oft zufrieden mit ihrem Aufenthalt und mit dem Gelernten gewesen. "Was das betrifft, hatte die DDR einen guten Ruf. Sie hatten nach ihrem Studium oder ihrer Ausbildung eine Qualifikation und konnten mit dieser in ihre Herkunftsländer zurückgehen. Anders war es bei den Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern. Denen wurde auch eine Ausbildung versprochen. Aber es wurde ihnen nicht gesagt, in welchen Berufen sie ausgebildet werden. Eine Vietnamesin wurde dann zum Beispiel als Köchin ausgebildet. Das gilt dort aber nicht als Beruf, weil die Frauen sowieso kochen müssen. Für so eine Ausbildung wird man dort ausgelacht."
Das ganze sei als Solidarität mit dem "Bruderland" verkauft worden. "Aber die Haltung war: Die kommen hierher und wir müssen ihnen alles beibringen. Wir können aber nichts von denen lernen. Und weil wir das aus Solidarität machen, können wir sie auch jederzeit zurückschicken."
(rja)
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