"Was immer ich schreibe, die Wirklichkeit ist schlimmer"

Von Johannes Kaiser · 05.04.2005
Täter oder Opfer, Jäger oder Gejagte - es fällt nicht immer leicht, ein Urteil zu fällen, denn im Hintergrund stehen das gesellschaftliche Umwelt, die politische Moral, der Staat.
In Skandinaviens Krimis werden zwar die Regeln des Spiels eingehalten - ein Mord ist und bleibt ein Mord -, aber die Grenzen zwischen gut und böse, zwischen Schuld und Unschuld verschwimmen. Es ist die Gesellschaft, die versagt hat. Es sind die Verhältnisse, die die Mörder schützen.

Politik und Wirtschaft erweisen sich als amoralische Stützen des Verbrechens. Und das ist immer häufiger international. Ob osteuropäische Mafia, westeuropäische Schleuserbanden, Dealer aus Lateinamerika, amerikanische Banker - Skandinaviens Kriminalität ist global. Deshalb haben ihre Aufklärer weltweite Kontakte. Sie sind keine einzelgängerischen Superhelden, arbeiten vielmehr im Team. Und sie haben alle ihre Schwächen. Das macht sie sympathisch und menschlich.

Dabei sind ihre Jagden nach dem Mörder ebenso aufregend inszeniert wie in jedem angelsächsischen Thriller. Ob nun ein Kommissar oder eine Journalistin den Blutspuren folgen, auf sie lauern tödliche Gefahren, verwirrende Signale, dramatische Bewährungsproben. An atemberaubender Dramatik fehlt es nicht, dafür erfreulicherweise an sensationsheischenden Perversitäten. Und die ganze Bandbreite des Verbrechens, vom Psychoterror bis zum grusligen Gewaltexzess fesselt die Leser.

Skandinavische Gesellschaftskritik ganz unverkrampft und undogmatisch - eine Erfolgsgeschichte in Deutschland.