Was braucht das Kind?
Kind oder Beruf? Oder Kind und Beruf? Die familienpolitische Sprecherin der Linkspartei, Christa Müller, plädiert in ihrem Buch "Dein Kind will Dich" ganz klar fürs Zuhausebleiben der Mutter. Die in Frankreich lebende Auslandskorrespondentin Tanja Kuchenbecker schreibt über die Vorzüge des französischen Lebensmodells, bei dem die Berufstätigkeit der Mütter eine Selbstverständlichkeit ist.
Leben wie Familien in Frankreich! - Dank seines Spitzenplatzes in der europäischen Geburtenstatistik gilt es hierzulande vielen als familienpolitisches Musterland. Was genau die Franzosen anders als wir machen, darüber gibt die Journalistin Tanja Kuchenbecker Auskunft. Die Auslandkorrespondentin lebt nicht nur seit 15 Jahren in Paris; als Mutter zweier Kinder hat sie auch Einblick in den deutschen und französischen Alltag der Familien.
In ihrem Buch "Gluckenmafia contra Karrierehühner" schreibt sie nicht nur über ihre Erfahrungen. Ausdrücklich will sie uns zudem die Vorzüge des französischen Lebensmodells nahebringen:
"Berufstätigkeit ist eine Selbstverständlichkeit für Mütter (...) Niemand verlangt, dass Frauen ihr eigenes Leben aufgeben und nur noch an die Kinder denken. Hier lebt man nicht für die Kinder, sondern mit den Kindern. (...) Das sorgt für mehr Leichtigkeit im Umgang mit dem Nachwuchs."
Tanja Kuchenbeckers Loblied auf das Land der Kinderkrippen und Ganztagsschulen ist vor allem aus einem Grund besonders lesenswert: Es lässt den entscheidenden Unterscheid zwischen dem deutschen und dem französischen Familienmodell erkennen - nämlich die geltenden Erziehungsvorstellungen. In Frankreich sind es im Kern drei Grundsätze.
Erstens:
"Nicht die Eltern passen sich den Kindern an, sondern die Kinder den Eltern."
Zweitens:
"Erziehung ist in Frankreich eine Staatsangelegenheit und nicht Privatsache wie in Deutschland."
Und Drittens:
"Nicht das behütete Kind, das immer im Mittelpunkt steht, sondern das Kind, das sich in der Gruppe einfügt und wohl fühlt, ist das Ideal."
Dass der Nachwuchs sich an das Leben der Eltern anzupassen hat und nicht umgekehrt, zeigt sich besonders drastisch beim Umgang mit den unvermeidlichen Krankheiten der Kinder. Beim geltenden Ideal der durchgängigen, doppelten Erwerbstätigkeit müssen Kinder ganz einfach funktionieren. Deshalb gilt es, den ganztäglichen Krippen- oder Schulbesuch mit fast allen Mitteln sicherzustellen:
"...die Kleinen müssen im hektischen Rhythmus der Eltern funktionieren. Sie dürfen nicht lange und ausgiebig krank sein. (..) Kinderärzte berichten häufig, wie rücksichtslos manche Eltern mit ihren Kindern umgehen (...) Das Fazit der Kinderärzte: 'Wenn die Frauen nur halb so krank wären wie ihre Kinder, würden sie garantiert nicht zur Arbeit gehen.'"
In den Krippen und Ganztagsschulen sind vor allem Disziplin und Gehorsam angesagt. Schließlich gilt das Ideal des perfekten Funktionierens in der Gruppe. Die damit produzierte Unselbständigkeit und der fantasielose Konformismus der Kinder und Jugendlichen lassen selbst den Frankeich-Fan Tanja Kuchenbecker ins Grübeln kommen.
Anlass dazu besteht genauso mit Blick auf die Rolle der Väter in der Familie. Von gleichberechtigter Aufteilung der Kindererziehung keine Spur! Die traditionelle Arbeitsteilung funktioniert sogar noch viel besser als hierzulande. Unterm Strich bleibt so wenig von der vermeintlichen Überlegenheit des französischen Familienmodells übrig.
Davon hat Christa Müller noch nie etwas gehalten. Stattdessen streitet die familienpolitische Sprecherin der saarländischen Linkspartei und Ehefrau von Oskar Lafontaine mit ihrem neuen Buch "Dein Kind will dich. Echte Wahlfreiheit durch Erziehungsgehalt " für eine massive Aufwertung der Familienarbeit. Ob Geburtenrückgang, Kinderarmut, Vernachlässigung von Kindern, Bildungsversagen oder Jugendkriminalität - all diese Phänomene hängen für die Mutter eines Kindes letztlich mit der schwindenden Leistungsfähigkeit der traditionellen Familie zusammen. Aktuell werde sie von einer Entwicklung besonders bedroht:
"Und noch eine zusätzliche Gefahr kann die Kindheit bedrohen: die Ganztagsbetreuung in Krippen, Kindergärten, Schulen und Horten und die damit verbundene Trennung der Kinder von ihren Eltern und Geschwistern."
Die politisch forcierte Fremdbetreuung von Kindern und Jugendlichen ist für die passionierte Mutter der wichtigste Risikofaktor überhaupt, der eine gesunde Entwicklung des Nachwuchses gefährde:
"Die jüngere Bindungsforschung kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass Kinder in den ersten drei Lebensjahren eine intensive, liebevolle und zuverlässige Einzelbetreuung durch ein- und dieselbe Person benötigen, am besten die Mutter oder den Vater."
Letztlich sei das die Basis für die Entwicklung stabiler Persönlichkeiten, was unterm Strich der Gesellschaft und Volkswirtschaft zu Gute komme. Diese Arbeit der Familien sei daher genauso wichtig wie die Erwerbsarbeit. Konsequenterweise macht denn auch die saarländische Volkswirtin einen radikalen Vorschlag:
"Alle Familien erhalten für die Fürsorge und Erziehung, die sie ihren Kindern angedeihen lassen, ein leistungsgerechtes sozial-versicherungspflichtiges Erziehungsgehalt."
Es soll bis zu 1600 Euro monatlich betragen. Ein ausgeprägtes Kontrollsystem mit weitgehenden staatlichen Eingriffsrechten soll dabei das optimale Erziehungsklima für alle Kinder in ihren Familien sicherstellen.
Diese Vision ist freilich nicht mit der Forderung nach der elterlichen Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung vereinbar. Hinzu kommt ihre Vorstellung vom idealen Familienmodell, das ebenfalls kaum ungeteilte Zustimmung findet:
"Wenn sich die Familie für die Vollerwerbstätigkeit des in der Regel besser verdienenden Ehemannes entscheidet und sich die Ehefrau (...) auf die Hausarbeit spezialisiert und dem Mann 'den Rücken freihält' (...) führt dies im Normalfall zu optimalen Ergebnissen für den Haushalt. (...) Sie unterstützt ihren Mann durch berufliche Beratung, die Pflege sozialer Kontakte (...) sie schafft für die Familie ein gemütliches Zuhause und trägt damit zu deren Motivation bei."
Fazit: Mit ihrem gut begründeten Konzept eines Erziehungsgehaltes macht Christa Müller zweifellos einen Vorschlag, der der familienpolitischen Debatte im Lande einen neuen, kräftigen Impuls geben könnte. Allerdings zeigt ihr Buch zugleich, was die unverzichtbare Voraussetzung dieser Debatte sein muss: Die Bereitschaft, die Vielfalt der Lebensmodelle von Eltern und Kindern in unserer modernen Gesellschaft anzuerkennen und zu respektieren.
Tanja Kuchenbecker: Gluckenmafia gegen Karrierehühner.
Schluss mit den Grabenkämpfen - So lösen wir das Familiendilemma,
Campus Verlag, 2007
Christa Müller: Dein Kind will Dich - Echte Wahlfreiheit durch Erziehungsgehalt
Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2008
In ihrem Buch "Gluckenmafia contra Karrierehühner" schreibt sie nicht nur über ihre Erfahrungen. Ausdrücklich will sie uns zudem die Vorzüge des französischen Lebensmodells nahebringen:
"Berufstätigkeit ist eine Selbstverständlichkeit für Mütter (...) Niemand verlangt, dass Frauen ihr eigenes Leben aufgeben und nur noch an die Kinder denken. Hier lebt man nicht für die Kinder, sondern mit den Kindern. (...) Das sorgt für mehr Leichtigkeit im Umgang mit dem Nachwuchs."
Tanja Kuchenbeckers Loblied auf das Land der Kinderkrippen und Ganztagsschulen ist vor allem aus einem Grund besonders lesenswert: Es lässt den entscheidenden Unterscheid zwischen dem deutschen und dem französischen Familienmodell erkennen - nämlich die geltenden Erziehungsvorstellungen. In Frankreich sind es im Kern drei Grundsätze.
Erstens:
"Nicht die Eltern passen sich den Kindern an, sondern die Kinder den Eltern."
Zweitens:
"Erziehung ist in Frankreich eine Staatsangelegenheit und nicht Privatsache wie in Deutschland."
Und Drittens:
"Nicht das behütete Kind, das immer im Mittelpunkt steht, sondern das Kind, das sich in der Gruppe einfügt und wohl fühlt, ist das Ideal."
Dass der Nachwuchs sich an das Leben der Eltern anzupassen hat und nicht umgekehrt, zeigt sich besonders drastisch beim Umgang mit den unvermeidlichen Krankheiten der Kinder. Beim geltenden Ideal der durchgängigen, doppelten Erwerbstätigkeit müssen Kinder ganz einfach funktionieren. Deshalb gilt es, den ganztäglichen Krippen- oder Schulbesuch mit fast allen Mitteln sicherzustellen:
"...die Kleinen müssen im hektischen Rhythmus der Eltern funktionieren. Sie dürfen nicht lange und ausgiebig krank sein. (..) Kinderärzte berichten häufig, wie rücksichtslos manche Eltern mit ihren Kindern umgehen (...) Das Fazit der Kinderärzte: 'Wenn die Frauen nur halb so krank wären wie ihre Kinder, würden sie garantiert nicht zur Arbeit gehen.'"
In den Krippen und Ganztagsschulen sind vor allem Disziplin und Gehorsam angesagt. Schließlich gilt das Ideal des perfekten Funktionierens in der Gruppe. Die damit produzierte Unselbständigkeit und der fantasielose Konformismus der Kinder und Jugendlichen lassen selbst den Frankeich-Fan Tanja Kuchenbecker ins Grübeln kommen.
Anlass dazu besteht genauso mit Blick auf die Rolle der Väter in der Familie. Von gleichberechtigter Aufteilung der Kindererziehung keine Spur! Die traditionelle Arbeitsteilung funktioniert sogar noch viel besser als hierzulande. Unterm Strich bleibt so wenig von der vermeintlichen Überlegenheit des französischen Familienmodells übrig.
Davon hat Christa Müller noch nie etwas gehalten. Stattdessen streitet die familienpolitische Sprecherin der saarländischen Linkspartei und Ehefrau von Oskar Lafontaine mit ihrem neuen Buch "Dein Kind will dich. Echte Wahlfreiheit durch Erziehungsgehalt " für eine massive Aufwertung der Familienarbeit. Ob Geburtenrückgang, Kinderarmut, Vernachlässigung von Kindern, Bildungsversagen oder Jugendkriminalität - all diese Phänomene hängen für die Mutter eines Kindes letztlich mit der schwindenden Leistungsfähigkeit der traditionellen Familie zusammen. Aktuell werde sie von einer Entwicklung besonders bedroht:
"Und noch eine zusätzliche Gefahr kann die Kindheit bedrohen: die Ganztagsbetreuung in Krippen, Kindergärten, Schulen und Horten und die damit verbundene Trennung der Kinder von ihren Eltern und Geschwistern."
Die politisch forcierte Fremdbetreuung von Kindern und Jugendlichen ist für die passionierte Mutter der wichtigste Risikofaktor überhaupt, der eine gesunde Entwicklung des Nachwuchses gefährde:
"Die jüngere Bindungsforschung kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass Kinder in den ersten drei Lebensjahren eine intensive, liebevolle und zuverlässige Einzelbetreuung durch ein- und dieselbe Person benötigen, am besten die Mutter oder den Vater."
Letztlich sei das die Basis für die Entwicklung stabiler Persönlichkeiten, was unterm Strich der Gesellschaft und Volkswirtschaft zu Gute komme. Diese Arbeit der Familien sei daher genauso wichtig wie die Erwerbsarbeit. Konsequenterweise macht denn auch die saarländische Volkswirtin einen radikalen Vorschlag:
"Alle Familien erhalten für die Fürsorge und Erziehung, die sie ihren Kindern angedeihen lassen, ein leistungsgerechtes sozial-versicherungspflichtiges Erziehungsgehalt."
Es soll bis zu 1600 Euro monatlich betragen. Ein ausgeprägtes Kontrollsystem mit weitgehenden staatlichen Eingriffsrechten soll dabei das optimale Erziehungsklima für alle Kinder in ihren Familien sicherstellen.
Diese Vision ist freilich nicht mit der Forderung nach der elterlichen Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung vereinbar. Hinzu kommt ihre Vorstellung vom idealen Familienmodell, das ebenfalls kaum ungeteilte Zustimmung findet:
"Wenn sich die Familie für die Vollerwerbstätigkeit des in der Regel besser verdienenden Ehemannes entscheidet und sich die Ehefrau (...) auf die Hausarbeit spezialisiert und dem Mann 'den Rücken freihält' (...) führt dies im Normalfall zu optimalen Ergebnissen für den Haushalt. (...) Sie unterstützt ihren Mann durch berufliche Beratung, die Pflege sozialer Kontakte (...) sie schafft für die Familie ein gemütliches Zuhause und trägt damit zu deren Motivation bei."
Fazit: Mit ihrem gut begründeten Konzept eines Erziehungsgehaltes macht Christa Müller zweifellos einen Vorschlag, der der familienpolitischen Debatte im Lande einen neuen, kräftigen Impuls geben könnte. Allerdings zeigt ihr Buch zugleich, was die unverzichtbare Voraussetzung dieser Debatte sein muss: Die Bereitschaft, die Vielfalt der Lebensmodelle von Eltern und Kindern in unserer modernen Gesellschaft anzuerkennen und zu respektieren.
Tanja Kuchenbecker: Gluckenmafia gegen Karrierehühner.
Schluss mit den Grabenkämpfen - So lösen wir das Familiendilemma,
Campus Verlag, 2007
Christa Müller: Dein Kind will Dich - Echte Wahlfreiheit durch Erziehungsgehalt
Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2008

Christa Müller: Dein Kind will Dich© Sankt Ulrich Verlag