Warum Fake News so erfolgreich sind

"Wut ist eine extrem infektiöse Emotion"

Von der Polizei Oberbayern Süd identifizierte und rot markierte Falschmeldung auf Facebook
Eine von der Polizei Oberbayern Süd identifizierte und rot markierte Falschmeldung auf Facebook © Imago/ Christian Ohde
Ingrid Brodnig im Gespräch mit Christian Rabhansl · 19.08.2017
In ihrem neuen Buch "Lügen im Netz" analysiert Ingrid Brodnig, wie Menschen durch Fake News im Internet manipuliert werden. Besonders wirkungsvoll sind dabei Meldungen, die Wut auslösen, sagt die Journalistin und Netzexpertin.
Allein mit Fakten lässt sich Fake News im Netz nicht beikommen – das ist eine der Lehren aus dem neuen Buch der Journalistin Ingrid Brodnig. Für "Lügen im Netz" hat sie mit Menschen gesprochen, die bewusst Falschmeldungen in die Welt setzen. Aber auch mit solchen, die diese Nachrichten weiterverbreiteten – selbst nachdem sie wussten, dass es sich um Falschmeldungen handelte.
Zum Beispiel die Meldung, Angela Merkel hoffe auf 12 Millionen Einwanderer: "In dem Fall habe ich mit einer Bayerin länger gesprochen, einer an sich sehr netten Frau, die aber auch sehr wütend ist über die Politik", sagte Brodnig im Deutschlandfunk Kultur. "Und ich war durchaus erstaunt, dass sie gar nicht so wütend war, dass sie da in die Irre geführt worden war von dieser falschen Meldung, sondern die hat gesagt: Man kann es der Merkel ja zutrauen." Oder dass es zwar jetzt nicht stimme, aber vielleicht ja noch wahr werden könne. "Und das war für mich so der Moment, wo ich gedacht habe: Wow! Weil: Wie diskutiert man mit jemandem, der draufkommt, dass etwas nicht stimmt, und das Argument ist dann quasi, es könnte eines Tages noch stimmen."

Erfolgreiche Falschmeldungen lösen vor allem eins aus: Wut

Ein Erklärungsansatz, warum sich auch offensichtliche und weniger offensichtliche Falschmeldungen so erfolgreich im Internet verbreiten, ist für Brodnig, dass es sich dabei immer um sehr emotionalisierende Berichte handelt. "Ich glaube, wir Menschen waren schon immer so, dass wir einfach auf Wut sehr stark einsteigen, dass Wut eine extrem infektiöse Emotion ist", betont sie. "Wenn Sie sich die erfolgreichsten Falschmeldungen ansehen, zum Beispiel über Flüchtlinge, zum Beispiel über Angela Merkel, dann werden die in der Regel Wut auslösen: Wut über diese Politikerin oder Wut über diese Minderheit."
Dass mit solchen Emotionen im Netz viele Clicks geerntet werden könnten, lasse sich auch in Zahlen messen, sagt Brodnig. "Der Politologe Timothy Ryan aus den USA hat einmal unterschiedliche politische Werbungen auf Facebook getestet, er hat eine Untersuchung gemacht, und er fand heraus, dass politische Werbung, die Wut auslöst, mehr als doppelt so oft geklickt wird wie neutralere Botschaften."
Buchcover & Bild eines Computernutzers
Ingrid Brodnigs stellt sich mit "Lügen im Netz" gezielt gegen die gefährlichste Desinformation, die derzeit kursiert.© Cover "Lügen im Netz"/ dpa / Picture Alliance
Wie also mit potenziellen Fake News im Wahlkampf umgehen? "Wenn ich eine interessant klingende Meldung einer Seite lese, die ich nicht kenne, empfehle ich zuerst einmal zu schauen: Wer ist die Seite? Das einfachste ist, ein weiteres Fenster im Browser aufzumachen und mal den Namen der Seite zu googeln", sagt Brodnik. "Wenn es eine zutiefst unseriöse Webseite ist, werden Sie oft schon über eine Google-Suche Warnungen finden, zum Beispiel Berichte, dass diese Seite Falschmeldungen verbreitet."

Emotionals Reaktion als Warnsignal

Außerdem rät Brodnig, es als Warnsignal zu begreifen, wenn man merkt, dass man auf eine Nachricht stark emotional reagiert:
"Wenn eine Meldung mich total aufrüttelt, wenn ich mir denke, das habe ich mir schon immer gedacht, oder wenn die mich total emotionalisiert, dann ist das der erste Moment, wo man vorsichtig werden sollte, weil gerade Falschmeldungen darauf ausgerichtet sind, dass sie uns so wachrütteln, dass wir gar nicht nachdenken."
(uko)

Ingrid Brodnig: "Lügen im Netz. Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulieren"
Verlag Brandstätter, Wien/München 2017
208 Seiten, 19,90 Euro

Mehr zum Thema