Wajdi Mouawads "Vögel" am Schauspiel Köln

Der Nahostkonflikt als vielsprachiges Familiendrama

06:43 Minuten
Ein Mann liegt mit geschlossenen Augen in einem Krankenhausbett. An beiden Seiten neben ihm sitzen ein älterer Mann und eine ältere Frau.
Ein junger Biogenetiker mit jüdischen Wurzeln verliebt sich in eine arabischstämmige Doktorandin aus New York. Das sorgt für Konflikte. © Tommy Hetzel / Schauspiel Köln
Von Christoph Ohrem · 20.09.2019
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Wajdi Mouawads "Vögel" ist das Stück der Stunde: 16 Bühnen haben die Identitätstragödie des Kanadiers libanesischer Herkunft in ihrem Programm, nun auch das Kölner Schauspiel. Mitreißendes Theather, ohne viel Brimborium, meint Christoph Ohrem.
Wajdi Mouawad behandelt in seinem Stück "Vögel" den Nahost-Konflikt als Familiendrama. Auslöser für die Handlung ist die Liebe zwischen dem jungen jüdischen Biogenetiker Eitan und der Araberin Wahida.
Eitans Eltern lehnen die Verbindung ab. Der sammelt daraufhin bei einem Familienessen die Löffel ein und unterzieht sie einem Gentest. Er kann einfach nicht das Kind dieser verbohrten Eltern sein.
Dabei stellt sich heraus, dass er zwar tatsächlich der Nachkomme seines Vaters David ist. David aber ist nicht mit Eitans Großvater verwandt. Eitan möchte diesem Geheimnis auf den Grund gehen und reist zu seiner Großmutter nach Israel. Dort wird er bei einem Bombenattentat schwer verletzt und die Familie versammelt sich um sein Krankenbett.

Babylonische Sprachgewirr gemeistert

Das mag an der ein oder anderen Stelle etwas dick aufgetragen sein, funktioniert aber in der etwa dreistündigen Strichfassung dieses Abends sehr gut. Stets wird die Handlung durch Wendungen und Rückblicke vorangetrieben.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler sprechen auf der Bühne die Muttersprache ihrer Figuren, also Deutsch, Englisch, Hebräisch und Arabisch. Das Ensemble des Schauspiels Köln meistert dieses babylonische Sprachgewirr gekonnt. Durch die verschiedenen Sprachen werden die unüberbrückbaren Unterschiede zwischen den Ideologien auch akustisch markiert. Die Bühne von Jana Findeklee gleicht einem Guckkasten, über dem die Übersetzung in Übertiteln läuft.
Stefan Bachmann vertraut in seiner Inszenierung ganz auf die lebendigen Figuren und den schwarzen Humor der Textvorlage, die er mit einem starken Ensemble umsetzt. In schneller Abfolge fließen die einzelnen kurzen Szenen durch Lichtwechsel markiert ineinander, wodurch ein filmischer Eindruck entsteht.
Eine israelische Soldatin sitzt mit umgehängtem Maschinengewehr an einem Tisch in einem sterilen Raum. Ihr gegenüber sitzt eine junge, hellgekleidete Frau. Beide sprechen miteinander.
In Mouawads Stück geht es um die Frage, ob Liebe letztlich stärker ist als Identität und Abstammung.© Tommy Hetzel / Schauspiel Köln

Nahost-Konflikt als Familiengeschichte

Lola Klamroth spielt Wahida als kokette junge Frau, die zunehmend radikalisiert wird und sich auf der Bühne in einer Szene komplett entkleidet einer Leibesvisitation von Grenzsoldaten unterziehen muss.
Auch Bruno Cathomas als David, der den Abend zu großen Teilen auf Hebräisch bestreitet, überzeugt durch sein vielschichtiges Spiel. Ob er am Krankenbett seines Sohnes um dessen Leben fleht oder im Kreise der Familie aufbrausend auf Hebräisch auf die Vererbung jüdischer Gene pocht.
"Vögel" in der Inszenierung von Stefan Bachmann ist mitreißendes Theater, das ohne viel Brimborium, kurzweilig und pointiert den Nahost-Konflikt in Form einer Familiengeschichte thematisiert. Auch wenn dem Abend gegen Ende ein wenig die Puste ausgeht, hat Stefan Bachmann mit dieser Inszenierung einen gelungenen Saisonauftakt für das Schauspiel Köln geschaffen.
Vier Männer sitzen an einem Tisch, einer mit Kippa, ein orthodoxer Jude mit Hut und Bart, ein Mann im Anzug und ein jüngerer Mann in legerer Kleidung. Eine Frau mit gelbem Pumuckl-Rock und schwarzer Bluse steht neben den Männern. Im Hintergrund: eine junge, hellgekleidete Frau.
An diesem Tisch beginnt der Konflikt. Hier beichtet Eitan seiner Familie seine Liebe zu Wahida.© Tommy Hetzel / Schauspiel Köln

Wajdi Mouawads "Die Vögel" im Schauspiel Köln: Weitere Vorstellungen bis Ende November.

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