P. Craig Russell: "Ring des Nibelungen"

Wagners "Ring" als Comic

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Drei Gestalten in dunklen Umhängen stehen bei einem verkrüppelten Baum, in dem ein glänzender Ring schwebt.
450 Seiten, die für Comic- wie Wagner-Fans gemacht sind. © P. Craig Russell / Cross Cult
Cornelia de Reese im Gespräch mit Mascha Drost · 01.02.2023
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P. Craig Russell ist eine Größe bei Marvel Comics und zeichnet an "Dr. Strange" und "Batman". Russell liebt auch Klassik. Nun erscheint sein vor 20 Jahren vorgelegter "Ring"-Zyklus von Wagner auf Deutsch. Funktionieren die Opern als Comic?
Der US-Amerikaner P. Craig Russell ist einer der Großen in der Comicszene. So hat er schon beim ersten Heft 1976, bei "Dr. Strange", mitgezeichnet und ist fest in der Marvel Comic Group verankert. Er hat „The Fairy Tales of Oscar Wilde“ miterfunden und ist am "Batman"-Kosmos beteiligt.
Doch Russell hat schon früh in seiner Karriere gezeigt, dass er ein Klassik-Fan ist. Er legte bereits Comic-Adaptionen zu Mozarts „Zauberflöte“ vor, "Salome" von Richard Strauss oder Debussys Oper „Pelléas und Mélisande“.

Jahrelange Zeichenarbeit

Über Jahre hinweg arbeitete er sich Zeile für Zeile, Szene für Szene durch Wagners Libretto, das in vier Opern-Abenden die Geschichte vom verfluchten Rheingold erzählt, das – zum Ring geschmiedet – große Macht verspricht und Verderben bringt. Russell deckt im Nachwort genau auf, wie er über Jahre hinweg arbeitete, welche Modelle er verwendete und wann er mithilfe von Fotos genaue Bewegungsstudien betrieb.
Schon vor 20 Jahren erschien der Comic-Band "Der Ring des Nibelungen" von rund 450 Seiten auf dem amerikanischen Markt und liegt nun endlich auf Deutsch vor.

Wagners Musik ist präsent

Viele Passagen der Story kann Russell ganz ohne Text erzählen. Ab und zu blitzt ein Wagnerischer "Woheia-Woglinden-Heilig-Modus" durch, die dem zügigen Zeichenstil etwas behäbig gegenüber stehen. Aber Russell vermag den musikalischen Verlauf der Oper mit einzufangen:
Große Orchestermomente werden in den Zeichnungen klar, wenn zum Beispiel Siegmund sein Schwert Notung aus einem knorrigen Baum zieht, dann erstrahlt das hochgehaltene Schwert von einem edel designten Sonnenlicht. Der strahlende Musikmoment ist mit eingefangen.
Drei Meerjungfrauen mit roten, blonden und schwarzen Haaren und einem grünen Fischschwanz schweben über einem Hort, der goldene Strahlen aussendet.
P. Craig Russell zeigt den Tanz der Rheintöchter im Großformat einer ganzen Seite.© P. Craig Russell / Cross Cult
Wer Wagners Musik kennt, dem blitzen immerwährend Passagen der Oper durch den Kopf. Zum Beispiel, wenn die Rheintöchter im großformatigen Bild ihr Gold feiern oder die Götter auf einer Regenbogenbrücke in die Burg Walhall einziehen.

Sinnvoller Eingriff in die Dramaturgie

Russell will die Geschichte Wagners verständlich machen und greift mutig dramaturgisch ein. So präsentiert er die Geschehnisse an der sogenannten Weltesche, dem Baum des Lebens, gleich zu Beginn. Der Opernbesucher erfährt davon erst zu Beginn des vierten Abends. Russell zeigt gleich auf den ersten Seiten, wie sich Wotan seinen Götterstab aus der Esche bricht und deutet in den Zeichnungen an, dass damit der Baum und damit die ganze Götterwelt dem Untergang geweiht ist.
Oder er verdeutlicht für die Leser, dass die Liebe zwischen den Geschwistern Siegmund und Sieglinde die göttliche Wächterin der Ehe auf den Handlungsplan ruft. Es ist Sieglindes aufgezwungener Ehemann, der im Schlaf permanent das Wort "Inzest" schnarcht und so die Botschaft in den Himmel gelangt. Was in Wagners Zeit als Allgemeinwissen vorausgesetzt wird, übersetzt Russell hier für sein heutiges Publikum.

Marvel-Handwerkszeug

Russell ist ein genialer Zeichner. Er verwendet in großer Vielfalt und mit viel Gespür für Spannung Perspektivwechsel, das Zoomen an Gegenstände, er spielt mit herannahenden Schatten, die Farbgestaltung ist Teil der Dramaturgie. Es gibt zügige Zeichnungen, die das Tempo beim Lesen beschleunigen und dann wieder detailverliebte Zeichnungen, die man länger entdecken kann. Abwechslung ohne Ende.

Oper und Comic

Dieser Band beweist, dass Opernerzählungen und Comic ein gutes Paar sein können. Dem Opern fernen Leser wird er mit seinen modern wirkenden Zeichnungen wie dem Storytelling erreichen und damit Interesse für den großen Stoff wecken können.
Ein Auszug aus dem Comic zeigt in mehreren Bildern, wie Siegfried sein Schwert schmiedet.
Hammerschläge spielen auch in Wagners Musik eine Rolle und so hat P. Craig Russell diese auch in seine Zeichnungen geholt.© P. Craig Russell / Cross Cult
Auf jeden Fall wird der Opern-Fan mit dieser Ausgabe das Comic-Genre für sich entdecken, denn der Stoff ist seriös und gehaltvoll umgesetzt. Der Band hält so viele Facetten wie Wagners Musik bereit. Man kann in ihm immer wieder etwas Neues entdecken. Wer echter Wagner-Fan ist, muss den Band im Regal haben.

P. Craig Russell "Der Ring des Nibelungen"
Cross Cult, Berlin 2022
448 Seiten, 49,99 Euro

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