Vorbild für Menschen mit Behinderung
Vor einem Jahr war Mario Galla bei der Fashion Week in Berlin in kurzen Hosen über den Laufsteg gegangen. Und die enthüllten, was die Modemacher sonst gern an ihrem Model verstecken: Seine Beinprothese. Der Hamburger hat jetzt ein Buch geschrieben, der Titel: "Mit einem Bein im Model-Business".
Wird Mario Galla auf seinen Buchtitel angesprochen, dann grinst er über das ganze Gesicht.
"Manche finden den platt, aber ich finde, das hat ne witzige Zweideutigkeit, und … ich finde den Titel cool!"
"Mit einem Bein im Model-Business" heißt seine Autobiografie. Allzu ernst nimmt sich Mario Galla offenbar nicht. Humor brauche er auch in der Modeindustrie, ist einer der Sätze, die er ganz am Anfang seiner Karriere hört. Die begann vor fünf Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg in einem vietnamesischen Imbiss. Eine seltsame Situation: Der Mann hinter der Theke – offensichtlich mit Kontakten in die Modebranche - spricht ihn an, ob er nicht als Model arbeiten will. Mario Galla ist skeptisch, findet die Situation absurd, vertraut dem Verkäufer trotzdem seine Telefonnummer an.
"Das Vertrauen wurde belohnt und ich wurde zwei Tage später von der Agentur angerufen, bei der ich auch jetzt noch unter Vertrag bin. Aber im ersten Moment war’s ne total absurde Situation, vor allem, weil ich auch immer dachte, ich könnte nie als Model arbeiten. Mir war das gar nicht bewusst, dass mein Typ in der Model-Branche arbeiten könnte."
Mario Gallas Typ: Das sind die hellblonden, akkurat kurz geschnittenen Haare, blonde Augenbrauen und helle Wimpern. Blaue Augen, ein ebenmäßiges Gesicht und muskulöse Arme. Kein Zweifel: So sieht ein Model aus. Er selbst hatte am Anfang eher Probleme, sich zu präsentieren.
"Ich habe mich quasi selbst zur Rampensau erzogen, durch das Modeln. Wenn man sich da vor der Kamera nicht gern präsentiert oder bewegt, dann ist man fehl am Platz. Das war am Anfang auch bei mir so. Ich mochte das gar nicht, vor der Kamera zu posen, das hat sich immer so komisch angefühlt, aber ich fand die Bilder danach halt unglaublich schön."
Inzwischen ist Galla in Hochglanzmagazinen abgedruckt und läuft bei Modeschauen internationaler Designer vor allem in Mailand und Paris. Und kommt dabei immer wieder in unangenehme Situationen, wenn er bei den Anproben seine Prothese zeigt.
"Wenn die Kunden zum ersten Mal sehen, dass da was anders ist – dann wird so geguckt, als wenn gerade ein Raumschiff durch den Raum fliegt oder an meinem Bein klebt. Diese Berührungsangst muss man den Leuten nehmen, indem man sagt, es ist alles okay, ich kann alles ganz normal damit machen, ich kann normal laufen, ich kann die Hose anziehen, am besten zeigen, dass man sich schnell umziehen kann, denen das schnell vermitteln, dass das kein Problem ist in der Situation."
Der 26-Jährige ist mit einem verkürzten Oberschenkel geboren worden, seit Kindertagen trägt er eine Prothese. Die will die Krankenkasse erst nicht bezahlen mit der Begründung, der Junge müsse doch nicht Fußballspielen und Radfahren. Aber seine Mutter, eine Drogenfahnderin, kämpft dafür. Mario Galla entwickelt sich zu einem sportlichen, jungen Mann, einem Mädchenschwarm. Überdurchschnittlich eitel sei er gewesen, gibt er zu.
"Früher war das so, selbst beim Fußballspielen musste ich Gel in den Haaren haben und topgestylt sein, und so was wäre heute nicht mehr der Fall."
Nach dem Abitur absolviert Mario Galla eher leidenschaftslos eine Ausbildung zum Fachmann für Bürokommunikation beim Norddeutschen Rundfunk. Das Modeln ist für ihn die Gelegenheit, aus dem ungeliebten Büro-Trott auszubrechen. Inzwischen kann er von seinen Foto- und Laufstegjobs leben, hat aber auch schon die Abgründe des Geschäfts kennengelernt, vor allem in Mailand. Zwischen Modeln und Prostitution verlaufe manchmal eine nur schmale Grenze, sagt er. Vor allem junge Mädchen aus Brasilien oder Russland würden hier ihre Chancen sehen, der Armut zu entkommen.
"Da sind Kunden, die Macht haben, oder die in der Position sind, dir nen Job zu vermitteln, oder es zumindest vorgeben. Da wird dann teuer Essen gegangen und wer dann am Ende übrig bleibt und mit denen weiter zieht, der kriegt dann den Job."
Mailand und Paris sind die Städte, in denen er am meisten Arbeit findet. In Deutschland wird der Hamburger weniger gebucht. Die Kunden hätten Angst, seien konservativ, sagt der 26-Jährige. Berührungsängste mit der Behinderung gebe es in Frankreich, Italien und England weniger. Dass er zum Botschafter und Vorbild für Menschen mit Behinderung geworden ist, das war Mario Galla am Anfang gar nicht so recht.
"Ich versuche inzwischen, diese Rolle mehr anzunehmen und da rein zu wachsen, weil ich wirklich merke, dass es Leuten Kraft gibt. Das ist irre, das zu sagen, aber es ist so. Ich bekomme so viel positives Feedback von Menschen, die selbst ein Handicap haben und die sagen: Ich hab deinen Auftritt gesehen. Stark! Und das hat mich total inspiriert. Klar gebe ich das gern weiter, aber es war mir nicht bewusst, dass ich so was ausstrahlen kann."
Bescheiden wirkt Mario Galla noch immer, mit genügend kritischer Distanz zur glitzernden Modewelt und dem nötigen Humor, sie nicht allzu ernst zu nehmen. Seine Zukunftspläne? Erstmal warten, wie lang die Glückssträhne anhält, sagt er. Und danach? Auch da antwortet er mit einem entspannten Lächeln.
"Vielleicht werde ich irgendwann ne Model-Gewerkschaft gründen, oder ich werde Medien-Berater, oder, keine Ahnung, wenn es ein Café wird, ein schönes, dann ist es auch gut."
Sein Buch "Mit einem Bein im Model-Business – wie ich trotz Handicap zum Model wurde" ist im Mosaik-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.
Homepage des Models Mario Galla
"Manche finden den platt, aber ich finde, das hat ne witzige Zweideutigkeit, und … ich finde den Titel cool!"
"Mit einem Bein im Model-Business" heißt seine Autobiografie. Allzu ernst nimmt sich Mario Galla offenbar nicht. Humor brauche er auch in der Modeindustrie, ist einer der Sätze, die er ganz am Anfang seiner Karriere hört. Die begann vor fünf Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg in einem vietnamesischen Imbiss. Eine seltsame Situation: Der Mann hinter der Theke – offensichtlich mit Kontakten in die Modebranche - spricht ihn an, ob er nicht als Model arbeiten will. Mario Galla ist skeptisch, findet die Situation absurd, vertraut dem Verkäufer trotzdem seine Telefonnummer an.
"Das Vertrauen wurde belohnt und ich wurde zwei Tage später von der Agentur angerufen, bei der ich auch jetzt noch unter Vertrag bin. Aber im ersten Moment war’s ne total absurde Situation, vor allem, weil ich auch immer dachte, ich könnte nie als Model arbeiten. Mir war das gar nicht bewusst, dass mein Typ in der Model-Branche arbeiten könnte."
Mario Gallas Typ: Das sind die hellblonden, akkurat kurz geschnittenen Haare, blonde Augenbrauen und helle Wimpern. Blaue Augen, ein ebenmäßiges Gesicht und muskulöse Arme. Kein Zweifel: So sieht ein Model aus. Er selbst hatte am Anfang eher Probleme, sich zu präsentieren.
"Ich habe mich quasi selbst zur Rampensau erzogen, durch das Modeln. Wenn man sich da vor der Kamera nicht gern präsentiert oder bewegt, dann ist man fehl am Platz. Das war am Anfang auch bei mir so. Ich mochte das gar nicht, vor der Kamera zu posen, das hat sich immer so komisch angefühlt, aber ich fand die Bilder danach halt unglaublich schön."
Inzwischen ist Galla in Hochglanzmagazinen abgedruckt und läuft bei Modeschauen internationaler Designer vor allem in Mailand und Paris. Und kommt dabei immer wieder in unangenehme Situationen, wenn er bei den Anproben seine Prothese zeigt.
"Wenn die Kunden zum ersten Mal sehen, dass da was anders ist – dann wird so geguckt, als wenn gerade ein Raumschiff durch den Raum fliegt oder an meinem Bein klebt. Diese Berührungsangst muss man den Leuten nehmen, indem man sagt, es ist alles okay, ich kann alles ganz normal damit machen, ich kann normal laufen, ich kann die Hose anziehen, am besten zeigen, dass man sich schnell umziehen kann, denen das schnell vermitteln, dass das kein Problem ist in der Situation."
Der 26-Jährige ist mit einem verkürzten Oberschenkel geboren worden, seit Kindertagen trägt er eine Prothese. Die will die Krankenkasse erst nicht bezahlen mit der Begründung, der Junge müsse doch nicht Fußballspielen und Radfahren. Aber seine Mutter, eine Drogenfahnderin, kämpft dafür. Mario Galla entwickelt sich zu einem sportlichen, jungen Mann, einem Mädchenschwarm. Überdurchschnittlich eitel sei er gewesen, gibt er zu.
"Früher war das so, selbst beim Fußballspielen musste ich Gel in den Haaren haben und topgestylt sein, und so was wäre heute nicht mehr der Fall."
Nach dem Abitur absolviert Mario Galla eher leidenschaftslos eine Ausbildung zum Fachmann für Bürokommunikation beim Norddeutschen Rundfunk. Das Modeln ist für ihn die Gelegenheit, aus dem ungeliebten Büro-Trott auszubrechen. Inzwischen kann er von seinen Foto- und Laufstegjobs leben, hat aber auch schon die Abgründe des Geschäfts kennengelernt, vor allem in Mailand. Zwischen Modeln und Prostitution verlaufe manchmal eine nur schmale Grenze, sagt er. Vor allem junge Mädchen aus Brasilien oder Russland würden hier ihre Chancen sehen, der Armut zu entkommen.
"Da sind Kunden, die Macht haben, oder die in der Position sind, dir nen Job zu vermitteln, oder es zumindest vorgeben. Da wird dann teuer Essen gegangen und wer dann am Ende übrig bleibt und mit denen weiter zieht, der kriegt dann den Job."
Mailand und Paris sind die Städte, in denen er am meisten Arbeit findet. In Deutschland wird der Hamburger weniger gebucht. Die Kunden hätten Angst, seien konservativ, sagt der 26-Jährige. Berührungsängste mit der Behinderung gebe es in Frankreich, Italien und England weniger. Dass er zum Botschafter und Vorbild für Menschen mit Behinderung geworden ist, das war Mario Galla am Anfang gar nicht so recht.
"Ich versuche inzwischen, diese Rolle mehr anzunehmen und da rein zu wachsen, weil ich wirklich merke, dass es Leuten Kraft gibt. Das ist irre, das zu sagen, aber es ist so. Ich bekomme so viel positives Feedback von Menschen, die selbst ein Handicap haben und die sagen: Ich hab deinen Auftritt gesehen. Stark! Und das hat mich total inspiriert. Klar gebe ich das gern weiter, aber es war mir nicht bewusst, dass ich so was ausstrahlen kann."
Bescheiden wirkt Mario Galla noch immer, mit genügend kritischer Distanz zur glitzernden Modewelt und dem nötigen Humor, sie nicht allzu ernst zu nehmen. Seine Zukunftspläne? Erstmal warten, wie lang die Glückssträhne anhält, sagt er. Und danach? Auch da antwortet er mit einem entspannten Lächeln.
"Vielleicht werde ich irgendwann ne Model-Gewerkschaft gründen, oder ich werde Medien-Berater, oder, keine Ahnung, wenn es ein Café wird, ein schönes, dann ist es auch gut."
Sein Buch "Mit einem Bein im Model-Business – wie ich trotz Handicap zum Model wurde" ist im Mosaik-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.
Homepage des Models Mario Galla

Mario Galla läuft bei der Berliner Fashion Week über den Laufsteg© picture alliance / dpa / Hendrik Ballhausen