Understatement auf dem Laufsteg

Von Jörg Oberwittler |
Bei der Berliner Fashion Week kämpfen Nachwuchstalente um den Mode-Award "Designer for tomorrow". Zu den Finalistinnen gehört die Österreicherin Magdalena Kohler - sie möchte die Jury mit schlichter, aber detailverliebter Mode beeindrucken.
"Zu dem kurzärmligen Sakko ist die Überlegung, ob man jetzt eher ein Unterhemd-artiges Teil macht oder eben, ob man das Hemd verwendet. Da muss ich auf jeden Fall noch dran arbeiten und das hinkriegen und machen."

"Bügeln ist eigentlich die schlimmste Arbeit hinterher. Aber das macht so viel aus. Ein Hemd, das eben gebügelt ist, oder ein Mantel, oder eben diese Hosen - wenn die nicht gebügelt wären, das sähe ganz schrecklich aus."

Bügeln, Nähen, Kollektionsstücke verpacken - letzte Handgriffe vor dem großen Auftritt: Fünf männliche Models werden die Mode von Magdalena Kohler bei der "Berlin Fashion Week" präsentieren. Ein halbes Jahr Arbeit schreitet in nur zwei Minuten über den Laufsteg. Ihre Herren-Mode beschreibt die 28 Jahre alte Österreicherin als schlicht, klar und mit viel Sinn fürs Detail. Die große Geste der Damenmode liegt ihr fern.

"Also, ich empfinde es halt so bei Frauenmode, dass man oft diese große Geste braucht. Bei der Modenschau oder an sich. Dass man viel mehr mit Volumen spielt oder eben mit Farben. Das ist einfach viel aufwändiger so. Und ich bin auch nicht dieser aufregende Mensch."

Understatement, das die junge Frau mit den warmen, haselnussbraunen Augen gar nicht nötig hat. Immerhin sind ihre Stücke in die Endrunde der letzten acht Finalisten für den "Designer for tomorrow"-Award gekommen. Darin spielt Magdalena Kohler auf die Mode der Achtzigerjahre an:

"Ich hab' nicht mehr so viele Teile hier. Genau, hier sieht man…"

Sie zeigt einen Anzug-Overall mit breiten Schultern und zackigen Schnitten. Eine grau-blau schimmernde Strickjacke aus feinster Wolle und Seide mit verspielten Mustern. Einen Oversized-Pullover mit riesigen, aufgekrempelten Ärmeln. Das erinnert schwer an die Achtziger-Kult-Serie "Denver Clan". Doch mit ihrer Kollektion "Hommage an die Heimat" bezieht sich die Österreicherin auf ihre eigenen Wurzeln.

"Mein Vater ist in Kroatien groß geworden. Und ich wollte halt unbedingt dorthin, in dieses kleine Dorf, und wollte sehen, ob diese ganzen Erzählungen und Erinnerungen, mit denen ich groß geworden bin - also, die mir erzählt wurden - ob mich das berührt, wenn ich direkt vor Ort fahre."

"Und ich bin dann hingefahren und es lag überhaupt nicht an dem Ort und an der Gegend und an den Erzählungen. Also, es liegt einfach mittlerweile eigentlich nur an den Personen, die mir diese Geschichten erzählt haben, und diese Heimat finde ich eben nicht in Kroatien oder irgendwo sonst. Das kann ich eben nur bei mir selber finden."

Entstanden ist eine sehr persönliche Kollektion, die Magdalena Kohler bereits für ihr Diplom an der Berliner Udk - der Universität der Künste - vergangenes Jahr entworfen hat: Die Muster und Pastellfarben der kroatischen Bauernhäuser finden sich in ihren Stücken wieder. Sie selbst wuchs auf dem Land nahe der Stadt Linz auf. Eine Künstlerfamilie: Der Vater war Maler.

"Ich bin mit 15 Jahren von Zuhause weg und hatte eben in einer anderen Stadt diese vierjährige Goldschmiede-Fachschule gemacht. Ja, es ist früh, aber es ist in Österreich total gang und gäbe."

Doch nur Goldschmiedin sein - das reicht ihr nicht. Mit 22 geht sie nach Berlin, heute hat sie ihr Atelier in einem Hinterhof im Szene-Stadtteil Prenzlauer Berg. Zusammen mit drei anderen Jungdesignerinnen.

Auf den Tischen stehen alte Industrie-Nähmaschinen. In der Ecke ein Berg aus Stoffresten. An die Zeit als Goldschmiedin erinnert der auffällige Schmuck, den Magdalena Kohler zu einem schlichten schwarzen Oberteil trägt: eine Halskette mit Anhänger, ein dünner Ring am Daumen und eine goldene Digital-Armbanduhr:

"Ja, es ist eine russische Herrenuhr..."

…sagt sie und verschwindet wieder in Richtung Kleiderständer.

"Also, viel ist ja nicht mehr da. Ach so, und hier sind ja auch die Strickteile, so ähnlich wie für Trikoton. Haha!"

Die oftmals in der Modewelt grassierende Oberflächlichkeit ist nicht ihr Ding. Sie schätzt das Authentische. Und als wäre der Stress vor der Fashion-Show nicht genug, arbeitet Magdalena Kohler parallel an ihrem zweiten Standbein: an ihrem Label "Trikoton". Hier kann sich jeder sein individuelles Stimm-Muster auf den Pullover stricken lassen. Der Pegelausschlag der Stimme bestimmt das gepunktete Muster. Jedes Stück ein Unikat.

Der neueste Clou ist eine Kooperation mit der Hamburger Band "Hundreds". Den Song "Happy Virus" verstrickte die Jungdesignerin mit einer Kollegin zu Tüchern. Ein Geschäftskonzept mit Potenzial. So sieht sie dem "Designer for tomorrow"-Award gelassen entgegen.

"Auch wenn jetzt der Preis nicht kommt, werde ich eine Kollektion machen, und dann fällt die halt kleiner aus. Aber dann kommt man ja auch irgendwie, irgendwann mal zum Ziel. Das Wichtige ist, glaub ich, einfach, dass man nicht aufhört."

Privat hat Magdalena Kohler bereits ihren schönsten Erfolg errungen. Vor zweieinhalb Monaten kam ihre kleine Tochter auf die Welt. Ob nun der Sprung ins große Mode-Business sofort gelingt oder noch etwas auf sich warten lässt, ist da schon fast nebensächlich.
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