Vor der französischen Präsidentschaftswahl

Das große Schweigen der Musiker

Wahlplakate am Montmartre in Paris, am 9. April 2017. Eine Frau läuft im Vordergrund vorbei.
Wahlwerbung in Paris: Nicht viele Sänger und Musiker legen sich auf einen der Kandidaten fest. © AFP/Gabriel Bouys
Von Martina Zimmermann · 21.04.2017
Eigentlich haben Sänger und Musiker in Frankreich eine lange Tradition, wenn es darum geht, sich politisch einzumischen. Doch vor der diesjährigen Präsidentschaftswahl fällt die Unterstützung mager aus. Nicht einmal ein Dutzend Sänger und Musiker unterstützen klar einen der Kandidaten.
Der Konservative François Fillon zählt immerhin eine Skiweltmeisterin zu seinen Fans - und einen Rasta. Reggaesänger Golby ist in der Elfenbeinküste aufgewachsen. Als nicht praktizierender Katholik verzeiht er Fillon seine Affären, die Anstellung von Frau und Kindern oder teure Luxusanzüge; die er sich von reichen Freunden schenken ließ. Golby singt: "Voll und ganz mit François Fillon" und drehte sogar ein Clip. Größere Aufmerksamkeit zog das Video aber erst auf sich, nachdem sich der Comedian Guillaume Meurice im Radio über den Song lustig gemacht hatte.
Sein Song sei "Get up Stand up" von Bob Marley auf Französisch, erklärte der Rasta dem Humoristen auf einer Wahlveranstaltung von Fillon. Dass Bob Marley Fillon gewählt hätte, hält der Rasta für möglich. "Wenn er zuviel geraucht hat!" kommentiert der Comedian.
Nicolas Sarkozy konnte noch auf Stars zählen, darunter Mireille Mathieu und der Sänger Enrico Macias. Rapper Doc Gynéco und Raïsänger Faudel bezahlten ihre Unterstützung für Sarkozy allerdings mit dem Ende ihrer Karriere, ihre Fans, die andere Kandidaten vorzogen, verziehen diesen Künstlern nicht.
François Hollande standen bei der letzten Wahl 2012 noch Benjamin Biolay und Juliette Gréco zur Seite ... Diesmal ist der Wahlkampf so hart, dass Engagement ist nicht mehr angesagt ist. Das bedauert Sebastien Lagrave, Präsident der Musikorganisation Zone Franche, die 200 Musikproduzenten und Festivalveranstalter vereint.
"Die Künstler sind sehr diskret, weil sich die Welt der Musik verändert hat. Viele Stars der Mainstream-Medien erzählen in ihren Texten nicht mehr, wie die Welt ist oder wie sie sein sollte. Die Texte sind weniger engagiert als noch vor ein paar Jahren. Man versucht, den meisten zu gefallen. Diese Künstler haben Angst, sich zu engagieren. Sie haben Angst, Fans zu verlieren oder Einschaltquoten. Vielleicht üben auch ihre Plattenfirmen einen gewissen Druck aus."
Der sozialistische französische Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon spricht am 9.4.2017 bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei "La France insoumise" in Marseille.
Jean-Luc Mélenchon bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei "La France insoumise" in Marseille© picture alliance / dpa / Rossi David / MAXPPP

Mitterand wurde 1981 stark aus der Kultur unterstützt

Der linke Populist Jean-Luc Melenchon und sein "aufständiges Frankreich" wird von Künstlern unterstützt, deren Songs auf fast allen linken Demonstrationen zu hören sind. HK & les Saltimbanks, Sanseverino und Bernard Lavilliers gehen somit kein großes Risiko ein: Sie teilen ihre politische Überzeugung mit ihren Fans. Doch die französischen Medien prophezeiten bereits das Ende der "People-Politik".
Dazu Sébastien Lagrave von Zone Franche:
"Die amerikanischen Künstler sind viel engagierter als die französischen Prominenten. Beyoncé oder U2 haben sich klar gegen Trump gewandt und bleiben auch nach der Wahl dabei. Das hat ihrer Karriere nicht geschadet. Die Franzosen könnten sich davon eine Scheibe abschneiden."
In den USA hat die Unterstützung der Stars Hillary Clinton allerdings auch nicht geholfen. Und auch in Frankreich werden die Künstler zum Teil als zur Elite gehörig empfunden, zum sog. "Frankreich von oben" oder zu den sogenannten "Salon-Linken". Und die Politiker haben begriffen, dass Unterstützung von dieser Seite nicht unbedingt ihre Nähe mit den Wählern ausdrückt. Misstrauen herrsche allerdings auf beiden Seiten, meint Musiker Cheikh Tidiane Seck:
"Die französische Gesellschaft ist nicht mehr solidarisch mit den Politikern, weil es zuviel Enttäuschung gab. Die Hoffnungen waren zu groß, das gilt auch für die Künstler."
Präsident François Mitterrand wurde seinerzeit, 1981, aus Kultur und Prominenz stark unterstützt. Der beliebte Sänger Renaud schrieb sogar einen Song, damit Mitterrand 1988 noch einmal antrat: Tonton ne nous laisse pas beton - wörtlich übersetzt: Onkel, lass uns nicht im Stich. Diesmal unterstützt Renaud, wie auch Françoise Hardy, den wirtschaftsliberalen Kandidaten Emmanuel Macron.
Vielleicht geben auch andere Stars ihre Zurückhaltung im zweiten Wahlgang auf, wenn die Wahl leichter erscheint. Marine Le Pen hat übrigens nur einen einzigen Star treu auf ihrer Seite: Die mittlerweile 82-jährige Brigitte Bardot, der die Lämmer und Schafe lieber sind als die Muslime, die die Tiere zu bestimmten muslimischen Festen schlachten.
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