Vor 60 Jahren

Rocky Marcianos letzter Boxkampf

Der Schwergewichtsboxer Rocky Marciano aufgenommen am 17. September 1953 in New York.
Der Schwergewichtsboxer Rocky Marciano. © picture alliance / UPI
Von Thomas Jaedicke · 21.09.2015
Als Sohn armer, italienischer Einwanderer boxte sich Rocky Marciano in den 50er-Jahren bis ganz nach oben und gilt inzwischen als Verkörperung des amerikanischen Traums. Vor 60 Jahren bestritt Rocky in New York den letzten Kampf seiner Karriere.
"Ladies and Gentlemen! Main event, 15 rounds for the Heavyweight Championship of the World!"
Boxen ist Anfang der 50er-Jahre eine ganz große Nummer, die Königsdisziplin des Sports. Und jedes Königreich braucht natürlich auch einen König. Als sich Rocky Marciano am 21. September 1955 vor über 60.000 Zuschauern im Yankee Stadion in der New Yorker Bronx durch die Ringseile schiebt, um seinen Titel gegen Herausforderer Archie Moore zu verteidigen, sitzt er bereits seit vier Jahren auf dem heiß begehrten Thron des Schwergewichtsweltmeisters.
"From Brockton, Massachusetts, Heavyweight Champion of the World: Rocky Marciano!"
Schwergewichtsweltmeister genießen zu dieser Zeit - besonders in den USA - einen heutzutage kaum mehr vorstellbaren Kultstatus. Besonders die Champions sind populär. Doch nicht nur der einfache Mann von der Straße schaut zu ihnen auf. Prominente aus allen gesellschaftlichen Kreisen suchen die Nähe der Boxer. Im Spätsommer 1955 berichten die Zeitungen seit Wochen täglich über Rockys bevorstehende sechste Titelverteidigung.
Viel Prominenz am Ring
Dann ist es endlich soweit. Außenminister John Foster Dulles sitzt ganz nah am Ring, nicht weit von ihm genießen Humphrey Bogart und seine Frau Lauren Bacall das Blitzlichtgewitter der Pressefotografen.
"Kampfabend. Typen mit ihren Schätzchen. Schmarotzer und gut Betuchte."
Boxen bringt Schlagzeilen, billigen Glamour und immer auch ein bisschen halbseidene Unterwelt. Eine Mischung, die elektrisiert. Franklin Lewis berichtet für die "Cleveland Press":
"Graue und blaue Anzüge. Angeber mit schmalen Brieftaschen und großer Klappe prahlen, wie viel Geld sie mit dem Kampf machen werden. Aufschneider, die noch nicht mal Wechselgeld für einen Zehner in der Tasche haben."
Trotz des imposanten Kampfrekords von 49 Siegen in 49 Profikämpfen war Rocky Marciano - anders als seine unmittelbaren Vorgänger Joe Louis, Ezzard Charles oder Jersey Joe Walcott – kein überragender Boxer. Immer wieder wurde der 1,80 Meter große Linksausleger, der nur eine geringe Reichweite hatte, für seine schlechte Technik, seine tollpatschige Unbeholfenheit und seine Tiefschläge im Ring kritisiert.
Stehvermögen, unbändiger Kampfeswillen, ein eisenharter Punch
Dafür hatte der Brockton Blockbuster andere Qualitäten: Stehvermögen, unbändigen Kampfeswillen und einen eisenharten Punch. 43 seiner Profikämpfe beendete Marciano vorzeitig durch k o. Eine bis heute unerreichte Bilanz.
Nur zwei Mal während seiner Karriere muss Rocky Marciano auf die Bretter, in seinem ersten Kampf gegen Walcott und nun auch im New Yorker Titelkampf gegen Archie Moore. Doch vom Niederschlag in der zweiten Runde erholt er sich schnell.
"Es war pure Energie und Kraft, als Marciano nun mit beiden Händen eine Lawine von Schlägen losließ."
Schreibt Russel Sullivan in seiner Biografie "Rocky Marciano – The Rock of His Times". Die neunte Runde bringt schließlich die Entscheidung.
"Ein letzter Angriff, mit zwei linken Haken zum Kopf abgeschlossen, brachten Moore schließlich endgültig zu Fall. Er versuchte, aufzustehen, wurde aber, den linken Arm über dem mittleren Ringseil hängend, ausgezählt."
"Winner by knockout and still Heavyweight Champion of the World: Rocky Marciano!"
Titelverteidigung gelingt
Ein paar Monate nach seiner Titelverteidigung tritt Rocky Marciano zurück. Er ist erst 33 Jahre alt und hätte sicher noch einige lukrative Kämpfe bestreiten können. Aber der Titel des "ungeschlagenen Champions" lässt sich natürlich auch außerhalb des Rings sehr einträglich vermarkten. Mit der gleichen Besessenheit, die ihn zum Schwergewichtsweltmeister werden ließ, tourt er jetzt als Geschäftsmann in eigener Sache rastlos durchs Land. Kurz vor seinem 46. Geburtstag kommt er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
"Als eine kulturelle Ikone der 50er-Jahre hat Rocky Marciano den American Way of Life verkörpert."
Rocky-Biograf Russel Sullivan geht sogar noch einen Schritt weiter.
"Er war der amerikanische Traum. Seine Herkunft als Immigrant machte das alles erst möglich. Er wurde nicht in privilegierte Verhältnisse hineingeboren. Er war nichts weiter als der älteste Sohn eines armen italo-amerikanischen Schuhmachers aus Brockton, der es im Melting Pot der amerikanischen Einwanderungsgesellschaft aus dem Nichts bis ganz nach oben geschafft hat."
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