Niedergang des Boxens

K. o. in letzter Runde

Reingehauen: Floyd Mayweather Jr. (links) im Kampf gegen seinen Herausforderer Manny Pacquiao.
Reingehauen: Floyd Mayweather Jr. (links) im Kampf gegen seinen Herausforderer Manny Pacquiao. © dpa / picture alliance / Esther Lin
Von Stefan Osterhaus · 20.09.2015
Der Profiboxer Floyd Mayweather bricht alle Rekorde. 49 Kämpfe ohne Niederlage hat er zuletzt gemeistert. Dennoch hat das Boxen weltweit an Bedeutung verloren. Warum nur? Ein Kommentar von Stefan Osterhaus.
Es gab einmal eine Zeit, da waren sie alle am Ring: Schauspieler, Schriftsteller, Künstler und sogar Politiker. Auch die Halbwelt gehörte irgendwie dazu, aber weil so viele illustre Leute da waren, war es einfacher, sie zu übersehen. Es gab diese Zeit, als mancher sich den Wecker stellte, um einen Weltmeisterschafts-Kampf anzuschauen, wenn dieser in Übersee stattfand. Man mag es kaum glauben: Es gab sie wirklich, diese Zeit, in der das Boxen einmal ein glamouröser Sport war, vielleicht der schillerndste überhaupt - so anziehend, dass sich Ronald Reagan als Gouverneur von Kalifornien gern mit Schwergewichts-Champion George Foreman ablichten ließ.
Heute darbt das Profiboxen, man hat den Eindruck, es verliert von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Das hat viele Gründe. Der wichtigste aber ist die Gier derjenigen, die ihr Geschäft damit machen. Gab es früher einmal einen einzigen Weltverband, so sind es mittlerweile vier. Galt noch in den 70er-Jahren auch der Weltmeister im Weltergewicht als Star, so ist das Boxen zum Sport der unbekannten Weltmeister geworden.
Neulich schrieb ein Kommentator in der "Süddeutschen Zeitung", dass der Fußball mit seinen ins Absurde ausufernden Ablösesummen sich wie ein Musterfall neoliberaler Geschäftspraktiken präsentiert. Da ist etwas dran. Das Boxen aber ist vorangegangen. Indem der Wettbewerb durch mehrere konkurrierende Verbände, die alle ihr eigens Süppchen kochen, aufgesplittert wurde, wurden die Weltmeistertitel entwertet. Echte Konkurrenz wurde so ausgeschaltet. Nur selten standen sich die Besten gegenüber. Und so kam es zu einem Bedeutungsverlust, den zwei, drei Ausnahmeathleten pro Generation nicht kompensieren können.
Boxen ist ein Sport der Rituale
Es geht nicht mehr um die Würde des Weltmeisters - sondern nur noch um die Protagonisten, die sich gegenüberstehen. Das Duell von Floyd Mayweather und Manny Pacquiao im Mai, bei dem es um die unglaubliche Börse von 400 Millionen Dollar für die beiden Kämpfer ging, ist die Kehrseite dieser Inflation der Weltmeister.
Boxen ist auch ein Sport der Rituale. Der Gürtel eines Weltmeisters wird vor Kämpfen präsentiert wie eine Monstranz. Erst der Titel verleiht dem Athleten die Würde eines Champions. Insofern haben sich die Geschäftemacher des Boxsports selbst ihrer Aura beraubt. Sie haben ihren Sport entwertet, und so ist es kein Wunder, dass all die Politiker, Schauspieler, Künstler und Schriftsteller mittlerweile lieber woanders hingehen: In die Logen des Fußballs, des American Footballs, des Baseballs.
Nur die Halbwelt, die ist geblieben. Und erst recht muss sich niemand darüber wundern, dass ein Uralt-Rekord von Rocky Marciano aus den 50er-Jahren mehr Faszination ausübt als die Riesensummen der Gegenwart. Der Champion von damals ist noch immer die Messlatte für die Moneten-Weltmeister von heute. Und das dürfte auch noch eine Weile so bleiben.
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