Vor 525 Jahren in Granada

Das Ende der Herrschaft der Mauren

Blick auf die Alhambra vom Aussichtspunkt Plaza San Nicolas mit der Sierra Nevada im Hintergrund.
Auch der Aufstieg zur Weltmacht geschieht unter religiösen Vorzeichen: Als "Katholische Könige" sollen Isabell und Fernando sich die Länder jenseits des Atlantiks untertan machen. © picture alliance / Richard Linke
Von Julia Macher · 02.01.2017
Mit der Eroberung Granadas durch die katholischen Könige endet nach fast acht Jahrhunderten die Herrschaft der Mauren auf der Iberischen Halbinsel. Die Einnahme der Stadt beendet endgültig das relativ tolerante Nebeneinander der drei monotheistischen Weltregionen - und markiert den Übergang vom Mittelalter in die Vormoderne.
Als König Boabdil am 2. Januar 1492 Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón die Schlüssel zur Alhambra aushändigt, geht eine glanzvolle Epoche zu Ende: Fast 800 Jahre hatten die Mauren auf der Iberischen Halbinsel geherrscht, Landwirtschaft und Medizin revolutioniert und einige der bedeutendsten Universitäten und Bibliotheken der damaligen Welt gegründet. Doch nun fällt mit dem Emirat von Granada das letzte muslimische Reich. Auf dem Wachtturm des Nasriden-Palastes wird das Wappen der christlichen Herrscher gehisst. In Rom und Neapel feiert man den Triumph, der englische König Heinrich der VII. lässt in der Londoner Kathedrale verlesen:
"Durch Mut und Hingabe haben Ferdinand und Isabella das große Reich Granada wiedereingenommen und den Ungläubigen entrissen. Das gereicht ihnen zu ewiger Ehre."

Die Eroberung als Ausgleich

1453 war Konstantinopel, das "Rom des Ostens", an das Osmanische Reich gefallen. Die Eroberung Granadas verstand die christliche Welt als Ausgleich für diesen Verlust, sagt José Enrique Ruiz Domènec, Mittelalterspezialist der Freien Universität Barcelona.
"Die Katholischen Könige wollten das ehemalige römische Hispania zu einer religiösen Einheit verbinden – in einer Zeit, in der sie den Katholizismus bedroht sahen. Dazu kamen wirtschaftliche Gründe. Das Königreich Granada war ein Hindernis bei der Entdeckung des atlantischen Raums, wo für die Katholischen Könige die Zukunft lag. Durch die Eroberung verlagerte sich das Machtzentrum nach Sevilla. Das markierte den Beginn einer neuen Epoche."
Für das Emirat von Granada hatte das 15. Jahrhundert unter schlechten Vorzeichen begonnen. Familienclans stritten um die Thronnachfolge und den angemessenen Umgang mit den christlichen Nachbarn; Kastilien machte sich die Schwäche zunutze und forderte Tribute. Die Feindseligkeit wuchs. In Granada machte das Wort vom "finalen Kampf" gegen Kastilien die Runde. Auch Königin Isabel rüstete auf. Nachdem sie 1479 im Streit um die Rechtmäßigkeit ihrer Thronfolge ihre Widersacher besiegt hatte, setzte sie sich die Eroberung Granadas zum Ziel. Den Anlass lieferte 1481 ein muslimischer Überfall auf das Dorf Zahara. Ein Jahr später nahmen die Christen die Stadt Alhama ein. Der strategisch wichtige Sieg wurde in Romanzen besungen.
In Granada führte die Eroberung zu einem Machtwechsel. Der an einem Ausgleich mit den Christen interessierte Boabdil stürzte seinen für einen harten Kurs bekannten Vater. Die katholischen Herrscher nutzten die Gemengelage geschickt: Mal banden sie Boabdil als Vasallen an sich, mal schürten sie Aufstände gegen ihn. 1491, nachdem Verhandlungen mehrfach gescheiterten waren, belagerten Isabel und Fernando acht Monate lang die Stadt. Boabdil kapitulierte – zu von ihm ausgehandelten großzügigen Bedingungen.
"Die Mauren werden nach ihren eigenen Gesetzen, der Scharia, und von ihren eigenen Richtern verurteilt. Waffen und Pferde dürfen ihnen nicht genommen werden, mit Ausnahme der Pulvergewehre. Kein Maure, ob Mann oder Frau, wird gegen seinen Willen zur Annahme des christlichen Glaubens gezwungen."

Konversion oder Exil

Doch der Vertrag ist schon bald Geschichte. Bereits im März 1492 verweisen Isabell und Fernando die Juden des Landes. 1499 wird Kardinal Cisneros Erzbischof von Granada. Er lässt Muslime zwangstaufen, verbrennt Tausende von Koranen. Es kommt zu Aufständen. 1501 stehen dann auch die Muslime vor die Wahl: Konversion oder Exil. 100.000 Menschen wandern aus.
"In Schlüsselmomenten gab es in Spanien immer Konflikte zwischen ‚Falken‘ und ‚Tauben‘, und an der Schwelle des 15. zum 16. Jahrhundert haben sich die Falken durchgesetzt. Die Katholischen Könige hatten Angst, die Bürgerkriege der 60er Jahre könnten sich wiederholen, griffen deshalb zu radikalen Maßnahmen. Die für Integration erforderliche Geduld, zwei, drei Generationen zu warten, brachten sie einfach nicht auf."
Spanien wird zu einem Bollwerk des Katholizismus. Der sogenannte wahre Glaube soll die Nation einen. Abweichler werden durch die Inquisition verfolgt. Auch der Aufstieg zur Weltmacht geschieht unter religiösen Vorzeichen: Als "Katholische Könige" sollen Isabell und Fernando sich die Länder jenseits des Atlantiks untertan machen.
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