Vor 50 Jahren starb Otto Hahn

Der Entdecker der Kernspaltung

Carl Friedrich von Weizsäcker (r), Otto Hahn (l) und Walther Gerlach (M) treffen am 17. April 1957 im Bonner Palais Schaumburg ein, um mit Bundeskanzler Konrad Adenauer die von ihm scharf kritisierte "Göttinger Erklärung" zu diskutieren.
Otto Hahn (links) 1957 neben Carl Friedrich von Weizsäcker (rechts) und Walther Gerlach © picture-alliance / dpa
Von Frank Grotelüschen · 28.07.2018
Eher durch Zufall entdeckte Otto Hahn das Prinzip der Kernspaltung. Dass er damit völlig unbeabsichtigt die Basis für die Atombombe geschaffen hatte, sollte den in Frankfurt geborenen Forscher den Rest seines Lebens beschäftigen.
"Es war Ende 1938, wo wir einen Prozess gefunden haben, der für uns selbst ganz unerwartet war. Und der dann später zu der Entwicklung der Atomenergie geführt hat."
Berlin, das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie. Hier gelang am 17. Dezember 1938 eine der folgenreichsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts: Bei Experimenten mit Uran stellte Otto Hahn fest, dass sich Atomkerne spalten lassen - die Basis für Kernwaffen und für Atommeiler.
"Das Hauptinteresse der Physiker galt natürlich der frei werdenden Energie bei diesem Zerspaltungsprozess, die außerordentlich viel größer war als alle Energievorgänge, die man bisher gekannt hat."

Schnell machte sich Hahn in der Fachwelt einen Namen

Schon früh hatte sich Hahn, 1879 in Frankfurt geboren, für ein damals brandneues Gebiet interessiert - die Radioaktivität. "Damals befand sich die gesamte Atomforschung in einer Aufbruchs- und Pionierzeit, in der sehr viele wichtige Entdeckungen gemacht wurden", sagt Robert Lorenz, Politologe am Göttinger Institut für Demokratieforschung.
Nach seinem Chemiestudium zog es Otto Hahn erst nach London, dann nach Montreal, in das Labor des Nobelpreisträgers Ernest Rutherford. Schnell machte sich Hahn in der Fachwelt einen Namen: Es gelang ihm, zahlreiche neue radioaktive Substanzen zu entdecken.
"Otto Hahn war ein ganz ausgezeichneter Experimentator, der immer sehr großen Wert auf Sorgfalt legte. Er konnte damit seine Mitarbeiter oft in den Wahnsinn treiben, dass er Experimente mehrfach wiederholen ließ und immer sehr stark darauf geachtet hat, dass alles genauestens protokolliert wird", sagt Lorenz.

Produktive Arbeitsgruppe

Am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin scharrte Otto Hahn eine kleine, produktive Arbeitsgruppe um sich, darunter der Chemiker Fritz Straßmann und die Physikerin Lise Meitner. Die drei bestrahlten unterschiedliche chemische Elemente mit Neutronen, mit winzigen Kernteilchen. Dabei wandelten sich die Atomkerne um in neue, schwerere Elemente.
Doch als sich Hahn und Straßmann im Dezember 1938 das Uran vornahmen, erlebten sie eine Überraschung. Statt sich in ein schwereres Element umzuwandeln, schien der Uran-Kern in kleinere Bruchstücke zu zerplatzen. Was dabei genau passierte, konnte erst Lise Meitner klären. Im Sommer 1938 war die Jüdin aus Berlin nach England geflohen.
Hahn: "Lise Meitner und ihr Neffe Otto Robert Frisch in England waren die ersten, die berechneten, dass bei dem Auseinanderplatzen des Urans ungewöhnlich große Energiemengen frei werden. Und von Meitner und Frisch stammt auch der Ausdruck ‚Fission‘, auf deutsch Spaltung."
Die Entdeckung weckte das Interesse der Militärs. Um auszuloten, ob sich auf Basis der Kernspaltung eine Bombe bauen ließe, rief das Naziregime 1939 das sogenannte Uranprojekt ins Leben. Otto Hahn hielt sich heraus.
Nochmal Lorenz: "Otto Hahn hat aber immer klargemacht, dass er niemals wirklich eine Atomwaffe entwickeln würde und sie dem Diktator Hitler in die Hände geben würde."
Das deutsche Uranprojekt scheiterte. Die Amerikaner aber bauten die Atombombe und zündeten sie im August 1945 in Hiroshima und Nagasaki.

Flammender Appell gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr

"Otto Hahn erfuhr 1945 vom Abwurf der Atombombe über Hiroshima in britischer Gefangenschaft. Das war wirklich ein prägender Moment in seinem Leben. Otto Hahn brach in Tränen aus, weil ihm klar wurde, dass er letztlich eine Entdeckung gemacht hat, die eine solch zerstörerische Konsequenz zeitigen kann", sagt Lorenz.
Dass er völlig unbeabsichtigt die Basis für die Atombombe geschaffen hatte, sollte Hahn den Rest seines Lebens beschäftigen. Nach dem Krieg wurde er zu einem der prominentesten Gegner der atomaren Aufrüstung:
"Ich darf daran erinnern, dass ich und die in der Göttinger Erklärung bekannten 18 Atomphysiker, dass wir immer auf die Gefahren der Verwendung von Atom- und Wasserstoffbomben hingewiesen haben."
1957 initiierte Hahn gemeinsam mit anderen Physikern das "Göttinger Manifest", einen flammenden Appell gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr. Und tatsächlich: Die Bundesrepublik verzichtete auf Kernwaffen, das Göttinger Manifest wurde zu einer der Keimzellen der deutschen Friedensbewegung. Was Otto Hahn nicht davon abhielt, sich für die friedliche Nutzung der Kernkraft einzusetzen, also den Bau von Kernkraftwerken.
Seine Vision: "Anstelle der immer knapper werdenden Vorräte an Kohle und Erdöl tritt die Atomkraft für friedliche Zwecke auf den Plan."
Bevor Otto Hahn am 28. Juli 1968 mit 89 Jahren starb, hatte er noch erlebt, wie die ersten deutschen Meiler ans Netz gingen. Doch dass die Bundesrepublik Jahrzehnte später den Ausstieg aus der Atomkraft beschließen würde, hätte sich der Entdecker der Kernspaltung wohl eher nicht träumen lassen.
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