Vor 150 Jahren

Erste Ausgabe der "Frankfurter Zeitung" erschienen

Der Schriftzug "Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland" prangt an der Fassade des Redaktionsgebäudes der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)" in Frankfurt am Main.
Das Redaktionsgebäude der "FAZ", Nachfolgerin der "Frankfurter Zeitung" © picture alliance / dpa / Arne Dedert
Von Rudolf Schmitz · 16.11.2016
Die "Frankfurter Zeitung", Vorgängerin der "FAZ", war immer ein streitbares Blatt. Ihr Gründer Lepold Sonnemann, ein erbitterter Gegner Bismarcks, machte aus dem einstigen Börsenblatt die große liberale Zeitung Deutschlands. Heute vor 150 Jahren erschien sie zum ersten Mal.
"Politisch freiheitlich, in sozialpolitischer Hinsicht jederzeit gerecht und reformfreundlich, immer zur Unterstützung der sozial Schwachen geneigt."

In diesem Geiste, so schrieb Leopold Sonnemann in seinem Testament, solle die "Frankfurter Zeitung" weitergeführt werden. Als er im Oktober 1909, einen Tag nach seinem 78. Geburtstag starb, verlor die Zeitungslandschaft einen großen liberal-demokratischen Verleger. Die "Frankfurter Zeitung", deren erste Ausgabe am 16. November 1866 erschien, war aus einem Handelsblatt entstanden, in dem Sonnemann vor den Gefahren des Aktienmarktes und eines ungezügelten Wirtschaftsliberalismus warnen wollte. Der junge und erfolgreiche Bankier, Sohn jüdischer Eltern, geprägt vom Geist der 1848er-Revolution, machte aus dem "Frankfurter Börsenblatt" die große linksliberale Zeitung Deutschlands.

Lieblingsfeinde Bismarcks

Als Mitbegründer der radikal-demokratischen Deutschen Volkspartei, für die er zwölf Jahre im Deutschen Reichstag saß, wollte Sonnemann eine demokratische und soziale Republik. Dadurch machte er sich Otto von Bismarck zum erbitterten Feind, was der kleinen Redaktion beträchtlichen Ärger, Schikanen und bisweilen Gefängnishaft einbrachte. Die "Frankfurter Zeitung" kämpfte gegen das Sozialistengesetz, trat für eine Sozialgesetzgebung ein, warb für den Ausgleich mit Frankreich und bekämpfte die Annexion Elsass-Lothringens. Mit einem modernen Telegrafendienst und dem Aufbau eines weltweiten Korrespondentennetzes entwickelte sich die "Frankfurter Zeitung" zum großen und unabhängigen Nachrichtenblatt.
Der Verleger, Politiker und Mäzen Leopold Sonnemann (1831-1909)
Der Verleger, Politiker und Mäzen Leopold Sonnemann (1831-1909)© dpa / picture alliance / Horst Ziegenfusz

Tonangebendes Feuilleton der Weimarer Republik

Benno Reifenberg: "Das Feuilleton der 'Frankfurter Zeitung' setzte sich zur Aufgabe zu zeigen, wie es aussieht in Deutschland nach diesem Krieg, und das zu beschreiben. Diese Reportagen haben eine bedeutende Rolle in dem Feuilleton gespielt, und ich darf wohl sagen, neben den Romanen haben sie den Charakter des Feuilletons der 'Frankfurter Zeitung' in den 20er-Jahren bestimmt."

In der Weimarer Republik wurde Benno Reifenberg Chef des Feuilletons. Er versammelte profilierte Autoren wie Siegfried Kracauer, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno oder Joseph Roth. Die "Kollegialverfassung der Redaktion", so Reifenberg, galt der "Frankfurter Zeitung" als selbstverständliche Tradition.
"Es versammelten sich durchschnittlich in der Hauptkonferenz 25-30 Leute. Sie wurde geführt, in der Zeit, von der ich jetzt spreche, den 20er-Jahren, von einem Enkel von Leopold Sonnemann, von dem Begründer der 'Frankfurter Zeitung', Heinrich Simon, der die Konferenz leitete, die Themen anschlug, aber niemals selbst mit seiner Stimme den Ausschlag gab. Vielmehr beriet die Versammlung nach Art eines Parlaments."

Ein Ort der Humanität auch nach 1933

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mussten Kurt und Heinrich Simon die Zeitung verlassen und emigrieren. Doch das Blatt blieb ein Ort des bürgerlichen Geistes, der Humanität und der geschliffenen Sprache. Es wurde vom Propagandaministerium geduldet, um im Ausland eine unabhängige Stimme vorführen zu können. Man suchte sich Nischen, schilderte Schikanen an jüdischen Mitbürgern und Intellektuellen, kommentierte durch Verschweigen oder durch Bezug auf die klassische Geistestradition.
Benno Reifenberg: "Die Menschen, die uns lasen, haben verstanden, es ist da noch eine Gruppe am Reden, am Wort, die, ich will nicht sagen: Widerstand leisten, aber indem diese Zeitung ihre Position, die unveränderte Position aufrecht erhielt - in einer Sturmflut eine Insel, die kleiner wird, wenn Sie wollen."

Doch schließlich wurde die "Frankfurter Zeitung" am 31. August 1943 geschlossen. Wegen eines ironischen Artikels über einen Nazi-Dichter.

"Als wir dann auf Befehl Hitlers geschlossen wurden, war es doch so, bei den Einsichtigen in Deutschland, als sei in einem dunklen Raum die letzte Kerze ausgeblasen".

In der 1949 gegründeten "FAZ" versammelten sich dann viele ehemalige Redakteure der alten "Frankfurter Zeitung". Sie verstanden Liberalität, geistige Unabhängigkeit und intellektuellen Anspruch als selbstverständliches Erbe.
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