Von Neonazis unterwandert

Klein, idyllisch, rechtsradikal

Im Hennebergischen Museum Kloster Veßra besichtigen Besucher die denkmalgeschützte Anlage.
Bekannt ist Kloster Veßra für die denkmalgeschützte romanische Klosteranlage. Die Mitarbeiter des dortigen Museums gehören zu den wenige Bewohnern, die sich gegen die rechtsradikale Unterwanderung wehren. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Ernst-Ludwig von Aster  · 09.04.2015
Der Ort Tröglitz in Sachsen-Anhalt hat sich als Zuhause von Rechtsradikalen einen Namen gemacht. Doch auch andere Gemeinden werden systematisch von Rechten unterwandert. So hat in Kloster Veßra im südlichen Thüringen ein Rechtsextremer die Dorfkneipe übernommen.
"Heute Ruhetag" verkündet ein Schild an der alten Dorf-Gaststätte. Der weiße Putz zwischen dem Fachwerk bröckelt, in der Dachrinne wächst Moos. Der "Goldene Löwe" ist die einzige Kneipe im 300 Seelen-Ort Kloster Veßra. Seit Dezember hat der Gasthof einen neuen Besitzer. Ein älteres Pärchen steht etwas unschlüssig davor, blickt sich suchend um. Es sind Gastwirte aus dem nahegelegenen Zella-Mehlis. Sie entdecken einen Mann auf dem Nachbargrundstück:
"Und da ist heute Ruhetag?"
"Heute Abend erst ist was los."
"Erzähl uns mal was."
"Pffff."
"Was treibt der Frenck heute?"
Der Frenck? Der Mann zuckt mit den Schultern. Und schweigt. Tommy Frenck, Ex-NPD-Kandidat, Kampfsportler, Kreistagsmitglied für das rechtsextreme Bündnis Zukunft Hildburghausen. Der 27-Jährige hat den "Goldenen Löwen" gekauft. Plant für heute Abend ein Konzert. Eintritt frei.
"Bei mir wollten sie auch immer mal Konzerte machen. Also ich hab mich nie mit sie einlassen können, weil ich genau wusste, dass ich da nur Scherereien mit der Polizei hab."
Wo Frenck auftaucht, gibt es immer Scherereien. Seinen Heimatort Schleusingen hat er schon vor Jahren zur "Frontstadt" und "befreiten Zone" erklärt. Jugendliche lockt er mit Musik- und Sportveranstaltungen ins strammrechte Lager. Gegen Flüchtlingsheime in den umliegenden Ortschaften macht er mobil. Im Internet vertreibt er Aufkleber: "No refugees welcome" oder T-Shirts mit dem Aufdruck "Division Thüringen".
Rechtsradikales Konzert als Abwechslung fürs Dorfleben
Um 18 Uhr füllen sich die Parkplätze rund um den Goldenen Löwen. PKW aus Suhl, Hildburghausen, Sonneberg. Die Polizei wartet am Ortseingang, kontrolliert jeden Wagen. Zwei ältere Anwohner stehen am Gartenzaun und staunen: über 200 Besucher kommen zum Konzert, da kommt fast auf jeden Dorfbewohner ein Frenck-Freund.
"Ist wenigstens mal was los in dem kleinen Dorf, hahah. Genau, naja, das ist halt so."
Der Kneipenwirt und rechtsradikale Aktivist Tommy Frenck spricht in Suhl beim ersten Ableger der Pegida - Bewegung in Thüringen.
Der Kneipenwirt und rechtsradikale Aktivist Tommy Frenck spricht in Suhl beim ersten Ableger der Pegida - Bewegung in Thüringen.© picture alliance / ZB / Michael Reichel
Ein VW-Transporter mit eisernem Kreuz auf der Fahrertür rollt vorbei. Ein BMW, das Kennzeichen endet auf 88. Zweimal der achte Buchstabe im Alphabet steht in der Szene für "Heil Hitler". Sie haben nichts gegen die neuen Nachbarn, sagen die Rentner.
"Ist doch erlaubt als Partei, warum soll man dann was dagegen sagen."
"Ja eben."
"Andere Parteien gibt's auch. So lange die Ruhe halten und machen ihr Zeug."
Eine Handvoll Mitarbeiter des vielbesuchten Museums im Ort, rund um die Klosterruine, sind die einzigen, die sich öffentlich wehren: "Keine Neonazis in Kloster Veßra" fordern sie auf ihrer Homepage. Ihren Parkplatz gleich neben dem Goldenen Löwen haben sie abgesperrt.
In der Kneipe kommt Tommy Frenck hinter dem Tresen hervor. Ein untersetzter Mann, mit breiten, sehr breiten Schultern. "Division Thüringen" prangt in Runenschrift auf seinem schwarzen T-Shirt, muskulöse, tätowierte Oberarme spannen die Ärmel.
Jetzt kümmert er sich um den Biernachschub. Über dem Tresen thront als Blickfang eine Weinkiste , "Treue um Treue" steht eingebrannt im Holz. Und: "Der Leibstandarte liebster Tropfen". Frenck hat die Kneipe im Dezember gekauft – eine bekannte Taktik der Neonaziszene, um im ländlichen Raum den Einfluss auszubauen. Erst zwei Monate später besinnt sich die Gemeinde auf ihr Vorkaufsrecht, da treffen sich aber bereits die Kameraden regelmäßig im Goldenen Löwen.
"Stand ist jetzt: Stadt oder Gemeinde hat Vorkaufsrecht geltend gemacht. Dagegen läuft mein Widerspruchsverfahren. Wir ziehen das auf jeden Fall bis zum letzten Instanz durch. Bis zur letzten Instanz, die geht."
Zu Besuch im Dorf: der einstige Sänger von "Landser"
Und das kann lange dauern. "Nun werden wir Euch bis auf weiteres jede Woche bespaßen", informiert Frenck die Gemeinde via Facebook. Und kündigt einige "Überraschungen" an.
"Wir habe hier Montags Stammtische eingerichtet. Wir haben da viel geplant jetzt, heut spielt Lunikoff hier, kennt eigentlich jeder, der so ein bisschen Deutschrock hört, eigentlich."
"Lunikoff", dahinter verbirgt sich der Sänger Michael Regener. Der ehemalige Frontmann der Gruppe "Landser". Volkverhetzung, Verbreitung rechtsextremer Propaganda, Bildung einer kriminellen Vereinigung - dafür ging Regener drei Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Nun tourt er als Lunikoff durch die Szene. Heute in Kloster Veßra.
Um Viertel nach acht ist der Goldene Löwe voll mit rechten Frenck-Freunden, im Saal greift Lunikoff zur Gitarre. Der Journalist ist jetzt nicht mehr erwünscht. Die Gäste reagieren ein bisschen allergisch, sagt Tommy Frenck. Doch auch draußen auf der Straße ist jedes Lunikoff-Wort zu verstehen. Ausländerfeindlich, gewaltverherrlichend: Skinhead Bolle aus Neuruppin prügelt sich durchs alternative Kreuzberg. Friedrich der Große steigt von seinem Denkmal und sorgt rund um den Reichstag für Ordnung.
Einige Polizeibeamte warten auf der Straße, einige Kollegen in zivil registrieren Auto- Kennzeichen. Die Rentner stehen vor den Saal-Fenstern, lauschen.
"Sag ich doch, soviel waren noch nie. Die Autos stehen bis da unten. Soviel war noch nie."
Drinnen singt Lunikoff über einen Neonazi auf der Flucht. Der immer weitermacht. Und sich nicht unterkriegen lässt. Das Publikum gröhlt. Die Polizei beobachtet. Die Rentner gehen ins Bett. Sie haben viel erlebt heute.
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