Von Bach bis Helene Fischer

Auf der Suche nach Lebenskunst in Deutschland

06:17 Minuten
Sängerin Helene Fischer steht einer TV-Spendengala auf der Bühne.
"Quäkmadame" oder deutsche Madonna? Zu Helene Fischer gehen die Meinungen auseinander - auch im Buch „Schön deutsch“ © picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Britta Pedersen
Stefanie von Wietersheim im Gespräch mit Joachim Scholl · 19.04.2021
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Gibt es eine deutsche Alltagsästhetik? Darum dreht sich das Buch „Schön deutsch“ von Stefanie v. Wietersheim und Dirk Kaesler. Die Themen sind Männerkleidung, Achselhaare bei Frauen oder Beate Uhse. Besonders kontrovers wird es bei Helene Fischer.
"Schön deutsch. Eine Entdeckungsreise" heißt das Buch, das die Journalistin Stefanie von Wietersheim zusammen mit dem Soziologen Dirk Kaesler geschrieben hat. Es geht um deutsche Befindlichkeiten, Gewohnheiten, Städte und kulturelle Schönheiten von Bach bis Helene Fischer, aber auch um Themen wie das deutsche Frühstück, Achselhaare bei Frauen und Beate Uhse.
Das erste Kapitel im Buch dreht sich darum, wie schlecht sich deutsche Männer anziehen. Das habe ihr "total auf den Nägeln gebrannt", sagt Stefanie von Wietersheim. Unter anderem deshalb, weil sie sieben Jahre in Frankreich gelebt habe. "Wenn man aus dem Land zurückkommt, in dem Mode so wichtig ist, und man dann wie mit einem Lupenglas auf die deutschen Männer in den Fußgängerzonen blickt, denkt man: Oh Gott, oh Gott, was ist denn da los?" Ihren Co-Autor Dirk Kaesler habe sie von diesem Kapitel allerdings überzeugen müssen. Er sei der Meinung gewesen, darüber gebe es nichts zu sagen, so von Wietersheim.

Was empfinden Deutsche als schön?

Beide haben zu jedem Thema jeweils einen Essay aus der eigenen Perspektive geschrieben. Auf die Idee zu dem Buch gekommen seien sie aufgrund ihrer Auslandsaufenthalte, erklärt von Wietersheim.
"Viele Deutsche – und auch wir – haben kein ganz unproblematisches Verhältnis zu ihrem Land." Von Wietersheim und ihr Co-Autor hätten sich gefragt, was die Deutschen als besonders schön empfinden, so die Journalistin. Ob es hier eine spezielle Alltagsästhetik gibt. "Die Franzosen haben ja zum Beispiel dieses wunderbare Konzept der ‚art de vivre‘." Gibt es eine deutsche Lebenskunst? Das hätten sie untersuchen wollen. Nicht die Frage: "Was ist typisch deutsch?".

Hart arbeiten und perfekt sein

Während sich das Autorenduo oft einig ist, gehen die Ansichten der beiden zu Helene Fischer doch ziemlich auseinander. "Das war ein großer Streit zwischen uns", sagt von Wieterheim, die Fischer im Buch als "Quäkmadame" mit indiskutabler Musik bezeichnet. Für Dirk Kaesler dagegen ist sie eine deutsche Madonna. "Das kann nicht wahr sein", habe sie gedacht, als sie von dieser Leidenschaft ihres Co-Autors für Helene Fischer erfahren habe. "Er liebt sonst Renaissancemusik und Countertenöre." Aber Fischer habe eben auch eine "sehr deutsche Karriere" gemacht: "Als russlanddeutsches Einwandererkind so wahnsinnig erfolgreich zu werden; perfekt zu sein, hart zu arbeiten, ein Produkt zu werden. Sie ist die Göttin des Feelgood in Deutschland."
Sie finde die Musik leer und langweilig, bei den Riesenshows sei viel verstärkt. "Aber auch das gehört zu unserer Alltagskultur. Der eine findet‘s schön, der andere findet‘s doof. Das ist doch ok!"
(abr)
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