Öl aus Ecuadors Regenwald

Vom Scheitern des globalen Klimaschutzes

23:08 Minuten
Öl-Förderung im Yasuní
Trotz Kritik und Protesten wird an mehr und mehr Stellen im Yasuní Öl gefördert. © Carlos Quizhpe
Von Mirjana Jandik |
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Der Yasuní-Nationalpark gehört zur den artenreichsten Regionen der Welt, aber die Ölförderung bedroht Mensch und Natur. Dabei hatte Ecuador vor 15 Jahren angeboten, auf die Förderung zu verzichten. Doch niemand wollte für den Umweltschutz bezahlen.
Der Nationalpark Yasuní liegt im Osten Ecuadors, an der Grenze zu Peru, mitten im Amazonastiefland. Wer in dem kleinen Ort Llanchama nachts genauer hinhorcht, nimmt neben Zirpen, Kreischen und Plätschern auch ein tiefes Brummen wahr: Es sind Ölförderanlagen. Die Ölplattformen sind knapp zehn Kilometer entfernt von Llanchama.
Der Lärm der Generatoren, aber auch die verseuchte Umwelt belasten die Gemeinde der indigenen Kichwa enorm, aber eine Entschädigung von den Ölfirmen bekommen sie nicht, sagt Olmer Machoa, der hier mit seiner Familie lebt und früher Gemeindevorsteher war. „Die Ölfirmen sagen, sie müssen nur die Gemeinden entschädigen, die direkt betroffen sind. Aber nur, weil wir etwa neun Kilometer entfernt sind, befinden wir uns ja nicht außerhalb der verseuchten Zone.“

Eine innovative Idee wird ausgebremst

Dass in einem so artenreichen Gebiet wie dem Yasuní überhaupt Öl gefördert wird, sollte mit einer internationalen Kampagne eigentlich verhindert werden. Die gerade frisch gewählte Regierung von Rafael Correa hatte 2007 der internationalen Gemeinschaft einen Vorschlag unterbreitet, der aus der Zivilgesellschaft Ecuadors kam. Die Idee: Das Öl im Yasuní wird nicht gefördert und der für das Weltklima wichtige Regenwald nicht angetastet. Im Gegenzug gleicht die internationale Gemeinschaft die verlorenen Einnahmen aus der Ölförderung aus, wobei Ecuador sich verpflichtet, das Geld in Bildung zu investieren.
Blick auf den Fluss Río Napo im Amazonas
Der Río Napo mündet in den Amazonas. Die Ölförderung führte in Ecuadors Geschichte mehrfach zu Unfällen und Verschmutzung.© Carlos Quizhpe
Ein schöner Plan, der aber nicht aufging. Die Initiative zur Rettung des Regenwalds wurde 2013 als gescheitert erklärt und 2014 endgültig begraben. Nicht ein Bruchteil der Spenden kam zusammen. Auch Deutschland zahlte die zugesagte Summe nie.
Die damalige Abgeordnete der Grünen, Ute Koczy, setzte sich damals vehement für den Vorschlag Ecuadors, das sogenannte ITT-Projekt, ein und hält die Idee bis heute für wegweisend: „Das war die richtige Idee. Sie war innovativ, kreativ und präventiv. Aber für Prävention wollte niemand bezahlen. Man hat Ecuador nicht vertraut. Es hieß, da können ja andere Länder auch kommen. Es ist zu kompliziert. Und Deutschland wollte kein Vorreiter sein, obwohl das Parlament dazu Ja gesagt hat. Und dann hat das Ganze nicht die gewünschte Dynamik entfalten können.“

Ständige Konflikte wegen der Ölförderung

2014 begann dann die Ölförderung im umstrittenen Gebiet des Yasuní und seither gibt es ständige Auseinandersetzungen, zurzeit um die sogenannte Pufferzone. Diese umrundet einen Teil des Nationalparks, den man für besonders schützenswert erklärt hat. Es ist das Territorium von zwei indigenen Gruppen, den Tagaeri und den Taromenane. Sie leben in freiwilliger Isolation, haben sich also aktiv dagegen entschieden, mit der sogenannten westlichen Welt in Kontakt und Austausch zu treten.
Die Grünen-Politikerin Ute Koczy mit Megafon bei einer Demonstration
„Die Welt ist nicht bereit, auf fossile Energien zu verzichten", befürchtet die Grünen-Politikerin Ute Koczy.© picture alliance / Robert B. Fishman / ecomedia / Robert B. Fishman
Nathaly Yépez arbeitet für Amazon Watch und ist Anwältin der Umweltgruppe Yasunidos. Sie hat sich intensiv mit den Gruppen in freiwilliger Isolation befasst. Weil es sich um nomadische Gruppen handelt, hat die aktuelle Ölförderung im Yasuní in jedem Fall Auswirkungen auf diese indigenen Gruppen, glaubt sie.
Deswegen hat Nathaly Yépez zusammen mit verschiedenen Organisationen die Interamerikanische Menschenrechtskommission um Hilfe gebeten. „Am 1. Juni haben wir einstweilige Maßnahmen gegen verschiedene staatliche Organe beantragt: das Umweltministerium, das Menschenrechtssekretariat und das staatliche Ölunternehmen EP Petroecuador. Wie wollen verhindern, dass die Rechte der Völker in freiwilliger Isolation verletzt werden. Die Tagaeri und Taromenane sollen nicht gezwungen werden, in Kontakt zu treten.“

Ecuador hat sich abhängig gemacht

Der Konflikt um den Yasuní Nationalpark hat eine lange Geschichte und der Streit um die Pufferzone und die gescheiterte internationale Kampagne zum Schutz des Regenwaldes sind nur zwei Beispiele von vielen.
Der Fluss Río Tiputini in Ecuador
Llanchama liegt am Río Tiputini - die Bewohner*innen sind besorgt um Flüsse, Flora und Fauna, aber auch um ihre Dorfgemeinschaften.© Carlos Quizhpe
Bereits in den 1960er-Jahren wurde über die Ölförderung in Ecuador gestritten. Das kleine Land hat sich abhängig gemacht von der Ausbeutung seiner Ressourcen, ganz besonders vom Öl, das heute Ecuadors wichtigste Einnahmequelle ist, erklärt Ökonomin Nora Fernández. „Der Staat nimmt Geld dafür, dass das Kapital auf die Natur zugreifen darf. Ein so kleines, so marginales Land wie dieses, wird nichts daran ändern, dass der globale Markt nun mal kapitalistisch ist. Als so kleines Land suchst du dir nicht aus, wie die Weltwirtschaft funktioniert, du fügst dich in sie ein. Deswegen sind wir vom internationalen Ölpreis abhängig geworden. Und sobald der Preis für Öl fällt, ruiniert uns das."
2014 ist das dann auch passiert: Der internationale Ölpreis brach ein, Ecuadors Staatshaushalt geriet ins Wanken. Nachdem Ecuador jahrelang die Einnahmen aus der Ölförderung umverteilen konnte, kommt das Land nun nicht mehr aus der Krise. Immer wieder gibt es langanhaltende Proteste, die die Infrastruktur lahmlegen, weil Sozialausgaben gekürzt oder Arbeitsrechte beschnitten werden.

Die Welt ist nicht bereit zum Umdenken

Das Öl im Nationalpark Yasuní ist eine zentrale Säule im Staatshaushalt Ecuadors - trotz der Schwankungen des Preises auf dem Weltmarkt. Als 2007 die Idee der Kompensation durch die Weltgemeinschaft lanciert wurde, hätte ein Pilotprojekt entstehen können: eine Blaupause für den Rest der Welt.
Detail an einem Öl-Tank
Ecuadors Wirtschaft ist stark vom Öl abhängig. Im Yasuní Nationalpark wird es vom staatlichen Ölunternehmen Petroecuador gefördert, das auch Aufträge an andere Unternehmen vergibt.© Carlos Quizhpe
Ute Koczy, die sich damals als Abgeordnete der Grünen für das sogenannte ITT- Projekt einsetzte, glaubt, dass die Welt heute – trotz des gestiegenen Drucks durch den Klimawandel – nicht umdenken wird. „Die Welt ist nicht bereit, auf fossile Energien zu verzichten und komplett auf erneuerbare zu setzen." Der Vorschlag Ecuadors damals sei richtig gewesen. "Aber wir sind nicht fähig, solche zukunftsweisenden Projekte zu unterstützen. Leider ist es so, dass die Menschheit nur durch Katastrophen lernt. Es dürften überhaupt keine neuen Ölfelder mehr erschlossen werden. Wir sind auf dem total falschen Weg.“
In Ecuador fordern Mitglieder von Umweltgruppen eine Volksabstimmung, um die geplante weitergehende Ausbeutung der Ölvorkommen im Yasuní noch zu verhindern. Ansonsten, so die Befürchtung, werden die noch verbliebenen indigenen Gemeinschaften nicht überleben.

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