Vom Macho bis zur Zicke

Von Bettina Ritter |
Vom Macho über den Abzocker bis hin zur Abgeklärten, Zicke und Naiven sitzen sie sich in einer Turnhalle gegenüber. Sie haben fünf Minuten Zeit, sich kennen zu lernen, dann wird der Partner gewechselt. Der Kinofilm "Shoppen" des 37-jährigen Regisseurs Ralf Westhoff startet neu im Kino. Darin geht es um Singles, die beim Speed-Dating die Liebe des Lebens suchen.
Filmszene: Mann, leichter bayerischer Akzent: " Wenn ich einen Gin-Tonic will, dann bestell ich mir den. Der lässt sich dann trinken ohne Gezicke. Das hab ich schon tausendmal gemacht. Und jetzt geht's um Beziehungen, und du bist es ja gar nicht mehr gewöhnt, dass das Konsumgut plötzlich auch was dazu zu sagen hat. Jetzt will der Gin-Tonic auf einmal mitreden oder der Gin-Tonic findet den neben dir an der Bar auch ganz nett. Das ist ja ein Schock für den normalen Konsumenten. "

Westhoff: " Ich liebe das, wenn im Kino gelacht wird, und ich konnte nur nen Film machen, so wie ich ihn selbst gern im Kino sehen würde. "

Ralf Westhoff lächelt. Er ist freundlich, strahlt gute Laune aus. Der 37-Jährige ist jungenhaft, schlank, etwa 1,90 groß. Unter der lässigen Kapuzenjacke blitzt ein korrektes weißes Hemd hervor.

Westhoff: " Ich bin da schwer auf der Komödien-Seite. (…) Dass das Ganze unterhaltsam ist, das ist mir wahnsinnig wichtig. Berliner Schule ist toll, aber ich kann's nicht. "

In Westhoffs erstem, langen Kinofilm "Shoppen" geht es um 18 Singles, die bei einem Speed-Dating die Liebe des Lebens suchen. Männer und Frauen sitzen sich in zwei Reihen in einer kahlen Turnhalle gegenüber. Jedes Paar hat fünf Minuten Zeit, dann wird der Partner gewechselt.

Filmszene: " Mann: Willst du mal Kinder?
Frau: Was?
Mann: Ob du mal Kinder haben möchtest.
Frau: Hältst du mich für dämlich? Jede Frau, die länger als ein Jahr allein ist, die antwortet auf so eine Frage selbstverständlich mit einem entrüsteten NEIN! Das lernt man schon mit der Zeit.
Mann: Gut. Das war also ein Ja. "

Für das Drehbuch hat Ralf Westhoff viel im Freundeskreis gesammelt, sagt er und schiebt schnell hinterher, dass er nie lange Single gewesen sei. Erstaunlich, denn die Typen in seinem Film beschreibt er treffend und authentisch. Der große Zoo der alleinstehenden Großstädter: Vom Macho über den Abzocker und den Korrekten bis hin zur Abgeklärten, Zicke und Naiven. Wie hat er selbst seine große Liebe gefunden?

" Also nicht beim Speed-Dating. (lacht) Während des Drehs. Aber Branchenfremd. "

Westhoff macht eine Handbewegung, die klar macht, dass er nicht mehr verraten will. Er lebt in München, wo er auch geboren wurde. Seine Eltern haben nicht-künstlerische Berufe, seine Schwester Angie ist Kinderbuchautorin. Sie fragt er beim Schreiben von Drehbüchern manchmal um Rat. Zum Film kam er über Umwege und erst mit 30 Jahren.

" Der Weg ist gar nicht so leicht! Ich hab BWL studiert - jeder macht mal Fehler. Ich hab dann auch relativ schnell gemerkt, dass das nicht gut zu mir passt. Und hab mich dann an verschiedenen Filmhochschulen beworben, die mich alle nicht wollten. Und dann hab ich als Journalist gearbeitet, hatte aber schwer im Hinterkopf: Moment, ich wollte Filme machen, es kann nicht sein, dass die das jetzt bestimmen. Und hab dann parallel zu meiner Arbeit angefangen, Kurzfilme zu machen. "

So freundlich Westhoff scheint, so durchsetzungsstark und stur ist er wohl, wenn man seinen Weg zum Film betrachtet. Seinen ersten Kurzfilm "Sonntag im September" drehte er ohne Kontakte oder Auftrag, ohne große Finanzierung.

" Ich hab's einfach gemacht. Ich habe Teile des Films mit der Super-8-Kamera gefilmt, mit Freunden, die den Ton gemacht haben. Mit anderen Freunden, die ihre Wohnung zur Verfügung gestellt haben, und mit ner Freundin damals, die ne Rolle gespielt hat. Das war so'n bisschen Friends-and Family-Veranstaltung. "

Der 11-Minuten-Streifen bekam das Prädikat "besonders wertvoll" und Fördergeld. Eine schöne Bestätigung, die ihn angetrieben habe, sagt Westhoff und strahlt. Zwei Kurzfilme folgten, bei denen er ebenfalls für Buch, Regie und Produktion verantwortlich war. Er mag es, künstlerische Freiheit und alle Fäden in der Hand zu haben.

Filmszene: " Hallo, ich heiße Falk. Ich suche die Liebe. Die einzig wahre Liebe. Deswegen bin ich hier."

Wie seine Helden in "Shoppen" glaubt auch Ralf Westhoff an die Liebe. Sie zu finden, ist nicht so einfach, wie er mit seinem Film zeigt. Vor allem das Anspruchsdenken sieht er kritisch, viele wollten sich einen Partner aussuchen, wie ein Kleidungsstück beim Einkaufen, sagt er. "Shoppen" eben. Und auch, wenn er mit seinem Film nicht gerade Werbung für Single-Veranstaltungen wie "Speed-Dating macht, will er sie auch nicht verdammen.

" Ich denke, wenn man die Liebe des Lebens trifft, ist es eigentlich egal, ob man sie an der Käsetheke, beim Zahnarzt oder beim Speed-Dating trifft. Es steht der Sache zumindest nicht entgegen."
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