Rachelust und Speed-Dating

Vorgestellt von Anke Leweke · 02.05.2007
Eine junge aufstrebende Pianistin, die von einer unkonzentrierten Jurorin aus dem Vortragsspiel gebracht wird, verdingt sich in "Das Mädchen, das die Seiten umblättert" undercover als Kindermädchen bei ihr. "Shoppen" beschreibt die Supermarktsituation des Speed-Datings, in der Menschen in fünf Minuten einen Liebespartner finden wollen.
"Das Mädchen, das die Seiten umblättert"
Frankreich 2006, Regie: Denis Dercourt, Hauptdarsteller: Catherine Frot, Deborah François, ab zwölf Jahren

Mit einem Vorspiel im wahrsten Sinne des Wortes beginnt "Das Mädchen, das die Seiten umblättert". Die kleine Mélanie nimmt an einem Klavierwettbewerb teil, eine der Jurorinnen ist die bekannte Pianistin Ariane Fouchécourt. Doch statt zuzuhören gibt die Meisterin während des Vorspielens ein Autogramm. Abgelenkt verhaspelt sich die ansonsten auftrumpfende Nachwuchspianistin.

Wenn die Kleine den Deckel des heimischen Klaviers zuschlägt, den Schlüssel rumdreht und die kleine Beethovenbüste für immer in die Schachtel packt, dann spricht aus ihren Zügen jene unheimliche Entschlossenheit, mit der die mittlerweile Erwachsene zum ersten Mal an der Tür des Anwalts Fouchécourt klingeln wird. Dort soll sie für eine Weile als Kindermädchen arbeiten.

Beunruhigt betrachten wir, wie mit Mélanie eine kaum zu greifende Drohung im Hause Fouchécourt einzieht. Was führt sie im Schilde, wenn sie mit dem Sprössling Tennis und Verstecken spielt, mit ihm im Pool planscht und sein Metronom schneller stellt? Wenn sie dem Klavierspiel der Mutter aufmerksam lauscht und plötzlich gekonnt die Notenseiten umblättert? Ist es Liebe, Bewunderung oder etwas ganz anderes, wenn sie Ariane plötzlich Avancen macht?

Solange Denis Dercourts Film in der Schwebe bleibt, hält er seine Spannung. Zwischen Liebes- und Rachegeschichte, Zärtlichkeit und Sadismus, Psychodrama und Genrefilm. Leider fehlt ihm der Mut, diese Offenheit bis zuletzt durchzuhalten. Um in einem musikalischen Bild zu bleiben: Es ist ein wenig schade, dass sich am Ende ein großer klarer Schlussakkord über alle Ambivalenzen und Zwischentöne dieses Films legt.

<im_38129>Shoppen (ACHTUNG NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_38129>"Shoppen"
Deutschland 2006, Regie: Ralf Westhoff, Hauptdarsteller: Sebastian Weber, Anna Böger, Felix Hellmann, ohne Altersbeschränkung

Es fallen Sätze wie"Ich suche die wahre Liebe" oder "Bist du gegen Katzen allergisch?". Dann sieht man ein sich streitendes Paar auf der Straße. Schon springt die Kamera zur nächsten Person, zu einer jungen Frau, die in einem unglaublichen Redeanfall einen gut aussehenden Typen auf der Straße anspricht. Miniszene folgt auf Miniszene – im Eiltempo stellt uns Ralf Westhoff neun Frauen und neun Männer vor, die sich wenig später bei einem so genannten Speed-Dating treffen werden. In einem weißen Raum sitzen sie sich gegenüber und haben fünf Minuten Zeit, sich selbst vorzustellen. Ist die Zeit abgelaufen, folgt ein Pfiff und die Besetzungen wechseln.

Auch während des Speed-Datings kehrt keine Ruhe in den Film ein. Nie bleibt die Kamera länger als 20, 30 Sekunden bei einer Person. Nie zeigt der Film, wie lang Minuten sein können, wenn man sich nichts zu sagen hat. Oder wie schnell, wenn man sich wirklich näher kommt. Stattdessen will er furchtbar originell sein. Doch spürt man jedem Satz seine Drehbuchherkunft an, jeder Figur ihre Schablonenhaftigkeit: Öko-Spießer, Sex-Besessene, Krawallschachtel, Esoterikerin, Plaudertasche – sie alle interessieren nicht wirklich. Und der Titel "Shoppen" , der hier eigentlich die Supermarktsituation des Speed-Datings umschreibt, wird nicht weiter veranschaulicht.
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