Volker G. Heinz: "Der Preis der Freiheit"

Ein Fluchthelfer erzählt seine Geschichte

Historisches Schwarzweißfoto eines Autos, das an einem Kontrollpunkt von Polizisten umringt steht.
Im Kofferraum eines weißen Mercedes transportierte Volker G. Heinz von 1965 bis 1966 regelmäßig DDR-Flüchtlinge über den Checkpoint Charlie nach Westberlin. © Volker G. Heinz
Volker G. Heinz im Gespräch mit Ernst Rommeney · 20.08.2016
Er holte 66 DDR-Bürger über die Grenze nach West-Berlin und saß dafür in Ost-Berlin in Haft. Nach 50 Jahren erinnert sich Volker G. Heinz an seine Zeit als Fluchthelfer, die ihn bis heute nicht loslässt.
Er selbst beschreibt sich, den westdeutschen Jurastudenten, als Idealisten und Abenteurer. In Wuppertal aufgewachsen, hatte der 22-Jährige gerade zwischen Studienaufenthalten in Heidelberg und Bonn zwei Semester in Berlin an der Freien Universität belegt, als er zufällig in Fluchthelferszene geriet.
Dort führte er sich mit einer neuen Idee ein. Denn die damals spektakulären Tunnelbauprojekte waren aufwendig und zunehmend riskanter geworden. Ein syrischer Diplomat, der in Ost-Berlin akkreditiert war, wurde von West-Berlin aus angeworben und standesgemäß mit einem weißen, aber unauffällig umgebauten Mercedes ausgestattet.
Zwei Jahre lang (1965-1966) transportierte er Flüchtlinge unkontrolliert im Kofferraum über die alliierte Grenzkontrollstelle Checkpoint Charly. Und Volker G. Heinz betreute als westdeutscher Tagesbesucher eine jede Fluchtaktion an Ostberliner Treffpunkten. Doch die misstrauische Staatsicherheit ließ ein- und ausreisende Diplomatenautos in Serie optisch vermessen. So schöpfte sie eines Tages Verdacht, observierte – und stellte eine Falle.

Der Fall Heinz wird zum Politikum

Der Student wurde verhaftet und zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er fortgesetzt Personen zum illegalen Verlassen der DDR verleitet habe. Dass er so hoch bestraft und gleich danach gegen zwei Spione ausgetauscht wurde, war ungewöhnlich.
Cover - Volker G. Heinz: "Der Preis der Freiheit"
Cover - Volker G. Heinz: "Der Preis der Freiheit" © Rowohlt Verlag
Sein Fall galt nämlich als lukratives Politikum. Und dafür hatte er selbst gesorgt, indem er sich über seine Studentenverbindung vorausschauend prominente Fürsprecher aussuchte, die ihm im Notfall helfen sollten. So wurde er Teil eines anderen geheimen und langjährigen Geschäftes, bei dem die DDR von der Bundesrepublik viel Geld erhielt, damit sie politische Gefangene in den Westen ausreisen ließ.
Volker G. Heinz war ehrenamtlich engagiert und doch beschäftigten ihnen Skrupel ob der kommerziellen Seite der privaten Fluchthilfe. Flüchtlinge oder ihre Unterstützer hatten vorab hohe Summen zu zahlen.

Die konspirative Tätigkeit machte einsam

Mehr noch aber belastete ihn der psychische Druck. Die konspirative Tätigkeit machte einsam in der Familie und unter Freunden. Obschon auch er Angst hatte während der Fluchtoperationen, musste er stets souverän auftreten.
Ähnlich setzte ihm Isolation und Langeweile in der Untersuchungshaft zu. Mit sportlichem Fitness und mentalem Zeitvertreib versuchte er, depressive Stimmungen auszugleichen, um ja nicht durch Verhöre und Gefängnisalltag zum gebrochenen Menschen zu werden.
Obschon er privilegiert aus der Sache herausgekommen ist, hat die Fluchthilfe bei ihm Spuren hinterlassen. Selbst als erfahrener Rechtsanwalt in Berlin und London kehrte er später nur mit unguten Gefühlen als Besucher ins Berliner Gerichtsgebäude oder in die Haftanstalt Hohenschönhausen zurück. Und doch sah er sich nie gezwungen, seine Entscheidung für das Helfen und den Preis dafür zu bereuen.

Volker G. Heinz: Der Preis der Freiheit. Eine Geschichte über Fluchthilfe, Gefangenschaft und die geheimen Geschäfte zwischen Ost und West
Rowohlt Verlag Reinbek, August 2016
240 Seiten, 9,99 Euro, auch als E-Book

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