Vivaldi Oratorium in Breslau

Antonini lässt Judith triumphieren

Giovanni Antonini dirigiert das Ensemble Il Giardino Armonico im Nationalen Musikforum Wrocław beim Festival Wratislavia Cantans.
Intendant in Aktion: Giovanni Antonini leitet Vivaldis Oratorium im NFM Wrocław © Joanna Stoga/NFM
Moderation: Volker Michael · 19.10.2019
Das einzig erhaltene Oratorium Antonio Vivaldis "Juditha Triumphans" gab es bei Wratislavia Cantans im polnischen Breslau. Festivalleiter Giovanni Antonini führte es mit tollen Solistinnen, seinem Orchester Giardino Armonico und dem Chor des NMF auf.
Sein Oratorium aus dem Jahr 1716 konzipierte Antonio Vivaldi mit seinem Librettisten Giacomo Cassetti als eine Parabel auf die politischen Verhältnisse der Entstehungszeit - es ist ein militärisches Oratorium, denn die Republik Venedig lag im Krieg mit dem Osmanischen Reich - es ging wieder einmal um die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer.

Rein weibliches Vokalcast

Um so mehr verwundert es, dass sämtliche Figuren in diesem geistlichen Theater von Frauenstimmen verkörpert werden. Vivaldi komponierte es für sein "Ospedale della pietà", das Mädchenheim, in dem er als Musikdirektor tätig war. Dieses Werk Vivaldis klingt über größere Strecken wie eines von Georg Friedrich Händel - kein Wunder, denn das Genre des repräsentativen Oratoriums ist ja ein Markenzeichen des Hallenser Engländers gewesen, der seine Lehrjahre im stilprägenden Italien verbracht hatte.
Giovanni Antonini dirigiert das Ensemble Giardino Harmonico und den Chor des NFM im Nationalen Musikforum Wrocław beim Festival Wratislavia Cantans.
Giovanni Antonini dirigiert das Ensemble Giardino Harmonico und den Chor des NFM im Nationalen Musikforum Wrocław beim Festival Wratislavia Cantans.© Joanna Stoga/NFM
Erstaunlicherweise erinnert Vivaldis Musik bisweilen aber auch an Mozart, zum Beispiel in der Arie der Judith "Veni, veni me sequere" im ersten Teil. Denn eine Chalemeau, die Frühform der Klarinette, begleitet und umspielt hier den Gesangspart auf deutlich frühklassische Weise. Und fast ein bisschen Chopin steckt auch schon in Vivaldis Oratorium! Denn der Chor der Assyrer singt "O quam vaga" im zweiten Teil mit einem Rhythmus, der an eine Mazurka erinert.

Polnisch-sächsische Einflüsse

Vivaldi scheint unter deutlich sächsischem Einfluss gestanden zu haben - denn die Musiker der Hofkapelle Augusts des Starken, der ja auch König von Polen war, kamen regelmäßig in die Musikstadt Venedig, nicht nur um dort zu lernen, sondern auch interessante Neuerungen weiterzugeben, eben die polnische Musik und auch neue Instrumente wie die Klarinette. So steckt die "Triumphierende Judith" voller Überraschungen.
Mit seinem Spezial-Ensemble Il Giardino Armonico hat sich der Flötist und Dirigent Giovanni Antonini international einen guten Namen gemacht. Speziell die Aufführung von Opern und Oratorien des Spätbarock und der Klassik gehören zum Kerngebiet seiner Tätigkeit. Seit sechs Jahren leitet er mit großem Erfolg das Breslauer Festival Wratislavia Cantans, das in diesem Jahr unter dem Motto "Süden" stand.
Wratislavia Cantans
Nationales Musikforum Wrocław (Breslau)
Aufzeichnung vom 13. September 2019
Antonio Vivaldi
"Juditha Triumphans", Oratorium RV 644
Libretto: Iacopo Cassetti

Juditha - Sonia Prina, Alt
Vaguas - Julia Lezhneva, Sopran
Holofernes - Mary Ellen Nesi, Mezzosopran
Abra - Raffaella Milanesi, Sopran
Ozias - Francesca Ascioti, Alt
Chor des Nationalen Musikforums
Il Giardino Armonico
Leitung: Giovanni Antonini

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