Vitra Design Museum: neues Schaudepot

Das Lagerhaus am roten Platz

Das neue Schaudepot vor blauem Himmel
Ein schönes Lagerhaus, mehr will es gar nicht sein, sagt der Architekt Jacques Herzog. © Vitra Design Museum / Foto: Mark Niedermann
Von Johannes Halder · 02.06.2016
Der Vitra Campus in Weil am Rhein ist mit architektonischen Attraktionen prominenter Baumeister bestückt. Jetzt wird auf dem Gelände ein neues Gebäude eröffnet, das sogenannte Schaudepot. Entworfen haben es die Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron.
Mitarbeiter sprechen scherzhaft vom "Roten Platz". Gemeint ist eine ziegelrot gepflasterte Fläche im hinteren Teil des Vitra-Werksgeländes, die man über ein paar umlaufende Treppenstufen erreicht. Darauf erhebt sich wie auf einer Bühne ein monolithischer Baukörper von spektakulärer Schlichtheit: zehn Meter hoch, 36 Meter lang, gedeckt von einem flachen Satteldach.

Ein schönes Lagerhaus

Die fensterlose Fassade mit dem zentralen Eingang besteht aus denselben roten Ziegeln wie der Platz. Doch hier sind die Klinkersteine gebrochen, sodass die Wandflächen eine raue, lebendige Textur erhalten. Trotzdem: Ein hermetischer Kasten, keine auftrumpfende Ikone, aber effektvoll inszeniert. Ein schönes Lagerhaus, mehr will es gar nicht sein, sagt der Architekt Jacques Herzog:
"Wir verwenden die Form immer wieder, weil sie halt immer noch funktioniert schon seit Jahrhunderten oder seit Jahrtausenden, und zugleich sehr prägnant und zugleich auch sehr zurückhaltend ist. Und hier hat's ja nur eine Tür darin, wo man rein und raus geht, wo diese Einfachheit unterstützt wird. Und dafür diesen Backstein, der dann plötzlich das irgendwie veredelt, aber nicht im Sinn von nobel, sondern im Sinn von Beziehung zwischen dem Besuch oder der Benutzerin und dem Gebäude."
Für Museumschef Mateo Kries jedenfalls erfüllt der Bau seinen Zweck auf ideale Weise.
"Als wir gegründet wurden, hatten wir einige hundert Objekte, mittlerweile sind das über 7000 Möbel, und wir hatten bisher nie einen Ort, wo wir die Sammlung zeigen konnten. Das Schaudepot ist jetzt dieser Ort."

Pure Funktionalität

Auch im Inneren besticht der Bau durch pure Funktionalität. Ein regelmäßiges Raster von Leuchtstoffröhren an der Decke belichtet eine 900 Quadratmeter große Halle.
"In dieser Halle stehen hohe, dreistöckige graue Regale. Das ist eine klassische Depotarchitektur, und in diesen Regalen stehen dann auf drei Etagen die ausgewählten Stücke. Man bewegt sich chronologisch durch diese Regalreihen hindurch und man sieht also von den ersten Bugholzmöbeln des 19. Jahrhunderts über die Stahlrohrfreischwinger der 20er-Jahre über bunte Kunststoffmöbel der 60er-, 70er-Jahre bis hin zu 3D-gedruckten heutigen Objekten einfach einen großen Überblick über das, was Möbeldesigner gemacht haben."
Rund 400 Stücke sind das. Ein großes Innenfenster öffnet den Blick in das Untergeschoss. Dort lagert die eigentliche Sammlung, deren Abteilungen man jeweils nur durch eine Art Schaufenster betrachten kann.
"Wenn Sie dort in die Sammlungsreihen hingucken, da sehen Sie, wie ein Museumsdopt wirklich hinter den Kulissen aussieht. Da sind die Stücke dann noch viel dichter gestellt, auch wieder in drei Stockwerken, und dort sehen Sie – dadurch, dass sich das Ganze thematisch sortiert – zum Beispiel, wie viele in einer Periode in den sechziger Jahren in Italien entstanden sind. Und diese Intensität, und die Gleichzeitigkeit auch von neuen Entwicklungen, das vermittelt eigentlich so ein Blick in ein Depot besser fast, als es jede Ausstellung tun kann."
Eine kleine Fläche im Schauraum ist übrigens reserviert für Wechselausstellungen.
"Wir beginnen mit einer Ausstellung über die Möbel des Radical Design. Das war eine Bewegung im Italien der 60er-Jahre. Das haben wir ausgewählt, weil diese Möbel sehr skulptural, sehr imposant sind, und wir wollten also zum Auftakt des Schaudepots hier eine sehr bildstarke kleine Ausstellung machen. Also da wollen wir die Vielfalt zeigen, um das Schaudepot auch wirklich zu einem Ort zu machen, der sich verändert."

Ausstellungsfläche um das Doppelte erweitert

Mit dem Schaudepot hat sich die Ausstellungsfläche des Vitra Design Museums nun von einem Tag auf den anderen um das Doppelte erweitert. Und nach und nach soll die komplette Möbelsammlung auch im Internet zugänglich sein. Ab morgen schon kann man sich durch einen Teil der Bestände klicken.
"Der Besucher kann über einen Hotspot eine Website aufrufen. Er kann diese Website aber auch von außen aufrufen, und kann dort die 400 Stücke, die im Schaudepot gezeigt werden, anklicken, und kriegt dort ausführliche Texte, Fotografien, Designer-Biografien, und erfährt also die Hintergründe zu den Stücken im Schaudepot."
Das Erlebnis vor Ort freilich kann die Internet-Recherche nicht ersetzen. Rund 350.000 Gäste aus aller Welt haben im letzten Jahr den Vitra Campus besucht. Und in Zukunft werden es mit Sicherheit viel mehr werden.
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