Ausstellung in Weil am Rhein

Afrikanische Architektur der Unabhängigkeit

Die Kathedrale "Unserer Lieben Frau des Friedens" in Yamoussoukro an der Elfenbeinküste
Nicht der Petersdom im Rom, sondern die Basilika de Notre Dame de la Paix in Yamoussoukro, Hauptstadt der Elfenbeinkünste. © dpa / picture alliance / Kultur
Von Johannes Halder · 22.02.2015
Anfang der 60er-Jahre erlebte die Architektur in Afrika einen Boom. Viele Staaten wurden unabhängig und das neue politische Selbstverständnis zeigte sich auch in pompösen Bauten. Diese "Architektur der Unabhängigkeit" ist jetzt im Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein zu sehen.
Yamoussoukro, die Hauptstadt der Elfenbeinkünste in Westafrika. Zwölfspurige Autostraßen führen vorbei an protzigen Regierungsgebäuden; der Gründungspräsident, der hier geboren ist, hatte es so gewollt. Auch die größte Kirche der Welt steht hier in der Savanne, dem Petersdom im Rom nachempfunden. Alles scheint hier eine Nummer zu groß, denn der urbane Puls des Landes schlägt 250 km südlich in der Hafenstadt Abidjan, dem eigentlichen Zentrum des Landes, das von Bürgerkriegen und Rebellionen zerrissen und dessen Elite korrupt bis auf die Knochen ist.
1960 wurde die Elfenbeinküste unabhängig, und noch heute zeugen architektonische Monumente vom Größenwahn und Optimismus, vom Überschwang und Stolz der goldenen sechziger Jahre. Damals lösten sich mehr als ein Dutzend Staaten südlich der Sahara von ihren Kolonisatoren, sagt der Architekt Manuel Herz.
"Es herrschte natürlich auch ein Bedarf, diese Staaten aufzubauen, d.h. die Institutionen zu schaffen für diese Staaten: neue Ministerien, neue Regierungsgebäude, neue nationale Museen, neue Konferenzgebäude, Flughäfen etc. Und auch diesen hoffnungsvollen Geist in eine Architektur umzusetzen."
Bauten auf Augenhöhe mit dem Westen
Zukunftweisend und modern, auf Augenhöhe mit dem Westen sollten diese Bauten sein, und die Schau hat fünf der jungen Staaten, nämlich Kenia, die Elfenbeinküste, Sambia, Ghana und den Senegal herausgegriffen, um die These zu illustrieren, dass sich an der Architektur die Widersprüchlichkeiten dieses Unabhängigkeitsprozesses ablesen lassen.
"Beispielsweise sind die Architekten, die diese Bauten entworfen haben, selten aus den Ländern gekommen, in denen sie erbaut wurden. Sie kamen auch beispielsweise aus den ehemaligen Kolonialmächten. Deshalb stellt sich auch die Frage, ob dieses Entwickeln einer neuen nationalen Identität auch eine Projektion teilweise von außen war."
Tatsächlich standen Architekten aus Skandinavien, aus dem Ostblock, aber auch aus Israel vor der Aufgabe, eine dem tropischen Klima angepasste Formensprache zu entwickeln.

"Aus diesen klimatischen Bedingungen ist eine sehr expressive Architektur entstanden. Die Fassaden sind häufig dreidimensional, Sonnenschutzelemente sind gestalterisch sehr bewusst eingesetzt. Es entstehen Gebäude, die ein sehr durchlässiges Kontinuum zwischen innen und außen erzeugen. Es entstehen Gebäude, die wunderschön mit der Ausdruckskraft von Materialität umgehen und die in dieser Qualität eigentlich einzigartig sind auf der Welt in dieser Zeit."
Ziegelbauten wie sonst nirgendwo in Afrika
Regional ist diese Architektur sehr verschieden ausgeprägt. In Sambia beispielsweise gibt es Ziegelbauten wie sonst nirgendwo in Afrika, kenianische Fassaden wirken durch gitterartige Strukturen oftmals transparent und leicht. Und manche Bauten sind regelrechte Manifeste. Über dem Unabhängigkeitsplatz der ghanaischen Hauptstadt Accra (neben dem "Platz des Himmlischen Friedens" in Peking übrigens der zweitgrößte städtische Platz der Welt) spannt sich ein gewaltiger Bogen aus Beton triumphal und hoffnungsvoll in den Himmel. Doch der klotzige Beton bröckelt, es herrscht Einsturzgefahr. Gemeinsam aber ist dieser Architektursprache eines:

"Sie ist eingebettet in ein politisches Projekt und sie trägt mit dazu bei, diesen Unabhängigkeitsprozess zu fördern und physisch umzusetzen. Das macht sie brisant."

Brisant insofern, als sich die Verheißungen dieser Bauwerke oftmals nicht erfüllten. Es wurden Fehlentwicklungen programmiert und Mentalitäten ignoriert, Geldflüsse versickerten, Infrastrukturen verkümmerten, fragile Staatsgebilde scheiterten. Architektur in politischer Mission ist niemals unschuldig, sie ist Träger einer Ideologie, so oder so.

In den 70er-Jahren rutschte fast ganz Afrika in eine Krise, von der sich der Kontinent bis heute nicht erholt hat. Eine "kostbare Konstellation" nennt Manuel Herz die Zeit um 1960, und die Schau bietet neben einer Menge Lehrstoff auch einen Schimmer Hoffnung. Architektur in Afrika, sagt Herz, das ist noch immer eine Chance.

"Afrika war nie eine Einbahnstraße. Im Gegenteil. Afrika war eigentlich ein Feld im Guten wie im Schlechten, wo man Sachen ausprobiert hat. Und auch heute ist Afrika in gewisser Weise ein Experimentierfeld für neue Technologien, für Konstruktionsweisen. Und das mit einer gewissen Verantwortung zu machen, ist extrem wichtig."
Die Ausstellung "Architektur der Unabhängigkeit - Afrikanische Moderne" ist noch bis zum 31. Mai im Vitra-Design-Museum im Weil am Rhein zu sehen.
Mehr zum Thema