Virtuelles Reisen

Der Programmierer als Reiseführer

Ein Mann trägt die Datenbrille Oculus Rift
Ein Mann trägt die Datenbrille Oculus Rift © picture alliance / dpa / Sergey Galyonkin
Von Azadê Peşmen  · 06.07.2016
Wer verreisen möchte, nimmt üblicherweise ein Flugzeug oder fährt mit dem Zug oder der Bahn. Das wird bald vielleicht nicht mehr nötig sein: Dann genügt es, eine Virtual-Reality-Brille aufzusetzen. Azadê Peşmen hat es ausprobiert.
Eine schwindelerregende Höhe von über 700 Metern. Der Blick reicht über die ganze Stadt: Graue Betonlandschaften wechseln sich mit Grünflächen ab. Und natürlich: Die Copa Cabana. Ich bin in Rio de Janeiro und stehe vor der Christus-Statue auf dem Berg Corcovado.
Na gut, die Musik habe ich aus den Archiven, die Virtual-Reality-Brille, die ich mir aufgesetzt habe, hat gar keinen Ton. Dafür aber echte Bilder, die mich nach Brasilien versetzen. Die Bilder sehen so echt aus, dass man das Gefühl hat, man steht wirklich auf der Aussichtsplattform und blickt auf die Stadt herunter.

Mit Virtual Reality das Reiseziel vorab erkunden

Noch stecken die Virtual-Reality-Brillen in den Kinderschuhen, aber darauf verzichten können Reisebüros in der Zukunft nicht, meint Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitkom, dem Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien:
"Virtual Reality erlebt gerade einen unglaublichen Boom, wird technologisch sehr einfach gemacht in Zukunft und wird es uns ermöglichen, reale Reiseziele vorab virtuell zu erkunden, möglicherweise das Zimmer schon mal anzusehen, in das wir gerne einziehen würden auf unserer Reise und vorher zu checken, ob es unseren Erwartungen entspricht oder eben auch eine reale Reise durch eine virtuelle Reise zu ersetzen."
Das wird laut einer Studie, die der Branchenverband in Auftrag gegeben hat, in Zukunft zur Regel. Demnach meinen 64 Prozent der befragten Touristik-Manager, dass in den kommenden Jahren die virtuelle die tatsächliche Reise ablösen wird. Dass die Urlauber künftig zuerst ihr Reiseziel mit der Virtual-Reality-Brille besuchen werden, dessen sind sich drei Viertel der Unternehmer sicher.
Wobei die Virtual-Reality-Brille gar keine richtige Brille ist. Sie sieht eher aus wie ein schwarzer, rechteckiger Kasten, man setzt sie auf und wählt zwischen einem Tauchurlaub in Ägypten oder einem Städtetrip nach New York aus. Olympia Rambowska steht beratend zur Seite, sie arbeitet in einem Reisebüro, in dem schon einige Kunden ihre virtuelle Reise angetreten haben. In der Zukunft werden die Virtual Reality noch authentischere Bilder bieten, verspricht sie:
"Da hat man zum Beispiel das Gefühl, dass man bei einem Hundeschlittenrennen teilnimmt. Da hat man wirklich, sieht man die Hunde an einem vorbeilaufen, in der nächsten Szene ist man quasi auf dem Schlitten drauf und dann hört man die Hunde bellen und die Luft, die an einem vorbeirauscht, also das sind dann schon, bisschen anderes feeling."

Virtuelle Realitäten verändern unsere Wahrnehmung

Das Bild, das Virtual-Reality-Brillen von den Urlaubsorten vermitteln, unterscheidet sich nicht grundsätzlich von den Hochglanz-Bildern im Reisekatalog, die auch einen ganz bestimmtes Postkarten-Motiv illustrieren: das Paradies schlechthin.
So verkauft sich auch die brasilianische Stadt Rio de Janeiro. Aber auf den Bildern der Virtual-Reality-Brille sind relativ wenige Menschen zu sehen. Als ich selbst - nicht per Virtual Reality, sondern klassisch mit dem Flugzeug - nach Brasilien gereist bin und vor der Christus-Statue stand, war es um einiges voller. Dicht an dicht gedrängte Touristen aus aller Welt, die versuchten einen Schnappschuss aus der bestmöglichsten Perspektive zu ergattern. Virtuelle Realität zeigt nicht nur eine bestimmte Seite eines Urlaubsortes, sondern kann auch unsere Wahrnehmung verändern, wie der Philosoph Dr. Michael Madary von der Universität Mainz feststellt:
"Ein deutliches Ergebnis sozialpsychologischer Studien ist, dass wir sehr stark von unserer Umgebung beeinflusst werden können. In der virtuellen Welt wird die gesamte Umgebung von demjenigen festgelegt, der sie zur Verfügung stellt. Das kann ein Unternehmen sein, eine Regierung. Jemand mit politischen Interessen, eine religiöse Institution. Man kann sich alle möglichen Institutionen vorstellen, die virtuelle Welten bieten mit dem Ziel, das Verhalten der Menschen zu manipulieren."
Die Verantwortung, wie wir mit der virtuellen Realität unsere potenziellen Urlaubsorte wahrnehmen, liegt also bei den Programmierern, die diese Bilder erstellen und weiterentwickeln.
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