Viele Feinde

Von Sabine Matthay |
Kandahar in Südafghanistan ist die zweitgrößte Stadt des Landes und Hauptstadt der gleichnamigen Unruheprovinz in Afghanistan. Der Bürgermeister will sich in seinem Kampf gegen Kriminalität und Korruption nicht einschüchtern lassen.
Nur eine afghanische Flagge schmückt das enge, dunkle Büro von Ghulam Haider Hamidi, die übliche Prachtentfaltung afghanischer Honoratioren ist dem Bürgermeister von Kandahar fremd. Die Bescheidenheit ist Programm: Er führe, sagt der energische ältere Herr, Krieg gegen die Korruption in der südafghanischen Stadt. Vom Jihad spricht er, aber ein Taliban ist der gelernte Buchhalter ganz gewiss nicht:

"Zwei Feinde hat die Stadtverwaltung von Kandahar. Da sind einmal die Taliban, Al Quaida, aus Pakistan, aus Iran, aus anderen Ländern. Aber der andere Feind ist gefährlicher: Das sind die Kriegsfürsten, die Drogenhändler, die Korrupten in der Stadt."

Einflussreiche Persönlichkeiten, die sich widerrechtlich öffentliche Grundstücke angeeignet hätten, die keine Steuern und Abgaben zahlten.

Ahmad Wali Karzai, den Halbbruder des Präsidenten, der hier in Kandahar die Strippen zieht, nennt der Bürgermeister nicht. Hamidi ist mit den Karzais befreundet. Und gerade er, der Kämpfer gegen die Korruption, braucht mächtige Freunde.

Präsident Karzai persönlich trug dem Spross einer Adelsfamilie vor vier Jahren das Amt des Bürgermeisters seiner Heimatstadt an. Eigentlich hatte Hamidi es sich mit seiner Familie längst in den USA eingerichtet.

Einfach sei die Rückkehr nicht gewesen, sagt der 65-jährige. Aber auch:

"Ich habe Veränderungen bewirkt und darüber bin ich glücklich."

Zum Beispiel darüber, dass er die Stadtkasse von nicht mal drei Millionen Afghani, knapp 50.000 Euro, auf mehr als 650 Millionen aufgestockt hat. Steuern, Gebühren, Einnahmen aus Landverkäufen, die er mit beharrlichen Mahnungen und konsequentem Durchgreifen eingetrieben hat.

So gut geht es der Stadt, dass Hamidi kürzlich 50.000 US Dollar für das Tsunami-gebeutelte Japan aus dem städtischen Guthaben gespendet hat. Doch es bleiben gewaltige Schwierigkeiten:

"Strom ist ein großes Problem. Straßen, Kanalisation – das ist teuer. Und Trinkwasser."

So gern Bürgermeister Hamidi Kandahar auf eigene Füße stellen will – die Stadt bleibt vorerst auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Vor allem die Amerikaner pumpen Millionen Dollar in die ganze Provinz, um den Aufständischen auch mit "good governance", also mit einer fairen, kompetenten Verwaltung die Kontrolle über ihre Hochburg abzunehmen.

Ghulam Hamidi sei ehrlich und effektiv, bestätigen westliche Militärs und Aufbauhelfer in Kandahar. Man brauche mehr Männer wie ihn. Doch es mangelt dem Bürgermeister an qualifizierten Mitarbeitern. Ständig werden öffentliche Bedienstete eingeschüchtert, um den Aufbau Kandahars zu torpedieren. Wer sich nicht einschüchtern lässt, auf den werden Attentate verübt. Gerade erst hat ein Selbstmordattentäter den Polizeichef der Provinz mit in den Tod gerissen.

Ghulam Hamidi selbst fürchtet weniger die militanten Islamisten als die eigenen Polizisten:

"Die Polizei will mich töten, vermutlich im Auftrag krimineller Elemente", davon ist er schon lange überzeugt. Polizisten gelten als käuflich; dass die Aufständischen die Sicherheitskräfte nun offenbar infiltrieren, mehrt den Unsicherheitsfaktor.

Zwei Stellvertreter Hamidis wurden im letzten Jahr ermordet. Er selbst hat mehrere Anschlagsversuche überlebt. Inzwischen hat der Bürgermeister einen kugelsicheren Wagen und Personenschützer. Den Optimismus aber hat er sich dennoch bewahrt und auch die Hartnäckigkeit:

"Ich lebe und will für meine Heimat zu arbeiten. Ich bin jetzt", davon ist der Bürgermeister von Kandahar trotz aller Widrigkeiten überzeugt, "in der Siegerposition."
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