Viel zu teuer

Von Peter Kujath · 26.10.2011
Bis zur Aufnahme von Nord- und Südkorea in die Vereinten Nationen 1991 gab es keinerlei Kontakte zwischen den verfeindeten Brüdern. Heute immerhin existieren ein Nichtangriffspakt zwischen den Staaten. Dennoch fühlt sich Südkorea angesichts dessen Hochrüstung leicht verwundbar.
"Ich hoffe schon, dass es irgendwann eine Wiedervereinigung zwischen Nord- und Südkorea geben wird. Aber die Zeit dafür ist noch nicht reif. Nordkorea muss sich erst weiterentwickeln – wirtschaftlich und politisch."

Wer in Seoul, der südkoreanischen Hauptstadt, die Menschen auf der Straße auf das Thema Wiedervereinigung anspricht, der wird in der Regel eine ähnliche Reaktion erhalten. Das Thema Wiedervereinigung ist in Südkorea auch nach mehr als einem halben Jahrhundert der Trennung präsent.

"Die DMZ ist ein Gebiet, in dem Waffen verboten sind. Aber die DMZ ist voller Landminen. Von der militärischen Demarkationslinie aus, die die beiden Nationen trennt, ist sie jeweils zwei Kilometer breit, insgesamt also vier Kilometer. Das ist die DMZ","
erklärt die Reiseleiterin Kim ihrer Gruppe im Bus auf dem Weg zur DMZ, zur demilitarisierten Zone.

Die DMZ teilt entlang des 38. Breitengrads die koreanische Halbinsel in zwei Hälfen. Von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul sind es nur rund 60 Kilometer bis zur Grenze. Nach dem Korea-Krieg wurden die Vororte von Seoul immer wieder mit Granaten aus dem Norden beschossen.

""Können Sie die weiß angestrichene Brücke sehen? Das sieht aus wie eine Brücke, aber es ist keine – sondern eine Panzerfalle. Diese Straße verbindet Nordkorea und Seoul. Nur für den Fall, dass wieder ein Krieg ausbricht, können wir diese Brücke in die Luft jagen, so dass die Zement-Quader herab fallen und die Straße blockieren."

Checkpoints, vorherige Anmeldungen, klare Regeln, was fotografiert werden darf und was nicht. Dieser vier Kilometer breite Streifen erinnert an die Zeit des Kalten Krieges. Einer der Höhepunkte der Tour ist der Besuch im incursion-tunnel, einem der vier mittlerweile bekannten Tunnels, die nordkoreanische Soldaten unter der DMZ hindurch gegraben haben. Auf diese Weise sollten möglichst schnell, möglichst viele Soldaten hinter die feindlichen Linien transportiert werden.

In 73 Meter Tiefe wurde dieser Einfallstunnel durch harten Granit gesprengt. Er ist 1,7 Kilometer lang und zwei mal zwei Meter breit.

"107 Meter von hier ist die militärische Demarkationslinie. Das heißt: 107 Meter entfernt von hier beginnt das nordkoreanische Territorium. Von hier aus kann man unsere dritte Blockade sehen. Für den Fall, dass Nordkorea wieder in Südkorea einfallen will, haben wir drei Blockaden in dem Tunnel errichtet und dazwischen alles mit Bomben voll gestopft. So können wir 'für den Fall dass' den Tunnel sprengen."

Wieder an der Oberfläche überblickt man von einem Observatorium aus einen Teil der DMZ, der zumindest auf südkoreanischer Seite dicht bewachsen ist. Ähnlich wie an der innerdeutschen Grenze konnte sich hier in der demilitarisierten Zone zwischen den beiden Koreas ungestört die Fauna und Flora entwickeln.

"Über die letzten 55 Jahre konnte keiner dort hinein gehen. Deshalb ist die Natur in der DMZ gut erhalten. Von Beobachtungsposten aus kann man diese ökologische Oase gut sehen."

Noch gibt es keinerlei Anzeichen, dass diese mit Stacheldraht, Minenfeldern und zahlreichen Verteidigungslinien versehene Grenze einmal fallen könnte. Aber wie viele in Südkorea ist auch die Reiseführerin Kim optimistisch, dass es irgendwann zu einer Wiedervereinigung kommen könnte.

"Wir haben das gleiche Aussehen und die gleiche Sprache, aber es gibt eine Menge Unterschiede wie zum Beispiel die Wirtschaft. Da ist schon eine große Kluft."

Nach Berechnungen der Credit Suisse oder der Weltbank belaufen sich die Kosten einer Wiedervereinigung für den Süden auf das eineinhalb bis dreifache des Bruttoinlandseinkommens von Südkorea. Das sei zuviel, finden viele im Land.
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