Nordkorea von unten

Korbinian Frenzel im Gespräch mit Marcus Pindur · 05.04.2011
Wie in Watte gepackt, fühlte sich der Journalist Korbinian Frenzel bei einem Besuch in Nordkorea. Er war Teilnehmer einer Delegation des Deutschen Fußballbundes, die vor der Frauenfußball-WM alle Teilnehmerländer besucht. Immerhin: Er durfte einmal U-Bahn fahren.
Marcus Pindur: Deutschlandradio Kultur – Sie hören die Ortszeit mit dem internationalen Pressegespräch. Der Deutsche Fußballbund besucht alle Länder, die an der Frauenfußball-WM dieses Jahr teilnehmen werden, als eine Geste der Höflichkeit. Das ist soweit unspektakulär. Eines dieser Länder aber ist Nordkorea. Da kommen normalerweise westliche Journalisten nicht rein.

Unser Kollege Korbinian Frenzel war mit dieser Delegation in Nordkorea, und ich begrüße ihn jetzt recht herzlich zum internationalen Pressegespräch. Es gibt ja in Nordkorea keine freien Medien – was nimmt man denn dann als Eindruck mit aus einem so hermetisch abgeriegelten Land?

Korbinian Frenzel: Ja, Marcus Pindur, der erste Eindruck war erst mal viel entspannter, als wir das uns eigentlich gedacht haben. Wir waren vorbereitet worden von der Botschaft, dass wir direkt am Flughafen schwer kontrolliert werden würden, dass man gucken würde, ob wir Printprodukte mit einführen wollten über Nordkorea – die wären uns abgenommen worden genauso wie die Handys.

Dann war es aber erst mal ganz anders: Wir wurden sehr freundlich empfangen, wir kamen direkt in einen Bus, sind am Flughafengebäude vorbeigefahren, ohne Kontrollen, direkt in die Stadt, in die Hauptstadt Pjöngjang. Und langsam dämmerte uns dann, dass es offenbar eine andere Strategie gab, denn wir wurden die ganze Zeit in eine Art Kokon gepackt. Wir waren also bewattet, behütet und haben ein freundliches Nordkorea präsentiert bekommen.

Wir wurden auch begleitet von Damen und Herren, die von der deutsch-koreanischen Freundschaftsgesellschaft waren, so wurden sie uns vorgestellt, die auch zum großen Teil perfekt deutsch sprachen oder nahezu perfekt deutsch sprachen, die uns auch bis in die Hotelbar und eigentlich bei jedem Weg begleitet haben, und die eben mit dafür gesorgt haben, dass wir eine wunderbare Choreografie hatten, die 50 Stunden, die wir in diesem Land, in dieser Hauptstadt waren.

Wir haben zum Beispiel eine Grundschule besucht, die sehr vorbildlich war. Da gab es ein Sprachlabor, da gab es Computer – ein Sprachlabor, in dem Englisch gelernt wurde. Wir sind U-Bahn gefahren, eine Sache, die Ausländern, den wenigen, die es überhaupt nur gibt in Pjöngjang, verboten ist normalerweise. Wir durften U-Bahn fahren, aber auch da war es wieder interessant, die U-Bahn fuhr für uns alleine, es war kein Koreaner in der U-Bahn, und wir sind fünf Stationen gefahren, ohne zu halten. Also für Berliner oder Berlin-Besucher aus der Zeit der Teilung mag das vielleicht Erinnerungen hervorrufen, wie man mit den Linien, die unter dem Ostgebiet durchfuhren, einfach durchgefahren ist durch die Geisterbahnhöfe. So ähnlich war das. Wir saßen übrigens auch in Berliner U-Bahn-Waggons, die wurden irgendwann mal nach Nordkorea verkauft. Wir hatten eigentlich einen Blick auf die Realität in der nordkoreanischen Hauptstadt, der sehr kontrolliert war.

Pindur: Also man lebt dann da in einer Blase für diese 50 Stunden Besuchszeit. Werfen wir trotzdem mal einen Blick in die offizielle Presse des Landes: Was kann man denn da so mitnehmen daraus?

Frenzel: Ja, das ist eine ziemlich übersichtliche Sache. Es gibt zwar verschiedene Titel, das hat man uns gesagt, allerdings dürfen Ausländer oder die Botschaften auch dann nur eine beziehen, aber das ist angeblich nicht schwierig oder nicht problematisch, denn die schreiben alle dasselbe. Das ist wortgleich, auch zum Beispiel im staatlichen Fernsehen. Es gab da auch kurze Berichte über unseren Besuch, den Besuch der deutschen Delegation, sehr nüchtern, ohne Zitate, aber auch ohne… – vor allem auch ohne die Zitate der deutschen Besucher, der Politiker, die eben auch Themen angesprochen haben, die kritischen Themen, - dafür aber um so mehr Bilder, also Bilder, wie wir auf dem Rollfeld ankommen, wie wir verschiedene Gespräche führen.

Es gibt eine englischsprachige Zeitung, die "Pyongyang Times", die gibt es einmal die Woche, eben auch für die ganz wenigen, die Nicht-Koreaner, die in diese Stadt kommen. Ich habe mal in die aktuelle Samstagsausgabe geschaut, da sehen wir zum Beispiel als Schlagzeile auf Seite eins, dass der geliebte Führer Kim Jong-il an einem Treffen von Militärs teilgenommen hat und danach eine unterhaltsame Komödie gesehen habe. Ansonsten gibt es da acht Seiten gute Nachrichten: Die Kohlegrubenarbeiter, die wollen selbst ihre Produktion erhöhen, mit Blick auf Japan wird gemeldet, dass nordkoreanische Häuser selbstverständlich erdbebensicher seien. Ich muss sagen, mein Eindruck von dem Besuch in der Hauptstadt war ein anderer bei dem Blick auf die Häuser, die ich gesehen habe. Gute Nachrichten allüberall, man kennt das.

Pindur: Also eine Propagandapresse. In den Staaten des Nahen Ostens, das sieht man ja jetzt, spielt das Internet eine durchaus emanzipatorische Rolle. Ist das in Nordkorea überhaupt verfügbar?

Frenzel: Es gibt in Nordkorea in dem Sinne kein Internet. Das ist erst mal die einfache Antwort, also zumindest nicht für die normale Bevölkerung. Man hat in letzter Zeit eine Art Intranet aufgebaut – ein Internet, das an den nordkoreanischen Grenzen endet. Das passt auch zur Staatsideologie der Autarkie, also dass man keine Abhängigkeit und auch keinen Austausch nach außen haben will, auch nicht mal nach China zum Beispiel, ein Land, das ja eigentlich noch als einigermaßen befreundet gilt. Ein Beispiel dafür auch ist: Das Betriebssystem dort in Korea bei den Computern, die es gibt, heißt Roter Stern und nicht etwa Windows. Das ist ein selbst entwickeltes Betriebsprogramm.

Pindur: Ich hoffe, es funktioniert besser als Windows.

Frenzel: Wir konnten das selbst nicht prüfen, aber wir konnten es in der Grundschule sehen, als die Kinder dort damit spielten, und sie konnten damit einfache Dinge tun. Es gibt aber – das ist interessant – es gibt für Journalisten wie wir, für ausländische Besucher gibt es dann – das passt auch wieder zu dieser Blase, die uns da aufgebaut wurde … Wir hatten in unserem Hotel zum Beispiel freien Internetzugang, wir hatten auch CNN auf dem Fernseher dort.

Also anders als zum Beispiel auch in China bei unserem Zwischenstopp in Peking, haben wir dann gemerkt, ein Land, oder ein Flughafen, der uns das Gefühl gab, wir sind eigentlich wieder in unserer Welt, und dann möchte man auf YouTube oder Facebook gehen und es geht einfach nicht.

Pindur: Man muss einfach auch ja solche Besuche in solchen Ländern auch problematisieren. Ist das nicht im Wesentlichen auch ein Propagandaereignis für die nordkoreanischen Medien?

Frenzel: Die Gefahr besteht natürlich. Und das wenige, was wir sehen konnten von der Auswertung der Presse dort, ist, dass das natürlich genauso genutzt wurde – deutsche Politiker, eine offizielle deutsche Fußballdelegation, die da ist. Der Delegation war diese Gefahr auch bewusst. Sie haben das auch offen thematisiert. Sie haben gesagt, sie wollen es trotzdem machen.

Es gab da Termine bei diesem Besuch, die hätte man sich meiner Meinung nach vielleicht sparen können, etwa in dem Mausoleum des Staatsgründers Kim Il-sung. Da sind Bilder entstanden, die auch natürlich stärker ausgenutzt werden können. Aber dennoch – es war ein Besuch, der gesagt hat, in ein derart verschlossenes Land müssen wir gehen, wir müssen diese Chance nutzen, auch wenn es letztendlich die Gefahr gibt, dass es propagandistisch ausgenutzt wird.

Pindur: Vielen Dank für diese Eindrücke! Das internationale Pressegespräch mit Korbinian Frenzel.