Versuchte Nähe

Von Maike Albath |
"Ich liefere bloß eine Beschreibung. Machen Sie damit, was Sie wollen", lässt Hans Joachim Schädlich in seinem Roman <em>Schott</em> (1992) verlauten und deutet damit sein schriftstellerisches Selbstverständnis an.
Seit dem Prosaband Versuchte Nähe von 1977 betreibt Schädlich eine unbeirrbare Bestandsaufnahme, manchmal sprachspielerisch verfremdend, manchmal nüchtern und sachlich. Historische Verwerfungen geraten ebenso in den Blick wie die typisch deutschen Eigenarten eines obrigkeitstreuen Polizeispitzels in Tallhover (1988) oder die bundesrepublikanische Karriere des Nazi-Germanisten Schwerte in Anders (2003).

1935 in Reichenbach geboren, lagert sich in Hans Joachim Schädlichs Lebensweg die deutsch-deutsche Geschichte ab. Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte arbeitete der Autor als Linguist an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften und verfasste erste Prosastücke, die er vergeblich bei Zeitschriften einreichte. Er schreibe gut, lautete die Begründung für die Ablehnung, sei aber zu dunkel und verneinend - man empfahl ihm einen "neuen Ansatz".

Als er 1976 gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestierte, verlor er seinen Posten; im Jahr darauf kam im Rowohlt Verlag sein Debüt Versuchte Nähe heraus und erregte großes Aufsehen. Mit sprachlicher Strenge und einer parabelhaften Konzentration entwarf Schädlich Bilder der ostdeutschen Seelenlage, wie man sie so noch nicht gelesen hatte.