Véronique Olmi: "Bakhita"

Von der Sklavin im Sudan zur selbstlosen Nonne in Italien

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Auf dem Cover sind vor sandfarbenem Hintergrund die Hände zweier schwarzer Menschen zu sehen, die sich freundschaftlich berühren.
Véronique Olmi erzählt das Schicksal einer Frau, an dem sich auch das Verhältnis der Europäer zu Afrika im 19. und frühen 20. Jahrhundert zeigt. © Cover: Hoffmann & Campe / Collage: Deutschlandradio
Von Dirk Fuhrig · 11.12.2019
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Josefine Bakhita wurde als kleines Mädchen im Sudan von Sklavenhändlern geraubt und weiter verkauft. Dann kam sie auf Umwegen in ein italienisches Kloster. Diese eindrucksvolle Biografie hat Vèronique Olmi in ihrem Roman "Bakhita" verarbeitet.
Véronique Olmi ist eine der bekanntesten Schauspielerinnen und Schriftstellerinnen Frankreichs. In ihren rund zwei Dutzend Romanen und Theaterstücken hat sie sich häufig mit Beziehungs- und Familienproblemen beschäftigt. Viele ihrer Bücher sind auch auf Deutsch erhältlich. Für ihren jüngsten jetzt in Übersetzung erschienenen Roman hat sie die Sphäre der Glückssuche und Partnerschaftsdramen verlassen. In "Bakhita" greift sie gewaltige Themen wie Sklaverei, Rassismus und Kolonialismus auf.

Von Sklavenhändlern geraubt

Der Roman orientiert sich an der historisch verbürgten Biografie der später Josefine Bakhita genannten Frau, die 1869 in einem Dorf in der Region Darfur, im Sudan, geboren wurde. Als kleines Mädchen wird sie von Sklavenhändlern geraubt und mehrfach weiterverkauft.
Sie muss über viele Jahre unvorstellbare körperliche und seelische Gewalt erdulden, bevor sie der italienische Konsul aus Khartum nach Italien mitnimmt. Dort ist sie zwar keine Sklavin mehr, aufgrund ihrer schwarzen Hauptfarbe wird sie jedoch bestaunt wie ein exotisches Tier.

Extrem eindringlich und authentisch

Der Eintritt ins Kloster macht sie als "madre moretta", als "kaffeebraune Nonne", zu einer Berühmtheit. Wegen ihres selbstlosen Einsatzes für Kranke und Geschundene wird sie nach ihrem Tod 1947 vom Papst erst selig, dann heilig gesprochen.
Véronique Olmi schildert den Lebensweg ihrer Protagonistin sehr detailliert. Sie zeigt die Abgründe des Sklavenhandels und der Demütigungen nahezu tabulos. Oft sind die beschriebenen Grausamkeiten beim Lesen kaum zu ertragen. Das macht das Buch einerseits extrem eindringlich und authentisch, andererseits vermisst man an vielen Stellen eine literarische Distanz.
Die Frau, die nie korrekt schreiben lernt und keine Sprache richtig kann, weil man ihr als Siebenjährige nicht nur die Mutter, sondern auch die Muttersprache weggenommen hat, bleibt bis zum Ende des Romans ein Rätsel. Ihren Gedanken und Gefühlen kommt auch die Romanschriftstellerin Véronique Olim nicht wirklich nahe. Konnte sie sich nicht artikulieren - oder hatte sie sich aufgrund der ihr angetanen Gewalt innerlich völlig abgekapselt?

Italiens koloniale Expansion als historische Folie

Olmi betont die Außenseiterrolle, die Bakhita trotz der zunehmenden Verehrung, die ihr entgegenschlug, in Italien hatte. Aufgrund ihrer Hautfarbe wurde sie überall zunächst gefürchtet oder dämonisiert.
Das Kloster ist Schutzraum, aber auch eine Art Gefängnis. Erst recht, als in den 20er-Jahren mit dem Machtantritt Mussolinis auch die Rassenideologie der Faschisten sich ausbreitete. Auch Italiens koloniale Expansion in Eritrea und Äthiopien steht als historische Folie hinter der Romanhandlung.

Die Kraft der emotionalen Überwältigung

Véronique Olmi versteht es, den Leser mitzureißen. Die Wucht der Brutalitäten und Misshandlungen dominiert den Text, während die Persönlichkeit Bakhitas trotz der vielen plastischen Szenen letztlich doch etwas blass bleibt.
Das Buch setzt etwas zu sehr auf die Kraft der emotionalen Überwältigung. Trotzdem: ein wichtiger, interessanter Text über das Leben einer Frau, an deren Schicksal sich auch das Verhältnis der Europäer zu Afrika vom 19., bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen lässt.

Véronique Olmi: "Bakhita"
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
Hoffmann & Campe, Hamburg 2019
415 Seiten, 25 Euro

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