Verkauf an die USA

Als Russland Alaska loswerden wollte

Polarlicht mit Sternen über Alaska, aufgenommen am 20.11.2012 in der Nähe von Fairbanks
Polarlicht über Alaska: Am 30. März 1867 wurde der Deal zwischen Russland und den USA besiegelt. © picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann
Von Matthias Bertsch · 30.03.2017
Pelzhändler sicherten sich im Auftrag des Zaren das Gebiet im Nordwesten Amerikas: Als das Geschäft dort immer schlechter lief und Russland befürchtete, die Region militärisch nicht mehr halten zu können, verkaufte Alexander II. Alaska an die USA – vor 150 Jahren.
"Seine Majestät, der Kaiser von Russland, erklärt sich hiermit bereit, alle Gebiete auf dem amerikanischen Kontinent und den angrenzenden Inseln, die sich bislang in seinem Besitz befanden, an die Vereinigten Staaten abzutreten."
Mit diesen Worten beginnt Artikel 1 des Vertrages zwischen Russland und den USA, der die russische Herrschaft in Alaska beendete. Für die Historikerin Orienne First Denslow, die lange in Alaska tätig war, ist William Seward, der den Vertrag auf amerikanischer Seite ausgehandelt hatte, noch heute ein Held.
"Seward muss ein unglaublicher Visionär gewesen sein. Obwohl er niemals dort war, konnte er vorhersehen, welche Bedeutung dieses Stück Land für die USA bekommen sollte. Als Außenminister ist Seward die entscheidende Figur bei der Unterzeichnung am 30. März 1867, die den Transfer Alaskas von Russland nach Amerika besiegelte."

Alaska brachte nicht mehr genug Gewinn

Bereits hundert Jahre zuvor hatten sich russische Händler - Sibirien lag keine 100 Kilometer von Alaska entfernt - das Gebiet im Nordwesten Amerikas angeeignet, auf der Suche nach Pelzen und Fellen. Zum Teil geschah dies in Kooperation mit den dort lebenden Stämmen der Aleuten, Tlingit oder Inuit, die wussten, wo Robben und Seeotter in der unwirtlichen Natur zu finden waren, zum Teil im Kampf gegen sie. Denn während die indigene Bevölkerung die Tiere für den eigenen Bedarf tötete, ging es den russischen Händlern um Profit. Um diesen zu steigern, wurde eine halbamtliche koloniale Handelsgesellschaft, die russisch-amerikanische Kompanie, gegründet. Das Geschäft florierte anfangs, doch dann brach es ein, erklärt Gertrud Pickhan, Osteuropa-Historikerin an der Freien Universität Berlin.
"Es hat sich dann herausgestellt, dass Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis mehr stehen, weil die Pelzgewinne immer geringer wurden, das hat sicher auch sozusagen einen umweltpolitischen Hintergrund, dass die Seeotter immer weniger wurden, und dann hat man diese Region verkauft, weil sie nicht mehr genug Gewinn brachte und weil man Devisen brauchte."
Alaska auf einer schattierten Reliefkarte. Das Gebiet wurde von Russland an die , USA verkauft.
Alaska auf einer schattierten Reliefkarte.© imago / imagebroker

Ureinwohner als "unzivilisierte Stämme" eingestuft

Devisen, um den Bau der Eisenbahn voranzutreiben, die das riesige Zarenreich modernisieren sollte. Dazu kam: Russland war durch den Krim-Krieg geschwächt, den es zehn Jahre zuvor gegen das Osmanische Reich, Frankreich und Großbritannien verloren hatte.
"Ich denke, dass es eben auch Überlegungen gab, dass nach dem verlorenen Krim-Krieg Alaska schlicht nicht mehr zu verteidigen wäre, wenn Großbritannien größere Ambitionen entwickeln würde oder auch die USA größere Ambitionen entwickeln würde, sich das Territorium anzueignen, und das war dann der Hintergrund dafür, dass man zu diesem Verkauf schritt."
Am 30. März 1867, nach nur wenigen Wochen der Verhandlung, war es dann soweit. Für 7,2 Millionen Dollar wechselte Alaska – eine Fläche, fast fünf Mal so groß wie Deutschland - den Besitzer. Die Einwohner erhielten die Möglichkeit, innerhalb von drei Jahren nach Russland zurückzukehren oder die amerikanische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Allerdings galt das nicht für die Ureinwohner. Sie wurden im Vertrag als unzivilisierte Stämme bezeichnet, für die besondere Bestimmungen galten. Heute setzen sich in Alaska zwar einige Organisationen für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein, doch die Erinnerung an die Geringschätzung ihrer Kultur sitzt tief, erklärt Ethan Pettycrew. Der Aleute arbeitet für ein Kulturzentrum in Anchorage.

Weitreichende Folgen für die Aleuten

Insgesamt habe die amerikanische Zeit viel mehr Schaden angerichtet als die russische:
"Die Russen haben uns bei unseren Sprachen geholfen, wir hatten Druckerpressen, Bücher, Schulen. Unsere Leute konnten in Russisch und unseren Sprachen lesen und schreiben. Als der Verantwortliche der Amerikaner nach dem Kauf alles übernahm und unsere Schulen besuchte, sagte er: 'Ab jetzt nur noch Englisch und nur noch englischsprachige Lehrer.' Die Amerikaner waren davon besessen, dass es nur eine Sprache geben sollte. Man wollte den Ureinwohner und den Russen aus uns austreiben."
Die offizielle amerikanische Sichtweise dagegen ist eine andere: Das Bild ist geprägt von den mutigen Abenteurern, die den Kräften der Natur getrotzt haben - sei es im Goldrausch Ende des 19. Jahrhunderts oder bei der Erschließung riesiger Erdölfelder 70 Jahre später. Als größter Bundesstaat ist die Region heute auch strategisch für die USA von großer Bedeutung – zum Leidwesen mancher russischer Nationalisten, die den Verkauf von 1867 gern rückgängig machen würden.
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