Vergebliche Liebesmüh’

Von Jörn Florian Fuchs |
Die kaum bühnenwirksame Musik plätschert gefällig dahin, die Regie mischt Zeiten und Räume, das Originalstück wird entkernt, am Ende gibt es Friede und Freude unter einem riesigen Mond - "Der Kaufmann von Venedig" in Bregenz ist ein veritabler Flop.
Es kommt öfters vor, dass eine Uraufführung die Erwartungen nicht erfüllt. Das liegt freilich in der Natur der Sache, schließlich betreten ja alle Neuland – Auftraggeber, Regisseur und vor allem der Komponist. Doch im Falle dieser Bregenzer Premiere liegen die Dinge anders. Intendant David Pountney wusste ganz genau, worauf er sich da einließ. Schließlich liegt die Partitur bereits seit längerem vor. André Tchaikowsky hat an seiner einzigen Oper von 1968 bis zu seinem Tod im Jahr 1982 geschrieben, bis auf wenige Takte bei der Orchestrierung hat er sie vollenden können.

Eigentlich hieß er Andrzej Krauthammer, den Namen Tchaikowsky gab er sich während der nationalsozialistischen Okkupation Polens, die ihn erst in Warschauer Ghetto, später in die Emigration trieb. Tchaikowsky war ein begabter, von Artur Rubinstein geförderter Pianist mit beträchtlicher Karriere. Doch er verstand sich auch als Komponist. Den "Kaufmann" wollte indes viele Jahre niemand aufführen, erst jetzt wagte es Bregenz – und landete einen veritablen Flop.

Das beginnt schon beim Libretto. John O’Brien hat es verfasst, von Shakespeares Reimen ist nicht mehr viel übrig. Stattdessen herrscht ein mal flüssiger, mal zäher Konversationston. Dieser findet sich auch in der Musik, die Kantilenen erinnern ein bisschen an Benjamin Britten, im Orchester hört man viel Flirren und Klingeln, ein paar Barockzitate, dazu lugt einmal auch der berühmte russische Namensvetter herein. Wagner spielt ebenfalls eine (kleine) Rolle, etwa bei der ausgedehnten Ring-Szene. Im "Kaufmann" spielt ein verlorener Reif ja eine große Rolle.

Außerdem ver- und entwirren sich diverse Liebesgeschichten, doch der Kern besteht aus dem Konflikt zwischen dem Juden Shylock und Kaufmann Antonio. Letzterer leiht sich von Shylock Geld für einen Freund und unterschreibt einen seltsamen Vertrag. Kann er nicht zurückzahlen, so überlässt er dem Juden ein Pfund Fleisch aus seinem Körper. Als er tatsächlich pleite ist, pocht der von vielen Verspottete auf Recht und Gesetz. Doch das Gericht entscheidet, dass bei der Fleischabnahme kein Tröpfchen Christenblut fließen dürfe …

Die Musik scheut jeden Konflikt
Was André Tchaikowsky an diesem Stoff interessiert hart, bleibt schleierhaft. Seine Musik jedenfalls plätschert gefällig dahin, gleitet an wenigen Stellen auch mal ins Raue, scheut aber jeden wirklichen Konflikt, jegliche Auseinandersetzung. Sie ist zwar immer wieder farbenfroh und strukturell durchaus nicht unkomplex, bühnenwirksam ist sie jedoch kaum. Im Grunde entkernen Tchaikowsky und O’Brien das Original, verlieren sich in aneinander gereihten Einzelmomenten.

Leider tut Keith Warners Inszenierung ein Übriges zum Misslingen dieser Premiere. Warner legt den Kaufmann auf die Couch, anfangs und beim Finale sitzt ein Sigmund-Freud-Verschnitt an seiner Seite. Das ist so hilflos wie billig. Dazwischen sieht man eine bunte Mischung aus Zeiten und Räumen, mal schauen Nazischergen vorbei, dann scheinen wir uns bei Jane Austen zu befinden, dann im völligen Niemandsland. Marlene Dietrich singt ein Liedchen, die Verehrer der allseits begehrten Portia verirren sich in einem Schießbudenlabyrinth, am Ende gibt es Friede und Freude unter einem riesigen Mond, vorher hat sich Shylock in einer Traufe ertränkt.

Dieses Regiekonzept würde man vermutlich nicht mal einem Theaterstudenten im Grundstudium durchgehen lassen.

Gesungen wurde immerhin durchwegs gut, vor allem Adrian Eröd bewältigte die ausdauernde Shylock-Partie glänzend. Erik Nielsen bewegte die Wiener Symphoniker sicher durch die Partitur.

Im Ganzen war das alles leider viel Lärmen um all zu wenig.


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