Verfall als Folge des Bürgerkriegs

Die Reportage "Auf der Fährte des Teufels" sucht nach den Gründen der brutalen Bürgerkriege Sierra Leones. Für seine Beobachtungen wanderte der englische Journalist Tim Butcher auf den Spuren des Schriftstellers Graham Greene durch das westafrikanische Land.
Der englische Journalist Tim Butcher arbeitete als Kriegs-Berichterstatter im Irak, Kosovo und Bosnien, später auch während der Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone. Zwei Freunde von ihm kamen dort ums Leben. 2003 musste er nach Todesdrohungen die westafrikanischen Staaten verlassen. 2008 ist er zurückgekehrt – und reiste auf den Spuren eines Landsmannes: Des Schriftstellers Graham Greene, der 1935 Liberia und Teile Guineas durchwanderte.

Herausgekommen ist eine spannende, vielschichtige Reportage, voller interessanter Beobachtungen und Historie, da Butcher vier Themenkomplexe geschickt miteinander mischt: Seine eigene Wanderung, seine früheren Aufenthalte in den Ländern, die Reise Greeens und die Geschichte vor allem Liberias – des Staates, der 1821 von wohlmeinenden Amerikanern für freigelassene Sklaven gegründet und 1847 selbstständig wurde. Die neuen schwarzen Staatslenker ahmten ihre früheren Peiniger nach: Sie versklavten die hier lebenden Völker.

Die Sklaverei, die bis weit ins 20. Jahrhundert anhielt, brachte auch Graham Greene nach Liberia. Offiziell im Auftrag der britischen Anti-Sklaverei-Gesellschaft – doch so weist Butcher anhand von Archivfunden erstmals nach, auch als inoffizieller Mitarbeiter des englischen Auslandsgeheimdienstes. Greene suchte zweierlei in Liberia: Zum einen Beweise für Sklaverei, zum anderen, geprägt durch sein Misstrauen in die europäische Zivilisation, das natürliche, einfache Leben – Unschuld und Gemeinschaft statt Egoismus.

Butcher trifft Menschen, die Greene noch erlebt haben und sich an seinen Whiskykonsum erinnern, und besucht Orte, die seither unverändert sind. Eindringlich erzählt er vom Verfall, den Folgen der Bürgerkriege und, leider nur selten, von Hoffnung. Butchers Stärke ist es, mit nur wenigen Sätze Szenen entstehen zu lassen, lebendige, stimmungsvolle Beschreibungen von Orten, Landschaften und Personen.

Dabei versucht er, die Gründe für die Brutalität in den Bürgerkriegen zu finden. Er vermutet sie in der Macht der Geheimbünde, der Poro, die in den Urwaldorten herrschen – Geheimbünden mit harten Initiationsriten, angeblichen Ritualmorden und Kannibalismus. Er zieht Parallelen zwischen der Gewalt in den Bürgerkriegen und der in den Bräuchen des Poro und zitiert einen Entwicklungshelfer, der von jährlich Hunderten von Ritualmorden spricht.

Der Poro mit seinen strikten Regeln und Hierarchien schweiße, so Butcher, eine Gemeinschaft zusammen und erleichtere so das Überleben im Urwald, verhindere aber gleichzeitig jeden Individualismus, jede Initiative und jeden persönlichen Erfolg. Seite für Seite malt Butcher so ein Bild eines Teufels, den es zu vertreiben gilt. Nur so, glaubt man Buchter, steht Liberia eine bessere Zukunft offen.

Das liest sich gut, ob diese These stimmt? Butcher beruft sich auf Gespräche und Berichte. Von Ethnologen und Anthropologen hört man solche Thesen bisher nicht – und ohne diese starke Zuspitzung wäre Butchers gutes Buch besser.

Besprochen von Günther Wessel

Tim Butcher: Auf der Fährte des Teufels. Zu Fuß durch Sierra Leone und Liberia
Aus dem Englischen von Klaus Pemsel
Malik Verlag, München 2011
384 Seiten, 23,70 Euro
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