Verena Mermer: "Autobus ultima speranza"

Streitlust und Missgunst fahren mit

Das Buchcover von "Autobus Ultima Speranza"
Verena Mermers Roman "Autobus ultima speranza" © Residenz Verlag/dpa
Von Ursula März · 28.12.2018
In ihrem Sozialroman befasst sich die österreichische Schriftstellerin Verena Mermer mit Hilfsarbeitern und Nannys aus den Dörfern Rumäniens. Der Roman folgt ihnen auf ihrer Busreise in die wohlhabenden Gesellschaften, die ihre Dienste nutzen.
Das italienische Wort "Speranza", Hoffnung, steht auf dem pinkfarbenen Fernbus, der sich an einem Abend kurz vor Weihnachten am Wiener Busbahnhof auf den Weg macht. Sein Ziel ist Rumänien. Der Begriff Pendler würde das Dasein der Passagiere beschönigen, die nach Einbruch der Dunkelheit ihre Sitzplätze einnehmen. Erst am nächsten Tag werden sie an ihrem Wohnort eintreffen, denn zwischen diesem und ihrem Arbeitsplatz liegen viele hundert Kilometer.

Leben bei fremden Familien

Sie verdienen ihr Geld als Hilfsarbeiter oder als Nannys, Altenpfleger, Putzfrauen in österreichischen, deutschen und skandinavischen Privathaushalten. Sie stehen auf der untersten Stufe der Erwerbstätigkeit, verbringen ihr Leben bei fremden Familien im Ausland und kommen nur ein paar Mal im Jahr nach Hause zu ihren eigenen Familien in den Dörfern Rumäniens. Sie dienen als die unsichtbaren Stützen der Wohlstandgesellschaften Mitteleuropas; oft illegal beschäftigt, in bar entlohnt und ohne jede soziale Absicherung.
Der Fernbus mit dem Namen "Speranza" ist somit auch eine Metapher für die kolonialistischen Strukturen inmitten des europäischen Arbeitsmarktes.

Politisch bedeutsames Sujet

"Autobus Ultima Speranza", der zweite Roman der 34-jährigen österreichischen Schriftstellerin Verena Mermer, lässt sich einer Gattung zurechnen, die in der Gegenwart keinen besonders guten Ruf genießt: Dem Sozialroman.
Ihm hängt der Nimbus biederer Parteilichkeit an, und es ehrt die junge Autorin, dass sie davon unbeeindruckt ein wenig beachtetes, aber politisch bedeutsames Sujet in die Literatur einführt. Zumal sie ihre erschöpften, am Existenzminimum darbenden Protagonisten, die zwei Busfahrer wie die Arbeitsimmigranten, keineswegs idealisiert. Streitlust, Missgunst, Ressentiment und feindselige Verbitterung fahren im Bus mit.

Reicher Erzählschatz

Dramaturgisch folgt die Erzählung den Stationen der Fahrt, die Verena Mermer aus eigener Erfahrung kennt. Als Lektorin hat sie drei Jahre in der rumänischen Stadt Cluj-Napoca verbracht. Die Dramen und Lebensgeschichten der rumänischen Dienstleister, die sie aus deren eigenem Mund hörte und in ihrem Roman versammelt, sind ein reicher Erzählschatz. Der Leser lernt die wirtschaftliche Situation und die persönlichen Bürden von Menschen kennen, denen er allenfalls in Reportagen begegnet, die um Mitternacht im Fernsehen laufen.
Verena Mermers literarische Ambition geht über die Rolle der teilnehmenden Beobachterin allerdings hinaus – nicht unbedingt zum Vorteil des Romans. Seine langen Passagen mal poetischer Gedankenspiele, mal soziologischer Reflexionen lenken von den prägnanten Porträts der Buspassagiere eher ab. Je näher der Roman bei ihren Dialogen, Verhaltensweisen und Handlungen während der Fahrt bleibt, desto wirkungsvoller ist er. Und er verliert an Kraft, sobald er seinen Realismus ins Kunstvolle zu überhöhen sucht. Dieser Einwand ändert indes nichts an der Überzeugungskraft des Inhalts. Mermers pinkfarbener "Autobus Ultima Speranza" leuchtet aus der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur heraus.

Verena Mermer: Autobus ultima speranza
Residenz Verlag, Salzburg 2018
197 Seiten, 20 Euro.

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