Vereinsporträt

Einst Niemandsland, jetzt mittendrin

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Ein Jugendlicher mit seinem Skate-Board (Bild: Paul Zinken/dpa) © Paul Zinken/dpa
Von Wolf-Sören Treusch |
Üblicherweise befinden sich Fußballplätze im Grünen, der SV Blau Weiß Berolina trainiert umringt von Szenekneipen - die Hackeschen Höfe und der Fernsehturm sind um die Ecke. Der Verein hat seit Entstehen vor 65 Jahren einige Wandel erlebt.
"Tom, Tom, du wartest zu lange. Worauf wartest du? In der Zeit hat der Gegenspieler den Ball. Aus der Mitte raus."
Trainingsalltag auf dem Kunstrasenplatz zwischen den Wohnhäusern. 40 Jungen und 20 Mädchen jagen den Fußbällen hinterher, die Mädchen üben Doppelpässe, die Jungen Torschüsse. Thomas Meyer, der Präsident des Vereins, steht am Spielfeldrand. (ATMO 1 weg)
"Gut gehalten. Ach Schade."
Der Verein stößt an seine Grenzen
Auch wenn der Torwart den Ball dann doch aus dem Netz holt: Thomas Meyer bestärkt die Nachwuchskicker positiv, deshalb hat er auch dafür gesorgt, dass die Übungsleiter der alten Schule ...
"Abloofen! Nur abloofen!"
... weitgehend aussortiert worden sind. Seit 2006, seit er den Verein führt, ist nicht nur der Umgangston freundlicher geworden. Die Zahl der Mitglieder hat sich mehr als verdoppelt.
"2006 waren es ungefähr 550, dann haben wir es für den Kleinkinderfußball geöffnet, und seitdem gibt es keine Grenzen mehr, seitdem haben wir 1.200, Tendenz steigend."
Insgesamt 34 Mannschaften sind für den Spielbetrieb gemeldet, der SV Blau Weiß Berolina Mitte stößt an seine Grenzen.
"Ja, eigentlich ist es kaum noch zu bewältigen, zumal wir nur 6 Kabinen haben. Das heißt wir haben im Prinzip Wartelisten."
Thomas Meyer ist Rechtsanwalt, kommt ursprünglich aus Westdeutschland. Ihm traute man 2006 am ehesten zu, den notwendigen Wandel der Vereinsstrukturen voranzutreiben. Aus einem etwas rechtslastigen Ost-Verein einen modernen gesamtdeutschen Verein zu machen. Also wählte man ihn zum Ersten Vorsitzenden.

"Es war ja auch unser strategisches Ziel, diesen Verein stark zu machen. Das heißt so viele Mitglieder wie eben möglich aufzunehmen, damit auch niemand mehr auf die dumme Idee kommen kann, diesen Platz zu nehmen. Aber bitte, das ist die Lage. Dieser Platz ist Lage, Lage, Lage. Wohl und Wehe. Das heißt wir werden niemals wachsen können, jedenfalls was die Platzverhältnisse angeht, das ist das Wehe, und das Wohl ist halt: wir haben diesen Platz in Berlin Mitte, mitten im Zentrum von Berlin, und dann bedingt es halt, dass die Klientel hier eine besonders durchmischte ist. So, die verrückten Mitte-Eltern, wie ich das immer sage."
"Oh, schade."
Enormer Umbruch nach 1989
Verrückt genug, dafür zu sorgen, dass der Fußballplatz keine Spielwiese für Investoren wird. Die Gegend hat seit dem Mauerfall 1989 einen enormen Umbruch erlebt. Die alte Wohnbevölkerung ist fast komplett ausgetauscht, die neu Hinzugezogenen sind in der Regel wohlhabend und gut vernetzt. – Marcus Schröder gehört zu den Alten.
"Der hat Kult, der Platz, du kommst hier rauf, du bist mitten in der Stadt, Altbau, Neubau, Plattenbau hier um die Ecke, du siehst den Platz von draußen gar nicht, kommst hier rein, hast einen Riesenfußballplatz und siehst einfach nur diesen Fernsehturm, und dann sagen sie alle: boh."
Er hat sich das Vereinslogo in die Wade tätowieren lassen. Obwohl erst Anfang 30, ist Marcus Schröder Berolina-Urgestein. Bis vor kurzem spielte er noch selbst, jetzt trainiert er die 3. Herren. Er ist kein Fan des Mädchenfußballs, aber den Wandel des Klubs macht er mit. Er hat keine Wahl, der Fußballplatz ist sein zweites Zuhause.
"Hier gibt es halt wirklich noch unsere Alteingesessenen, die Kiezkinder oder DDR-Kinder, die hier noch so zusammenhängen, so wie heute, wenn halt die AK 40 spielt, wo viele herkommen, die mich in Windeln über den Platz getragen haben, und dann gibt es halt auch die Neuen, die Zugezogenen, die halt aus dem Westen hierher kamen oder sonst woher. Ja, aber irgendwo fehlt uns, wir haben früher hier noch Jugendklubs gehabt, andere Sportmöglichkeiten etc., was alles zugemacht worden ist, das ist halt nicht mehr gegeben, dafür machen sie jetzt eine Galerie nach der anderen auf, das ist halt, was mich stört, bin ich ehrlich, aber: man kann die Zeit nicht aufhalten, die Zeit geht ihren Weg, und wir müssen den Weg mitgehen."
Der Zusammenhalt im SV Blau Weiß Berolina Mitte mag vielleicht nicht mehr so groß sein wie früher, aber dass ihr Präsident den Verein geschickt durch die neue Zeit manövriert, erkennen die meisten Alteingesessenen an. Darauf ist Thomas Meyer auch selbst ein bisschen stolz.
"Ich jedenfalls habe ein wunderbares DDR-Trikot geschenkt bekommen, ein Trikot von 1974 mit dem Hinweis: ich sei jetzt ein Guter. Wessi! So."
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