KSV Johannisthal

Kleiner Verein mit großen Gegnern

Zwei Bälle mit dem Logo von Kappa liegen auf dem Rasen
Der KSV Johannisthal hat schon gegen viele namhafte Gegner gespielt. © picture alliance / dpa
Von Frank Ulbricht · 21.09.2014
Schon zu DDR-Zeiten gründete Elmar Werner den KSV Johannisthal, eine gemeinsame Mannschaft evangelischer und katholischer Fußballer. In die oberen Ligen hat es der Klub zwar bis heute nicht geschafft - und dennoch gegen namhafte Gegner gespielt.
"Und hier, das ist sozusagen das Traditionskabinett. Hier stehen unsere ganzen Pokale. Und hier ist ein Trikot von Beitar Jerusalem, die voriges Jahr hier waren, mit allen Spielerunterschriften. So eine Kneipe, mit so vielen Utensilien aus Israel, so eine Fußballkneipe gibt es in ganz Israel nicht."
Elmar Werner führt mit Stolz durch sein Vereinsheim. Hier ist kein Quadratzentimeter Wand mehr frei, überall hängen Wimpel, Trikots und Schals, von deutschen, englischen und auffallend vielen israelischen Fußballteams. Das mit Israel ist eigenes Kapitel, also der Reihe nach.
Werner ist wohl das, was man als Berliner Original bezeichnet. Die Statur eines Ringers, immer direkt, nie um einen Spruch verlegen. Zu DDR-Zeiten arbeitet der heute 51-Jährige als Koch, studieren darf er nicht. Werner ist in der evangelischen Kirche aktiv, das macht ihn verdächtig. Mit katholischen und evangelischen Freuden gründet er 1980 den KSV Johannisthal. Auf die üblichen DDR-Sportvereine haben sie keine Lust. Der Name ist schnell gefunden. Sie spielen in Johannisthal, einem Ost-Berliner Ortsteil. Das "K" steht dabei für:
"Klein, kirchlich, kreativ. Und später ist dann auch noch kulturell dazu gekommen, weil wir auch Kulturprojekte machen. Und das war natürlich zu Ostzeiten nicht so eine angenehme Nummer. Außerhalb des bestehenden Sportsystems, die Stasi war uns immer auf der Spur."
Eine Mannschaft die keinem DDR-Betrieb oder offiziellem Sportverein angehört, das soll es im Arbeiter und Bauernstaat eigentlich nicht geben. Doch die Spieler bleiben hartnäckig, dürfen in der Ost-Berliner Bezirksklasse antreten und finanzieren sich allein durch Spenden. Die MfS-Akte von Elmar Werner umfasst mehrere Ordner.
Besonders nervös wird die Stasi, als der KSV Johannisthal Anfang der 80er-Jahren gegen Botschaften spielt. Die Kontakte zu den Diplomaten hat Werner geknüpft. So kickt man gegen Franzosen und Engländer. Um keinen Ärger zu provozieren, verabredet sich die Mannschaft auch mit der tschechoslowakischen und sowjetischen Botschaft. Höhepunkt ist die Einladung der Franzosen zu einem Turnier am 14. Juli 1983.
Nach dem Mauerfall geht der KSV Johannisthal auf große Fahrt
"Da waren natürlich auch alle Botschafter da und haben dann ein kleine Rede gehalten und den Franzosen zum Nationalfeiertag gratuliert. Naja, da bin ich dann auch aufgestanden und habe im Namen der Deutschen Demokratischen Republik die Grüße überbracht. Aber das ging auch, hat keine diplomatischen Krisen ausgelöst."
Nach dem Mauerfall geht der KSV Johannisthal auf große Fahrt, nimmt bundesweit an Turnieren teil. Doch Fußball ist nicht alles auf diesen Reisen.
"Als wir damals nach Homburg gefahren sind, sind wir natürlich auch nach Wiebelskirchen gefahren und standen vor dem Geburtshaus von Erich Honecker. Und wir sind natürlich auch nach Trier gefahren und ins Karl Marx Museum gegangen, wie sich das gehört."
Mit Hilfe der Kirche kann Elmar Werner doch noch studieren und arbeitet seit 1991als Jugendpfarrer. Dabei begleitet er Schüler auch nach Israel. Das Land und seine Menschen faszinieren ihn, immer wieder organisiert er Reisen dorthin. Werners gute Kontakte ins Heilige Land führen dazu, dass sogar israelische Profimannschaften ihr Trainingslager beim KSV Johannisthal aufschlagen. So steht 1996 das größte Spiel der Vereinsgeschichte an. Die Mannschaft aus der Bezirksliga, gegen den Champions-League-Teilnehmer Beitar Jerusalem. 2004 reist das ganze Team nach Israel und darf im Jerusalemer Teddy-Kollek-Stadion gegen eine Profiauswahl antreten. Schon die Umkleiden sind für die Mannschaft ein Erlebnis.
"Die Kabinen sind so versetzt, dass, wenn man aus dem Fenster guckt, guckt man genau über die Grasnarbe rüber ins Stadion, auch aus den Duschen. Und dann habe ich ganz hinten geduscht und neben mir stand mein Kumpel Justus, mit dem ich den Verein gegründet habe. Dann habe ich gesagt, Justus, guck mal noch einmal durch, durch das Fenster, rein ins Stadion, siehst du nie wieder."
Nach 34 Jahren kicken beim KSV Johannisthal noch immer einige Gründungsmitglieder. Mittlerweile sind auch sechs jüdische Spieler dabei. Unter ihrem offiziellen Namen treten sie nicht an, aus Sicherheitsgründen, so Elmar Werner. Leider gehöre das zu ihrem Alltag. Auch der Polizeieinsatz, wenn der KSV Johannisthal, wie in jedem Jahr, ein Turnier mit der israelischen Botschaft ausrichtet. 2015 will der Verein wieder nach Israel reisen. Ein neues Trikot für das Vereinsheim wird dabei sicher auch abfallen.