Verdis "Die Macht des Schicksals" in Berlin

Videoeinspielungen stören die Spielfreude

08:26 Minuten
Zu sehen ist ein Militärtransporter. Vor diesem sitzen zwei Männer auf dem Boden.
„La forza del destino“ von Giuseppe Verdi, Regie: Frank Castorf, Premiere am 8.9.2019. © Copyright: Thomas Aurin
Jürgen Liebing im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 08.09.2019
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Verdis „Macht des Schicksal“ unter der Regie von Frank Casdorf feierte an der Deutschen Oper in Berlin Premiere. Unser Kritiker war gelangweilt. Es sei der Tod der Oper, wenn man nicht an die Musik und den Gesang glaube.
Ausgangspunkt von Verdis Oper "Die Macht des Schicksals" ist ein Schuss, den Don Alvaro versehentlich abfeuert. Damit tötet er den Vater seiner Geliebten Leonora. Das Liebespaar flieht und muss sich trennen. Leonoras Bruder Carlo will den Tod seines Vaters rächen. Verdis Oper ist eigentlich eine einzige Verfolgungsjagd und dramaturgisch sehr unübersichtlich mit Orts- und Zeitsprüngen und einer wenig stringenten Handlung.
Der frühere Intendant der Berliner Volksbühne, der Regisseur Frank Castorf, hat das Stück an der Deutschen Oper in Berlin inszeniert. Unser Kritiker Jürgen Liebing hat die Premiere gesehen und war "gelangweilt", wie er im Deutschlandfunk Kultur sagt.

Zeitlich verlagert in den Zweiten Weltkrieg

"Es geht hier um Katholizismus, es geht um Kolonialismus, es geht um Krieg, um Faschismus, um Ausbeutung – das steht im Mittelpunkt", sagt unser Kritiker Jürgen Liebing im Deutschlandfunk Kultur. Castorf habe die Geschichte in das Jahr 1943 verlagert. Dadurch rücke die Oper einem näher. Zu erkennen sei das an einem US-Militärfahrzeug auf der Bühne und an den Kostümen.
Zu sehen ist eine große Leinwand, auf die ein Mann projiziert wird, ein Chor, eine Treppe und eine überdimensionierte Nachbildung eines Offiziers, der durch eine Kamera blickt. Im Hintergrund befindet sich ein Gebäude mit der Aufschrift "La Cinematografie".
"La forza del destino" von Giuseppe Verdi, Regie: Frank Castorf, Premiere am 8.9.2019.© Copyright: Thomas Aurin
Castorf gehe es in erster Linie um das Umfeld: "In dieser Oper spielen die Chöre eine riesige Rolle, das Volk, das Krieg führt, das auch immer mehr verroht. Castorf setzt da noch einen drauf, indem er auch noch Texte von anderen zitiert, die das deutlich machen."

Zu viele Videos

Ärgerlich seien die vielen Videoeinspielungen, sagt Liebing. Er habe sich dadurch bei der dreistündigen Aufführung gelangweilt. Zum Teil seien die Videos sinnvoll, weil sie etwas aus der Inszenierung verdeutlichten. "Zum Teil lenken sie total ab, sie zeigen irgendetwas." Es falle schwer sich auf die Handlung zu konzentrieren. Es handele sich um eine "sehr verkopfte Inszenierung". Dadurch trete die Spielfreude in den Hintergrund.
Musikalisch und gesanglich sei die Inszenierung aber "wirklich überzeugend" gewesen, das Orchester habe auch gut gespielt. Nur "der Trubel auf der Bühne" habe doch zu sehr von der Musik abgelenkt, so Liebing. "Es ist der Tod der Oper, wenn man nicht an die Musik und den Gesang glaubt."

Ein kleiner Skandal

Gegen Ende der Premiere habe es einen kleinen Skandal gegeben. Aus dem Publikum seien während des Verlesens eines englischsprachigen Textes Rufe wie "Aufhören! Musik!" zu hören gewesen, gefolgt von einer Gegenrede. Das habe ihm nicht gefallen, denn in der Oper müsse man auch mal etwas aushalten können, sagt Liebing. "Wir gehen ja nicht zu Verdi, weil wir nur schöne Musik hören wollen, sondern wir wollen auch das uns eine Geschichte erzählt wird."
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