Verbotene Liebe

Von Anne Kretzschmar |
Patrick S. und Susan K. haben nicht nur vier gemeinsame Kinder, sondern auch gemeinsame Eltern. Ihre ungewöhnliche Liebesgeschichte führt seit nunmehr fünf Jahren zu moralischen und juristischen Diskussionen.
Dabei geht es vor allem um die Zukunft von Paragraph 173 des Strafgesetzbuches. Der besagt, dass "Beischlaf erwachsener Geschwister strafrechtlich zu verfolgen ist", verbietet also den Inzest. Dieses Inzestverbot könnte nun durch eine Verfassungsbeschwerde von Patrick S. und Susan K. aufgehoben werden.

Die Geschwister waren nicht zusammen aufgewachsen. Erst im Jahr 2000 lernten sie sich kennen. Patrick S. wuchs in einer Adoptivfamilie auf. Erst als er volljährig wurde, lernte er seine Mutter und die damals 16-jährige Schwester kennen. Ein Jahr später bekamen die Geschwister ihr erstes gemeinsames Kind – ein Kind, das es nach dem Gesetz nicht hätte geben dürfen. Patrick S. wurde daraufhin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt – auf Grundlage des "verbotenen Beischlafs von Verwandten".

Als das Paar in den folgenden Jahren dennoch drei weitere Kinder bekam, wurde Patrick S. noch mehrere Male verurteilt, insgesamt zu dreieinhalb Jahren Haft, von der er bereits 13 Monate verbüßt hat. Seine Schwester, Susan K., wurde nach Jugendstrafrecht verurteilt und unter Aufsicht des Jugendamtes gestellt.

Patrick S. ließ sich indes sterilisieren. Juristisch wird das aber nichts ändern: Denn das Gesetz bestraft nicht, dass Kinder aus einer inzestuösen Verbindung hervorgehen, sondern nur den vorhergegangenen Beischlaf.

Die Verteidiger der Geschwister argumentieren, dass das Inzestverbot ein Eingriff in das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung und die freie Gestaltung des Familienlebens sei – und damit gegen das Grundgesetz verstoße. Der Paragraph 173 des Strafgesetzbuches sei also ein bloßes "historisches Relikt", das lediglich das moralische und sittliche Empfinden der Gesellschaft schütze.

Rechtsexperten streiten darüber, ob Inzest tatsächlich nur ein Tabubruch ist, oder auch sozial schädliches Verhalten. So haben zwar zwei der vier Kinder von Patrick S. und Susan K. eine Behinderung. In den bisherigen Gerichtsverfahren wurde aber nicht abschließend geklärt, ob diese durch den Inzest entstanden sind.

Das Gespräch zum Thema mit dem Humangenetiker Prof. Jürgen Kunze von der Berliner Charité können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.
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